Das OLG Brandenburg hat sich mit Urteil vom 11.4.2018 (Az. 11 U 123/16) mit der Frage auseinandergesetzt, ob eine grundsätzliche Auskunfts- und Rechenschaftspflicht eines Rechtsanwalts auch dann noch besteht, wenn der Herausgabeanspruch des Auftraggebers gem. § 677 BGB i. V. m. § 50 Abs. 2 BRAO bereits erfüllt ist. Insbesondere ging es dabei auch um die Frage, inwieweit eine anwaltliche Treuepflicht auch dann noch besteht, wenn das Mandatsverhältnis bereits beendet ist.

Eine Rechtsanwaltssozietät (Beklagte) hatte mit ihrer Mandantin (Klägerin) – einer Aktiengesellschaft – zu Beginn des Jahres 2013 einen Anwaltsdienstvertrag geschlossen. Im Laufe des Jahres 2015 wurde das Mandatsverhältnis beendet. Kurz nach dem Ende stritt man sich um den Umfang des Herausgabeanspruchs bzw. das Recht auf Einsichtnahme in die Handakte hinsichtlich folgender Unterlagen:

  • von der Klägerin an die Beklagte ausgehändigte Unterlagen einschließlich elektronischer Unterlagen
  • Schriftstücke, die an Dritte gerichtet waren, inklusive aller Zustellungsunterlagen in Form von Faxberichten und versandten Zustellungsurkunden
  • sämtliche Notizen über Besprechungen und Telefonate, die sowohl in Schriftform als auch in elektronischer Form von der Beklagten erstellt wurden
  • jegliche Art von Schriftverkehr, einschließlich des elektronischen Schriftverkehrs, zwischen der Klägerin und der Beklagten, als auch der Schriftverkehr, der mit den Organen der Aktiengesellschaft geführt wurde
  • Schriftverkehr, der mit der Vorstandsvorsitzenden im Privatversand beiderseitig ausgetauscht wurde

Zudem forderte man Einsichtnahme in alle Notizen, die sowohl schriftlich als auch elektronisch von der Rechtsanwaltssozietät im Rahmen des laufenden Mandatsverhältnisses erstellt worden waren. Insbesondere wurde Einsicht in alle dokumentierten Besprechungen und Telefonate mit sämtlichen Mitgliedern der Aktiengesellschaft verlangt (der Fokus lag auf der Korrespondenz mit der Vorstandsvorsitzenden, die die AG zwischenzeitlich verlassen hatte).

Die Rechtsanwaltssozietät verweigerte die Einsicht in die Handakten und verneinte zudem den Anspruch auf Herausgabe der Unterlagen mit der Begründung, dass der Herausgabeanspruch bereits erloschen sei, da die Handakten an die damalige Vorstandsvorsitzende übergeben worden seien. Die Klägerin war der Auffassung, ihr begehrter Umfang auf Einsichtnahme basiere auf der am 17.1.2013 zwischen ihr und der Klägerin getroffenen Vergütungsvereinbarung. Hier berief man sich insbesondere auf § 666 BGB i. V. m. § 50 BRAO.

Entgegen der erstinstanzlichen Entscheidung des Landgerichts Potsdam (Urteil v. 16.9.2016, 12 O 258/15), das die Klage in Gänze abgewiesen hatte, entschied das OLG Brandenburg die Berufung zugunsten der klagenden Aktiengesellschaft.

 
Hinweis

Kein automatisches Erlöschen der Auskunftspflichten

Das Erlöschen eines Mandatsverhältnisses führt nicht zum gleichzeitigen Erlöschen der Auskunftspflichten.

Urteilsbegründend machte das Gericht die folgenden inhaltlichen Ausführungen:

  • Grundlage der anwaltlichen Tätigkeit bildete der von beiden Parteien abgeschlossene Geschäftsbesorgungsvertrag als Dienstvertrag (§§ 675, 611 BGB). Für die Geltendmachung der Ansprüche aus diesem Dienstvertrag ist es unbeachtlich, ob dieser im Jahr 2015 gekündigt wurde oder bis zum Zeitpunkt der Geltendmachung der Ansprüche fortbestanden hätte. Der mit der Ausführung des Auftrags entstehende Anspruch wird grundsätzlich nicht durch das Erlöschen des Mandatsverhältnisses berührt.
  • Der Anwaltsdienstvertrag basiert in seiner inhaltlichen Ausgestaltung auf den Vorschriften der §§ 666, 677, 675 BGB. Daraus resultierend ist der Rechtsanwalt nicht nur verpflichtet, seinem ­Auftraggeber alles, was er zur Ausführung des Auftrags erhält und alles, was er aus der Geschäftsbesorgung heraus an Kenntnissen erlangt, herauszugeben, sondern vielmehr ist er auch dazu verpflichtet, seinem Auftraggeber alle erforderlichen Nachrichten und Mitteilungen auszuhändigen, und auf dessen Verlangen hin Auskunft über den Stand des Geschäfts und die Ausführung des Auftrags Rechenschaft abzulegen.

    Dies resultiert aus § 266 BGB. Diesbezüglich verweist das OLG Brandenburg auf das Urteil des BGH aus dem Jahr 1990. Die Auskunftspflicht umfasst in Anlehnung an § 259 BGB eine über die reine Herausgabepflicht hinausgehende Pflicht des Beauftragten, in verkehrsüblicher Weise die wesentlichen Einzelheiten seines Handelns zur Auftragsausführung darzulegen und dem Auftraggeber die notwendige Übersicht über das besorgte Geschäft zu verschaffen. Hiervon umfasst sind auch grundsätzlich sämtliche elektronisch erstellten Dokumente.

  • Die grundsätzliche Herausgabepflicht erstreckt sich in Anlehnung an § 667 BGB nicht nur auf die Vorlagepflicht für die Handakten im üblichen Sinne. Vielmehr erstreckt sie sich auch auf solche Bestandteile der Handakten, die nicht herausgegeben zu werden brauchen, sondern beim Rechtsanwalt verbleiben können.
  • Eine Ausnahme bestehe grundsätzlich nur für solche Unterlagen, die nicht lediglich über das...

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