[Ohne Titel]

Dr. Matthias Gehm[*]

Nachdem Niedersachen mit Gesetz v. 16.12.2014 (GVBl. 2014, S. 465) in seinem Kirchensteuergesetz (KiStG) den Verweis in § 6 Abs. 1 auf die strafrechtlichen Vorschriften der AO gestrichen hat, ist in keinem Bundesland mehr die Hinterziehung von Kirchensteuer nach § 370 AO strafbar. Es stellt sich dann aber die Frage, ob eine Bestrafung wegen Betruges gem. § 263 StGB in Betracht kommt. Der BGH hat unlängst wieder diese Frage aufgeworfen, sich aber im Fall entschieden, diesen Vorwurf von der Strafverfolgung nach § 154a Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 2 StPO in Anbetracht der verwirklichten Hinterziehung von Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag, neben der die verkürzte Kirchensteuer nicht beträchtlich ins Gewicht fiel, auszunehmen (BGH v. 25.3.2021 – 1 StR 242/20, BeckRS 2021, 9415). Gleichzeitig bemerkte der BGH unter Hinweis auf seine Rspr. und den Stand der Literaturmeinung, dass die Beantwortung dieser Frage offen sei (vgl. auch Hellmann, wistra 2004, 201). Der folgende Beitrag möchte den Meinungsstand wiedergeben, wobei bezüglich des Normverhältnisses § 370 AO zu § 263 StGB erwähnt werden soll, dass jüngst das OLG Frankfurt (OLG Frankfurt v. 9.3.2021 – 2 Ws 132/20, NZWiSt 2021, 229 mit ablehnender Anm. Adick/Linke) bezüglich eines Cum/Ex-Leerverkaufsmodells von einer Strafbarkeit wegen gewerbsmäßigen Bandenbetrugs gem. § 263 Abs. 5 StGB neben einer solchen nach § 370 AO ausgegangen ist.

[*] Dr. Matthias Gehm ist Steuerjurist und kann eine langjährige Tätigkeit als Lehrbeauftragter für Steuer- und Steuerstrafrecht an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer vorweisen. Der Beitrag gibt seine private Rechtsauffassung wieder.

I. Anwendbarkeit der Vorschriften der AO

1. Länder bestimmen über Strafbarkeit nach § 370 AO

Wie sich aus § 1 Abs. 1 AO ergibt, ist die AO nur direkt anwendbar auf Steuern, die durch Bundesrecht oder Recht der EU geregelt sind, soweit sie durch Bundes- oder Landesfinanzbehörden verwaltet werden. Da jedoch die Kirchensteuer aufgrund von Kirchensteuergesetzen der Länder gem. Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 6 WRV geregelt sind, welche durch kirchliches Recht, nämlich Kirchensteuerordnungen und Kirchensteuerbeschlüsse ausgefüllt werden, die ihrerseits der staatlichen Genehmigung bedürfen, greift somit die AO nicht direkt (BGH v. 17.4.2008 – 5 StR 547/07, NStZ 2009, 157; Hammer, Rechtsfragen der Kirchensteuer, 2002, S. 479). Zudem ist zu beachten, dass teilweise die Kirchensteuer durch kirchliche Stellen oder die Kommunen verwaltet werden.

Mithin ist § 370 AO auf die Hinterziehung von Kirchensteuer nicht direkt anwendbar. Allerdings eröffnet Art. 4 Abs. 3 EGStGB dem Landesgesetzgeber bei Steuern oder anderen Abgaben die Befugnis, die Straf- und Bußgeldvorschriften der AO für anwendbar zu erklären bzw. entsprechende landesrechtliche Vorschriften zu erlassen. Letzteres ist etwa in den Kommunalabgabengesetzen der Länder geschehen (vgl. beispielsweise §§ 15, 16 KAG Rheinland-Pfalz), von ersterer Möglichkeit hatte bis zum Jahr 2014 wie erwähnt Niedersachsen im Fall der Kirchensteuer Gebrauch gemacht (BGH v. 17.4.2008 – 5 StR 547/07, NStZ 2009, 157; Kuhn in Kuhn/Weigell/Görlich, Steuerstrafrecht, 3. Aufl. 2019, Rz. 56; Hellmann, wistra 2004, 201).

2. Unklare Rechtslage in Sachsen

Teilweise wird vertreten, dass in Sachsen erst mit Gesetz v. 28.3.2019 (GVBl. 2019, 244) durch eine Änderung des § 12 Abs. 1 KiStG die Strafbarkeit der Verkürzung der Kirchensteuer nach § 370 AO aufgehoben wurde (Hunsmann in Schott in Hüls/Reichling, Steuerstrafrecht, 2. Aufl. 2020, § 380 AO Rz. 39; Webel, Steuerfahndung – Steuerstrafverteidigung, 3. Aufl. 2016, Rz. 225; Steinberger in Zugmaier/Nöcker, AO Komm., § 370 Rz. 12 [1.1.2020]; Jäger in Klein, AO Komm., 15. Aufl. 2020, § 370 Rz. 21).

Allerdings war bereits nach den vorhergehenden Fassungen des Sächsischen KiStG, welche auf das dem Einigungsvertrag als Anhang beigefügten Gesetz zur Regelung des Kirchensteuerwesens im Beitrittsgebiet hervorgingen, eine solche Strafbarkeit nicht gegeben, vgl. § 12 Abs. 1 des KiStG für das Beitrittsgebiet, wonach bei der Anwendung der AO die Vorschriften "über Strafen und Bußgelder" ausgenommen sind (Engelhardt, Die Kirchensteuer in den neuen Bundesländern, 1991, S. 59, 89f.).

Zwar sprachen die früheren Fassungen des Sächsischen KiStG, das im Jahr 2002 ausgehend von der Regelung im Einigungsvertrag neu gefasst wurde, von den Vorschriften des "Straf- und Bußgeldverfahrens" der AO, welche keine Anwendung fänden, und nicht von den "Straf- und Bußgeldvorschriften" der AO, wie in der aktuellen Fassung formuliert, aber bereits die frühere Gesetzesfassung wollte, da es sich bei der Kirchensteuer um eine Mitgliedsteuer handelt, auf strafrechtliche Sanktionen gänzlich verzichten. Insofern heißt es in der amtlichen Begründung zur Neufassung von § 12 Abs. 1 Sächsisches KiStG im Jahr 2019 rückblickend zur bisherigen Rechtslage: "Die Vorschriften der AO (...) sind auch auf die sächsische Kirchensteuer anzuwenden. Ausgenommen sind bisher die Vorschriften über Verzinsungs- und Säumniszuschläge und das Straf- und Bußgeldverfahren, da im Bereich...

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