Entscheidungsstichwort (Thema)

Anhörungsrüge gegen gerichtliche Streitwertfestsetzung: Entscheidungserhebliche Gehörsverletzung – Streitwert bei Änderung von Zinsfestsetzungen nach § 233a Abs. 5 AO

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Der Anspruch eines Beteiligten auf rechtliches Gehör kann durch einen gerichtlichen Streitwertfestsetzungsbeschluss nur dann in entscheidungserheblicher Weise verletzt sein, wenn eine für den Beteiligten günstige Entscheidung als möglich in Betracht zu ziehen wäre.
  2. Werden Zinsbescheide nach § 233a AO aufgrund einer Änderung der Steuerfestsetzungen geändert, bestimmt sich der Streitwert nach der Summe der Unterschiedsbeträge zwischen den neu festgesetzten Zinsen und den in den vorausgegangenen, durch die Neufestsetzung suspendierten Bescheiden festgesetzten Zinsen.
  3. Dabei sind Unterschiedsbeträge mit negativem Vorzeichen nicht mit Unterschiedsbeträgen mit positivem Vorzeichen zu saldieren.
  4. Ein Hinweis auf die Zulässigkeit einer höheren Streitwertfestsetzung nach § 63 Abs. 3 Satz 1 GKG ist auch dann nicht zu erteilen, wenn eine solche auf die Anhörungsrüge des eine niedrigere Festsetzung anstrebenden Beteiligten erfolgt.
 

Normenkette

GKG § 21 Abs. 1 S. 1, § 52 Abs. 1-2, 3 S. 1, § 63 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1 Nr. 1, S. 2, § 66 Abs. 3 S. 2, § 68 Abs. 1 S. 5, § 69a Abs. 1 Nr. 2; AO § 124 Abs. 2, § 155 Abs. 1 S. 1, § 233a Abs. 5, § 239 Abs. 1

 

Tatbestand

Strittig ist die vom Gericht im Verfahren 10 K 2219/14 AO vorgenommene Streitwertfestsetzung.

Der Beklagte hatte die Einkommensteuer für die Streitjahre (1995 bis 2000) zuletzt durch Änderungsbescheide vom 19. Juli 2010 abweichend von den zuvor ergangenen Einkommensteuerfestsetzungen für diese Jahre vom 19. Juli 2006 neu festgesetzt. Zinsfestsetzungen gemäß § 233a der Abgabenordnung (AO) wurden - entgegen § 233a Abs. 4 AO - mit den Steuerbescheiden vom 19. Juli 2010 nicht verbunden. Sie erfolgten erst durch gesonderte Zinsbescheide für die Streitjahre vom 10. Februar 2012. Die nach erfolglosem Einspruch gegen die Zinsbescheide erhobene Klage hatte hinsichtlich der Jahre 1995 bis 1997 und 1999 Erfolg. Das Gericht hob die Zinsbescheide für diese Jahre durch Urteil vom 7. Juni 2017 10 K 2219/14 AO (Entscheidungen der Finanzgerichte 2017, 1059) wegen vor Bekanntgabe der Bescheide bereits eingetretener Festsetzungsverjährung auf. Soweit die Klage die Zinsfestsetzungen für 1998 und 2000 betraf, wies das Gericht sie als unzulässig bzw. unbegründet ab. Die hinsichtlich der Jahre 1995 bis 1997 und 1999 vom Finanzgericht zugelassene Revision wies der Bundesfinanzhof (BFH) durch Urteil vom 16. Januar 2019 X R 30/17 (Bundessteuerblatt - BStBl - II 2019, 362) als unbegründet zurück.

Die Kläger beantragten daraufhin mit Schriftsatz vom 6. Mai 2019 die Festsetzung der ihnen zu erstattenden Aufwendungen. Dabei gingen sie von einem Streitwert von 228.683,50 € aus. Dabei handelt es sich um die Summe der vom Beklagten für die Jahre 1995 bis 1997 und 1999 festgesetzten Nachforderungszinsen. Der Beklagte nahm dazu mit Schriftsatz vom 25. Juni 2019 Stellung. Darin wandte er sich gegen die Annahme der Kläger, dass der Streitwert ausgehend von den in den angefochtenen Zinsbescheiden festgesetzten Zinsen zu ermitteln sei. Da die Zinsfestsetzungen vom 10. Februar 2012 die Zinsfestsetzungen vom 19. Juli 2006 ersetzt hätten, so der Beklagte, hätten diese, nachdem jene aufgehoben worden seien, ihre Wirksamkeit wiedererlangt. Der Streitwert betrage daher, wie in dem dem Schriftsatz beigefügten Schreiben an die Kläger vom 18. Juni 2019 anhand einer Gegenüberstellung der aufgehobenen und der ihnen vorausgegangenen Zinsfestsetzungen ermittelt, lediglich 34.821,50 €.

Das Gericht setzte mit Datum vom 26. Juni 2019 unter Absehen von einer Begründung den Streitwert auf 230.938,50 € fest. Dieser Betrag entspricht der Gesamtsumme der im Verfahren 10 K 2219/14 AO strittigen Zinsen für die Streitjahre. Der Beschluss wurde den Beteiligten am 9. Juli 2019 übersandt.

Der Beklagte hat daraufhin mit Schriftsatz vom 11. Juli 2019 gegen den Beschluss Beschwerde gemäß § 68 des Gerichtskostengesetzes (GKG), hilfsweise Anhörungsrüge gemäß § 133a der Finanzgerichtsordnung (FGO) erhoben und eine Änderung des Streitwertbeschlusses beantragt. Zur Begründung hat er angeführt, es sei nicht erkennbar, ob und inwieweit sein Schriftsatz vom 25. Juni 2019 bei der gerichtlichen Beschlussfassung berücksichtigt worden sei.

Der Beklagte beantragt,

den Beschluss vom 26. Juni 2019 dahin zu ändern, dass der Streitwert auf 5000 € festgesetzt wird.

Die Kläger beantragen,

die Anhörungsrüge zurückzuweisen.

Sie halten die Anhörungsrüge für unzulässig und die Beschwerde für unbegründet. Die Kläger bestreiten im Übrigen, dass die Einkommensteuerbescheide vom 19. Juli 2006 mit handschriftlichen Zinsfestsetzungen, wie sie dem Schriftsatz vom 11. Juli 2019 beigefügt waren, zugegangen und damit ordnungsgemäß bekannt gegeben, d. h. wirksam geworden sind. Unabhängig davon seien die unter diesem Datum vorgenommenen Zinsfestsetzungen ...

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