vorläufig nicht rechtskräftig

Revision zugelassen durch das FG

Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH [X R 35/20)]

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Hemmung der Festsetzungsfrist durch Einreichen der Steuererklärung

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Die Zuordnung eines Gegenstandes zum Unternehmen erfordert eine durch Beweisanzeichen gestützte Zuordnungsentscheidung des Unternehmers, die er spätestens bis zum Ablauf der gesetzlichen Abgabefrist für die Steuererklärung gemäß § 149 Abs. 2 S. 1 AO i.V.m. § 18 Abs. 3 S. 1 UStG zu treffen hat.
  2. Die Dokumentation der Zuordnungsentscheidung als materielle Voraussetzung für den Vorsteuerabzug muss gegenüber dem Finanzamt erfolgen.
  3. Ohne Zuordnungsentscheidung zum Unternehmen ist von einer Zuordnung zum nichtunternehmerischen Bereich auszugehen.
  4. Es reicht nicht aus, wenn aufgrund der Planung und Auslegung einer Fotovoltaik-Anlage und der Gesamtumstände objektiv belegt ist, dass bereits im Jahr der Anschaffung der Anlage die Absicht bestand, damit Strom gegen Entgelt in das öffentliche Stromnetz einspeisen zu wollen.
  5. Soweit bei einer Pflichtveranlagung innerhalb der Festsetzungsfrist die Einkommensteuererklärung eingereicht wird, steht einer Veranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG der Ablauf der Festsetzungsfrist nicht entgegen.
 

Normenkette

EStG § 46 Abs. 2 Nr. 1; AO § 171 Abs. 3, § 169 Abs. 1 Sätze 1, 3 Nr. 1

 

Streitjahr(e)

2012

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 28.07.2021; Aktenzeichen X R 35/20)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob für das Streitjahr 2012 eine Einkommensteuerveranlagung durchzuführen ist.

Der Kläger reichte für das Jahr 2012 am 30. Dezember 2019 eine Einkommensteuererklärung beim Beklagten ein. Darin beantragte er eine Zusammenveranlagung mit seiner in 2012 verstorbenen Ehefrau. Er erklärte Einnahmen aus nichtselbstständiger Arbeit in Höhe von 80.430 €, von denen ein Lohnsteuerabzug vorgenommen worden war, sowie Kapitalerträge in Höhe von 4.417 €, die nach § 43 Abs. 5 S. 1 des Einkommensteuergesetzes - EStG - vollumfänglich dem abgeltenden Kapitalertragssteuerabzug unterlagen. Zudem erklärte der Kläger sonstige Einkünfte in Form von Rentenzahlungen in Höhe von 2.602 €, auf welche ein steuerpflichtiger Teil abzüglich Werbungskostenpauschbetrag in Höhe von 1.563 € entfiel. Weiter gab der Kläger an, einen Verlust aus Gewerbebetrieb aus dem Betreiben einer Photovoltaik-Anlage in Höhe von 3.678 € erzielt zu haben. Diesen Verlust ermittelte der Kläger nach § 4 Abs. 3 EStG im Wege der Einnahmen-Überschussrechnung. In der Steuererklärung beantragte der Kläger die Günstigerprüfung (§ 32d Abs. 6 EStG) für sämtliche Kapitalerträge.

Dem erklärten Verlust aus Gewerbebetrieb lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Kläger erwarb im Jahre 2012 eine Photovoltaik-Anlage mit der Maßgabe, den produzierten Strom vorrangig selbst im eigenen Haushalt zu nutzen und im Übrigen in das öffentliche Stromnetz gegen Entgelt einzuspeisen. Er ließ seine Anlage im Jahre 2012 bei der Bundesnetzagentur registrieren und meldete sich beim Verteilnetzbetreiber an. In einer Erklärung vom 19. September 2012 gegenüber dem Verteilnetzbetreiber gab der Kläger an, als Unternehmer dem Umsatzsteuergesetz zu unterliegen und auf die Anwendung der sogenannten Kleinunternehmerregelung zu verzichten. Die Y AG stellte dem Kläger für Lieferung, Montage und Inbetriebnahme der Photovoltaik-Anlage mit Rechnungen vom 30. August 2012 und 19. September 2012 insgesamt einen Rechnungsbetrag von 9.758 € brutto in Rechnung. Den Rechnungsbetrag beglich der Kläger im Jahre 2012. In einem beim Beklagten am 30. Dezember 2019 eingegangenen Fragebogen zur steuerlichen Erfassung, wiederholte der Kläger konkludent diese Angaben, denn er beantragte die Berechnung der Umsatzsteuer nach vereinnahmten Entgelten. In der Folge rechnete der Verteilnetzbetreiber, erstmals im Januar 2014, im Gutschriftverfahren gegenüber dem Kläger ab und wies die Umsatzsteuer offen aus. Die Umsatzsteuerjahreserklärung für das Jahr 2012 ging beim Beklagten am 30. Dezember 2019 ein. Darin wurde neben einer unentgeltlichen Wertabgabe ein Vorsteuerabzug in Höhe von 1.609,35 € erklärt. Der Beklagte setzte die Umsatzsteuer mit Bescheid vom 18. März 2020 erklärungsgemäß fest. Der geltend gemachte Vorsteuerabzug wurde gewährt.

Mit Bescheid vom 21. Januar 2020 lehnte der Beklagte die Durchführung einer Einkommensteuerveranlagung für das Streitjahr mit der Begründung ab, es sei bereits Festsetzungsverjährung eingetreten. Der Antrag auf Veranlagung gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG sei nicht innerhalb der Festsetzungsfrist gestellt worden.

Mit beim Beklagten am 7. Februar 2020 eingegangenem Schreiben legte der Kläger gegen die ablehnende Entscheidung des Beklagten Einspruch ein. Er machte geltend, es handele sich vorliegend nicht um eine sogenannte Antragsveranlagung gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG, sondern um eine Pflichtveranlagung gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG, da die Einkünfte des Klägers und seiner verstorbenen Ehefrau, die nicht dem Lohnsteuerabzug unterfielen, den Betrag von 410 € überschrit...

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