Leitsatz

Das Niedersächsische FG beurteilt die seit 2007 geltende Regelung, wonach Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer vom Finanzamt regelmäßig nicht steuermindernd berücksichtigt werden, für verfassungsrechtlich bedenklich.

 

Sachverhalt

Die verheirateten Antragsteller sind Lehrer und nutzen in ihrem Einfamilienhaus jeweils ein Arbeitszimmer. Für die Vor- und Nachbereitung des Unterrichts stehen ihnen in der Schule keine geeigneten Arbeitsplätze zur Verfügung. Daher beantragten sie, die Aufwendungen für das Arbeitszimmer als Freibeträge auf den Lohnsteuerkarten 2009 einzutragen. Dies lehnte das Finanzamt ab.

 

Entscheidung

Das FG hat den Antragstellern Recht gegeben und das Finanzamt - wenn auch nur im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes - verpflichtet, die Freibeträge auf den Lohnsteuerkarten einzutragen. Die durch das StÄndG 2007 eingeführte Neuregelung, nach der diese Erwerbsaufwendungen grundsätzlich nicht - auch nicht begrenzt -abzugsfähig sind, führe zu ernstlichen verfassungsrechtlichen Zweifeln. Die Aufwendungen seien zur Erwerbssicherung unvermeidlich. Denn wer als Lehrer seiner Dienstverpflichtung nicht folge und seinen Unterricht mangels angemessenen Arbeitsplatzes in der Schule zu Hause nicht vor- und nachbereite, könne auch nichts verdienen. Entsprechend seien die Arbeitszimmerkosten nach dem Gebot des Nettoprinzips sowie der Folgerichtigkeit und nach den verfassungsrechtlichen Grundsätzen zum "pflichtbestimmten Aufwand" zu berücksichtigende Erwerbsaufwendungen.

 

Hinweis

Der VII. Senat des Niedersächsischen FG unter Vorsitz von Dr. Michael Balke hatte schon bezüglich der zwischenzeitlich nach dem Urteilsspruch aus Karlsruhe wieder abgeschafften Regelung zur Berufspendlerpauschale verfassungsrechtliche Zweifel geäußert (Beschluss v. 2.3.2007, 7 V 21/07) und setzt nunmehr seine "bürgerfreundliche" Rechtsprechung fort. Er folgt damit der Auffassung des FG Münster im Vorlagebeschluss an das BVerfG (Beschluss v. 8.5.2009, 1 K 2872/08 E, DStR 2009 S. 1024), das die neue Arbeitszimmerregelung ebenfalls - zumindest teilweise - für verfassungswidrig hält.

Die von dem Lehrerehepaar erstrittene Entscheidung hat auch für andere Berufsgruppen wie z.B. Vertriebsmitarbeiter, Handelsvertreter oder Journalisten Bedeutung. Allerdings handelt es sich erst um einen Etappensieg. Dies zum Einen deshalb, weil das FG die Beschwerde zum BFH zugelassen hat und die Entscheidung noch nicht rechtskräftig ist. Zum Anderen hat es die Frage der Verfassungswidrigkeit im Aussetzungsverfahren zu Recht nur summarisch geprüft. Es bleibt daher abzuwarten, wie der BFH und das BVerfG die Sache sehen. Jedenfalls sollten betroffene Steuerpflichtige ihre Arbeitszimmeraufwendungen in der Steuererklärung geltend machen. Bleiben diese im Steuerbescheid unberücksichtigt, ist ein Einspruch nur erforderlich, wenn Aussetzung der Vollziehung beantragt wird, denn die Finanzämter erlassen die Bescheide zwischenzeitlich hinsichtlich der Abziehbarkeit von Arbeitszimmeraufwendungen vorläufig nach § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 und 4 AO.

 

Link zur Entscheidung

Niedersächsisches FG, Beschluss vom 02.06.2009, 7 V 76/09

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