Entscheidungsstichwort (Thema)

Isolierte Aufhebung einer Einspruchsentscheidung

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Ein als Änderungsbescheid bezeichneter Erstbescheid kann gemäß § 128 Abs. 1 AO in einen fehlerfreien Erstbescheid umgedeutet werden, wenn der umgedeutete Bescheid auf das gleiche Ziel gerichtet ist, vom Finanzamt im Übrigen rechtmäßig hätte erlassen werden können und auch die Voraussetzungen für einen solchen Erlass erfüllt sind.
  2. Stellt der angefochtene Grunderwerbsteuerbescheid einen rechtsfehlerfreien Erstbescheid dar, ist das Finanzamt nicht berechtigt, in der Einspruchsentscheidung über die Voraussetzungen einer Rückgängigmachung des Erwerbsvorgangs gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG zu entscheiden, wenn kein entsprechender Antrag im Sinne des § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG vorliegt.
  3. Eine in einem solchen Fall ergangene Einspruchsentscheidung ist isoliert aufzuheben, um dem Finanzamt die Gelegenheit zu geben, ein fehlerfreies Einspruchsverfahren durchzuführen, wobei gemäß § 89 AO sicherzustellen ist, dass die Klägerin einen Antrag gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG stellen möchte und die Klägerin auf der anderen Seite die Möglichkeit erhält, ihren Einspruch kostenfrei zurückzunehmen.
 

Normenkette

GrEStG §§ 1, 16 Abs. 1 Nr. 1

 

Streitjahr(e)

2003

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob das Finanzamt gegen die Klägerin einen rechtmäßigen Grunderwerbsteuerbescheid erließ.

Mit notariellem Vertrag vor dem Notar A vom 06.03.2002 (Urkundenrolle Nr.00) veräußerte die Klägerin, eine GmbH, an die B GmbH das dort bezeichnete Grundstück zu einem Kaufpreis von 153.388 €. Geschäftsführer der Klägerin sowie der B GmbH war C. Vor dem Notar trat D als Bevollmächtigter des C auf, der seinen Wohnsitz auf Fuerteventura/Spanien hat. In § 9 des Vertrages erklärten die Vertragsparteien die Auflassung, die Klägerin bewilligte und die Käuferin beantragte übereinstimmend die Eintragung der Eigentumsänderung im Grundbuch. Weiter bewilligte die Klägerin und beantragte die Käuferin die Eintragung einer Vormerkung zur Sicherung des Anspruchs auf Übertragung des Eigentums. In § 11 des Vertrages wurde der Notar beauftragt, im Namen der Vertragsparteien die genannten Anträge und Erklärungen zu stellen bzw. abzugeben. Auf den Vertrag vom 06.03.2002, der sich bei den Finanzamtsakten befindet, wird verwiesen. Die Vormerkung wurde am 15.03.2002 im Grundbuch eingetragen.

Mit Bescheid vom 04.06.2002, auf den wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, setzte das beklagte Finanzamt bei einer Bemessungsgrundlage von 153.388 € die Grunderwerbsteuer von 5.368 € zunächst gegenüber der B GmbH als Erwerberin fest. Hiergegen legte diese Einspruch ein, in dessen Verlauf eine Aufhebungsvereinbarung zwischen der Klägerin und der B GmbH vom 20.06.2002 vorgelegt wurde. Das Finanzamt hob den Erstbescheid gegen die B GmbH vom 04.06.2002 anschließend auf.

Am 20.10.2003 ging beim beklagten Finanzamt der notarielle Veräußerungsvertrag vom 17.09.2003 vor der Notarin E (Nr. 00 der Urkundenrolle für 2003) ein. In diesem Vertrag veräußerte die Klägerin das oben genannte Grundstück, das bereits Gegenstand des Kaufvertrags vom 6.3.2002 war, an die Käufer F und G je zur Hälfte für insgesamt 260.000 €. In § 3 des Vertrages bewilligte und beantragte die B GmbH die Löschung der Eigentumsübertragungsvormerkung vom 15.03.2002. In § 4 des Vertrages wurde festgelegt, dass die Käufer wegen einer zwischen der Klägerin und der B GmbH geltenden Abtretung einen Teil des Kaufpreises direkt an die B GmbH zahlen sollten.

Mit Schriftsatz vom 11.11.2003 legte das Finanzamt gegenüber der B GmbH dar, der Erstbescheid über die Festsetzung der Grunderwerbsteuer sei gemäß § 172 Abs. 1 Nr. 2 Abgabenordnung -AO- aufgehoben worden, weil man in der Übersendung der Aufhebungsvereinbarung zwischen der Klägerin und der B GmbH vom 20.06.2002 einen Antrag im Sinne des § 16 Abs. 1 Nr. 1 Grunderwerbsteuergesetz gesehen habe. Man sei davon ausgegangen, dass der Erwerbsvorgang innerhalb einer Frist von zwei Jahren zivilrechtlich wirksam rückgängig gemacht worden sei. Nunmehr sei aber durch den notariellen Vertrag vom 17.09.2003 offenbar geworden, dass die B GmbH ihre wirtschaftliche Verfügungsmacht über das Grundstück behalten habe, weil ein Teil des Kaufpreises nicht an die veräußernde Klägerin, sondern an die B GmbH zu zahlen gewesen sei. Damit sei der ursprüngliche Erwerbsvorgang nicht rückgängig gemacht worden. Dies stelle eine neue Tatsache dar, die das Finanzamt zur Aufhebung des Bescheids vom 18.10.2002 gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO berechtige. Am 6.2.2004 erließ das Finanzamt einen entsprechenden Aufhebungsbescheid, dem sich ein erfolgloses Einspruchsverfahren sowie ein erfolgreiches Klageverfahren der B GmbH anschloss (Parallelentscheidung des Gerichts vom 3.4.2008 unter der Geschäftsnummer 5 K 1766/05).

Unter dem 28.4.2004 wandte sich das Finanzamt erstmals an die Klägerin, legte den oben beschriebenen Sachverhalt dar und hielt als Ergebnis fest, dass die Grunderwerbsteuer nunmehr rechtswirksam gege...

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