Der Streitwert ist in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit regelmäßig nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend (vgl. § 52 Abs. 1, 3 Satz 1 GKG).

Gesetzliche Vorgaben der sog. Vollverzinsung

Die Verzinsung nach § 233a AO (Vollverzinsung) soll im Interesse der Gleichmäßigkeit der Besteuerung und zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen einen Ausgleich dafür schaffen, dass die Steuern trotz gleichen gesetzlichen Entstehungszeitpunkts zu unterschiedlichen Zeitpunkten festgesetzt und erhoben werden. Die Verzinsung ist beschränkt auf die in § 233a Abs. 1 Satz 1 AO genannten Steuern. Der Zinslauf beginnt nach § 233a Abs. 2 Satz 1 AO 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist (Karenzzeit).

Falls anlässlich einer Steuerfestsetzung Zinsen festgesetzt wurden, löst die Aufhebung, Änderung oder Berichtigung dieser Steuerfestsetzung eine Änderung der bisherigen Zinsfestsetzung aus. Grundlage für die Zinsberechnung ist in diesen Fällen der Unterschied zwischen der festgesetzten Steuer und der vorher festgesetzten Steuer, jeweils vermindert um die Anrechnung von Steuerbeträgen (Steuerabzugsbeträge, anzurechnende Körperschaftsteuer). Dem sich hiernach ergebenden Zinsbetrag sind die bisher festgesetzten Zinsen hinzuzurechnen. Bei einem Unterschiedsbetrag zugunsten des Steuerpflichtigen entfallen darauf festgesetzte Zinsen (vgl. § 233a Abs. 5 AO).

Berechnung des Streitwerts – ein Praxisfall

Das Finanzamt hatte die Einkommensteuer für die Jahre 1995 bis 2000 durch Änderungsbescheide abweichend von den zuvor ergangenen Einkommensteuerfestsetzungen für diese Jahre festgesetzt. Die aufgrund der geänderten Einkommensteuerfestsetzungen erforderlichen geänderten Zinsfestsetzungen erfolgten durch gesonderte Bescheide. Die nach erfolglosem Einspruch gegen die Zinsbescheide erhobene Klage hatte hinsichtlich der Jahre 1995 bis 1997 und 1999 Erfolg. Soweit die Klage die Zinsfestsetzungen für 1998 und 2000 betraf, wies das FG sie als unzulässig bzw. unbegründet ab.

Die Kläger beantragten daraufhin die Festsetzung der ihnen zu erstattenden Aufwendungen und gingen von einem Streitwert von 228.683,50 EUR aus (Summe der für die Jahre 1995 bis 1997 und 1999 festgesetzten Nachforderungszinsen). Das Finanzamt vertrat dagegen die Auffassung, dass der Streitwert lediglich 34.821,50 EUR betrage (Summe der Differenz aus der Gegenüberstellung der später aufgehobenen und der vorausgegangenen Zinsfestsetzungen).

Das FG setzte den Streitwert indes auf 230.938,50 EUR fest. Dieser Betrag entsprach der Gesamtsumme der im Hauptsacheverfahren strittigen Zinsen für die Streitjahre 1995 bis 2000.

Anhörungsrüge des Finanzamts

Das FG Düsseldorf hat die vom Finanzamt nach § 69a Abs. 1 GKG erhobene Anhörungsrüge als unbegründet zurückgewiesen (vgl. Beschluss v. 12.8.2019, 10 K 1892/19 AO, EFG 2019, S. 1649). Es hat entschieden, dass der Streitwert für eine aufgrund § 233a Abs. 5 Satz 1 AO geänderte Zinsfestsetzung sich bei einem Antrag auf ersatzlose Aufhebung der geänderten Zinsfestsetzung nach der Differenz zwischen angefochtener und vorangegangener Festsetzung berechnet.

Die Kläger hätten im Hauptsacheverfahren beantragt, die Bescheide über Zinsen zur Einkommensteuer für die Jahre 1995 bis 2000 ersatzlos aufzuheben. Beantrage ein Kläger die ersatzlose Aufhebung eines Steuerverwaltungsakts, bemesse sich der Streitwert grundsätzlich nach der Höhe des festgesetzten Betrags. Dies sei hier die Gesamtsumme der festgesetzten Zinsen, d. h. ein Betrag von 230.938,50 EUR.

Verfahrensrechtliche Folgerungen bei Änderungsbescheiden

Ein geänderter Steuerbescheid nimmt den ursprünglichen Bescheid in seinem Regelungsgehalt mit auf. Solange der Änderungsbescheid Bestand hat, entfaltet der ursprüngliche Bescheid keine Wirkung (mehr). Der ursprüngliche Bescheid ist in dem Umfang, in dem er in den Änderungsbescheid aufgenommen ist, suspendiert und bleibt dies für die Dauer der Wirksamkeit des Änderungsbescheids. Der ursprüngliche Bescheid tritt jedoch wieder in Kraft, wenn der Änderungsbescheid aufgehoben wird.

Ein nach § 233a Abs. 5 Satz 1 AO ergangener Zinsbescheid setzt den Zinsbetrag nicht nur insoweit fest, als er sich abweichend von einer früheren Zinsfestsetzung durch die Aufhebung oder Änderung der Steuerfestsetzung ergibt, sondern hinsichtlich des gesamten im Zinsbescheid festgesetzten Zinsbetrags, d. h. er trifft auch eine neue und abschließende Regelung für den Zinsbetrag, soweit er auf früheren Zinsfestsetzungen beruht.

Verfahrensrechtlich bedeutet dies, dass sich die bisherige Zinsfestsetzung (zunächst) auf andere Weise i. S. v. § 124 Abs. 2 AO erledigt. Da nach § 239 Abs. 1 AO die für Steuern geltenden Vorschriften auf die Zinsen entsprechend anzuwenden sind, hat dies auch hier zur Folge, dass eine frühere – auf andere Weise zunächst erle...

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