Leitsatz

Es wird eine Entscheidung des BVerfG darüber eingeholt, ob § 31 Satz 5 und § 36 Abs. 2 Satz 1 EStG in der für das Streitjahr 2001 maßgeblichen Fassung insoweit mit dem GG vereinbar sind, als danach bei Steuerpflichtigen, deren Einkommen gem. § 31 Satz 4 EStG um die Freibeträge des § 32 Abs. 6 EStG gemindert wurde, die tarifliche Einkommensteuer auch in den Fällen um die Hälfte des gezahlten Kindergelds zu erhöhen ist, in denen eine Anrechnung des Kindergelds auf den Barunterhalt nach § 1612b Abs. 5 BGB i.d.F. des Gesetzes zur Ächtung der Gewalt in der Erziehung und zur Änderung des Kindesunterhaltsrechts vom 2.11.2000 (BGBl I 2000, 1479) mit der Folge ganz oder teilweise unterblieben ist, dass im wirtschaftlichen Ergebnis nicht einmal die tatsächlichen – die Freibeträge des § 32 Abs. 6 EStG unterschreitenden – Unterhaltszahlungen des Steuerpflichtigen in vollem Umfang von der Einkommensteuer freigestellt worden sind.

 

Normenkette

Art. 1 GG, x , Art. 3 Abs. 1 GG , Art. 6 GG , Art. 20 Abs. 1 GG , Art. 100 Abs. 1 GG , § 31 Satz 5 EStG 2001 , § 32 Abs. 6 EStG 2001 , § 36 Abs. 2 Satz 1 EStG 2001 , § 1612b Abs. 1 und 5 BGB

 

Sachverhalt

Der Kläger war geschieden. Die beiden Kinder aus seiner Ehe lebten bei der Mutter.

Der Kläger hatte sich in der Scheidungsvereinbarung vom 14.3.2000 verpflichtet, für die beiden Kinder Kindesunterhalt i.H.v. jeweils 128 % des jeweiligen Regelsatzes der Düsseldorfer Tabelle abzüglich 50 % des gesetzlichen Kindergelds zu zahlen. Dem entsprechend zahlte er im Januar 2001 Unterhalt i.H.v. insgesamt 737 DM.

Nach Aufforderung seiner geschiedenen Ehefrau, Kindesunterhalt künftig entsprechend der zum 1.1.2001 in Kraft getretenen Neuregelung des § 1612b Abs. 5 BGB zu leisten, zahlte der Kläger ab Februar 2001 Kindesunterhalt i.H.v. monatlich 792 DM. In seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2001 gab der Kläger in der Anlage "Kinder" die Höhe des zivilrechtlichen Ausgleichsanspruchs wegen des an die Mutter der Kinder ausgezahlten Kindergelds mit jeweils 1.317 DM an. Das FA setzte die Einkommensteuer 2001 nach Abzug von zwei Kinderfreibeträgen und zwei Betreuungsfreibeträgen unter Hinzurechnung der Hälfte des gesetzlichen Kindergelds (insgesamt 3.240 DM) fest.

Mit der Klage machte der Kläger geltend, nach der Neuregelung des § 1612b Abs. 5 BGB habe er auf den geschuldeten Unterhalt nicht mehr – wie bisher – das halbe Kindergeld, sondern für die Zeit ab Februar 2001 nur noch 110 DM für das Kind S und 105 DM für das Kind L anrechnen können. Als "gezahltes Kindergeld" i.S.d. § 36 Abs. 2 EStG dürften daher nur die unter Berücksichtigung des § 1612b Abs. 5 BGB noch anrechenbaren Kindergeldbeträge i.H.v. insgesamt 2.635 DM angesetzt werden.

 

Entscheidung

Der BFH ist der Ansicht, dass die undifferenzierte Hinzurechnung des hälftigen Kindergelds auf die tarifliche Einkommensteuer beim barunterhaltspflichtigen Elternteil, der nicht in der Lage ist, 135 % des Regelbetrags nach der Regelbetrag-VO zu zahlen, verfassungswidrig sei; die steuerliche Entlastung sei auch zu gewähren, soweit die Unterhaltszahlungen das Existenzminimum des Kindes nicht abdeckten. Der BFH legte deshalb den Fall dem BVerfG zur Entscheidung vor.

 

Hinweis

Nach § 31 Sätze 4 und 5 EStG 2001 ist zu prüfen, ob der Steuervorteil des Steuerpflichtigen bei Abzug der Freibeträge des § 32 Abs. 6 EStG höher ist als der Anspruch auf Kindergeld oder – beim barleistungsverpflichteten Elternteil – der ihm zustehende Ausgleichsanspruch in Höhe der Hälfte des gesetzlichen Kindergelds gegen den anderen Elternteil, dem das Kindergeld nach § 64 EStG ausbezahlt worden ist (sog. Günstigerprüfung, vgl. dazu die Anmerkungen zu den BFH-Urteilen vom 16.3.2004, VIII R 86/98, BFH-PR 2004, 355 und VIII R 88/98, BFH-PR 2004, 356). Das Kindergeld oder der Ausgleichsanspruch sind der tariflichen Einkommensteuer hinzuzurechnen (§ 36 Abs. 2 Satz 1 EStG). Durch diese Regelung soll eine Mehrfachbegünstigung – bezogen auf beide Elternteile – für ein und dasselbe Kind durch Freibeträge und das Kindergeld ausgeschlossen werden.

Den dieser Regelung zugrunde liegenden zivilrechtlichen Ausgleichsanspruch transformiert § 1612b Abs. 1 BGB zunächst in einen Anspruch auf Anrechnung auf den Kindesunterhalt. Die Anrechnung des Kindergelds unterbleibt jedoch nach § 1612b Abs. 5 BGB, soweit der vom barunterhaltsverpflichteten Elternteil geschuldete Unterhalt hinter dem Barexistenzminimum des Kindes zurückbleibt (sog. Mangelfall), das mit 135 % des Regelbetrags nach der Regelbetrag-VO vorgegeben ist. Wer – wie der Kläger im Streitfall – unter diesem Betrag bleibt, kann also nur einen Teil des ihm zustehenden Kindergeldanteils auf den Unterhaltsanspruch seines Kindes anrechnen; das ändert aber nichts daran, dass ihm zivilrechtlich nach § 1612b Abs. 1 BGB ein Ausgleichsanspruch in Höhe der Hälfte des gesetzlichen Kindergelds zusteht und dieser Anspruch gem. § 36 Abs. 2 Satz 1 EStG der Einkommensteuer hinzugerechnet werden muss.

Diese gesetzliche Regelung hat zur Folge, dass ...

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