Gestaltungsmittel für eine gerechte Ausschüttungspolitik und Vermeidung schenkungsteuerlicher Aufgabenstellungen

[Ohne Titel]

Dr. Markus Wollweber, RA/FASt[*]/ Dipl.-Finw. (FH) Thomas Kost, StB

Nichts ist so beständig wie der Wandel. Im Laufe des Lebens einer Kapitalgesellschaft kann es notwendig werden, der Kapitalgesellschaft zusätzliches Eigenkapital zuzuführen.

[*] Streck Mack Schwedhelm Rechtsanwälte Steuerberater Partnerschaft mbB Köln – Berlin – München.

I. Disquotale Einlagen und ihre Folgen

Entstehen disquotaler Einlagen: Neben einer förmlichen Erhöhung des Stammkapitals kann bei der Kapitalgesellschaft die Zuführung von Eigenkapital durch Zuzahlung in die Kapitalrücklage nach § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB erfolgen. Häufig sind nicht alle Gesellschafter in der Lage, in gleicher Höhe die Zuzahlung zu leisten. In der Folge kommt es zu einer disquotalen Einlage.

Der zuzahlende Gesellschafter hat in diesen Fällen ein legitimes Interesse daran, dass seine Zuzahlung bei einer späteren Rückgewähr der Kapitalrücklage entsprechend betragsmäßig berücksichtigt wird. Zugleich knüpfen – z.T. unerwünschte – steuerliche Folgen an die disquotale Einlage und deren Rückgewähr.

Bildung eines personenbezogenen Einlagekontos: Um die individuelle Zuordnung von disquotalen Einlagen bilanziell abbilden und damit einhergehende steuerliche Aufgabenstellungen handhaben zu können, kann sich die Bildung eines personenbezogenen Einlagekontos anbieten.

II. Zulässigkeit eines personenbezogenen Einlagekontos

Der Gedanke eines personenbezogenen Einlagekontos wird in der Literatur z.T. unter dem Begriff der "quotenabweichenden Rücklagenzuordnung" diskutiert.

Die personenbezogene Rücklagenzuordnung für eine Kapitalgesellschaft wird von der h.M. als zulässig angesehen, auch wenn bisher keine Rechtsprechung zu diesem Thema ergangen ist.[1]

Erfordernis einer satzungsmäßigen Öffnungsklausel: Erforderlich ist, dass in der Satzung eine Öffnungsklausel für die Einrichtung eines solchen personenbezogenen Einlagekontos enthalten ist.[2]

[1] Ott, DStR 2021, 897; Wollweber, GmbHR 2019, 874; Schulze-Osterloh, BB 2018, 427; Priester/Schön u.a., Gedächtnisschrift für Brigitte Knobbe-Keuk, 1997, 293.
[2] Weitergehend: Wollweber, GmbHR 2019, 874.

III. Schenkungsteuerliche Folgen

Schenkung des einlegenden Gesellschafters an die übrigen Gesellschafter: Erfolgen disquotale Einlagen in die allgemeine Kapitalrücklage, ist dies ggf. nach § 7 Abs. 8 ErbStG als Schenkung des einlegenden Gesellschafters an die übrigen Gesellschafter entsprechend der Beteiligungsverhältnisse zu qualifizieren, deren Anteile durch die Einlage im Wert steigen: Gemäß § 7 Abs. 8 S. 1 ErbStG gilt als Schenkung auch die Werterhöhung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, die eine an der Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar beteiligte natürliche Person durch die Leistung einer anderen Person an die Gesellschaft erlangt.

Die Bildung eines personenbezogenen Rücklagekontos kann die Entstehung einer solchen Schenkungsteuer verhindern.

Vorteil von Zusatzabreden: Zusatzabreden – wie z.B. die Implementierung eines personenbezogenen Einlagekontos[3] – können gewährleisten, dass

  • die Einlageleistung nicht zu einer endgültigen Vermögensverschiebung führt und
  • eine Werterhöhung der Anteile vermieden wird.[4]
[3] Formulierungsvorschlag für eine Öffnungsklausel: Wollweber, GmbHR 2019, 874.
[4] R E 7.5 Abs. 11 S. 13 ErbStR.

IV. Ertragsteuerliche Folgen

Zugleich können ohne solche Zusatzabreden ertragsteuerlich ungewollte Effekte eintreten.

1. Beispiel

An der X-GmbH mit einem Stammkapital von 25.000 EUR (Bargründung) sind A und B jeweils mit 50 % beteiligt. Die Satzung sieht keine Öffnungsklausel im Hinblick auf personengebundene Rücklagen vor.

A leistet im Jahr 2020 eine Einlage i.H.v. 100.000 EUR.

Im 2020 wird ein Gewinn i.H.v. 100.000 EUR generiert, im Jahr 2021 i.H.v. 0 EUR.

Im Jahr 2021 wird A auf Grundlage eines entsprechenden Beschlusses über eine Einlagenrückgewähr seine Einlage i.H.v. 100.000 EUR zurückgezahlt.

Im Jahr 2022 wird für das Geschäftsjahr 2021 eine Ausschüttung von je 50.000 EUR brutto beschlossen.

a) Einlagenrückgewähr an A

Inkongruente Gewinnausschüttung: Kommt es gesellschaftsrechtlich im Jahr 2020 zu einer Einlagenrückgewähr an A i.H.v. 100.000 EUR, gilt körperschaftsteuerlich – wegen der Verwendungsfiktion des § 27 Abs. 1 S. 3–5 KStG – zunächst der ausschüttungsfähige Gewinn als verwendet.[5] Es handelt sich der Sache nach um eine inkongruente Gewinnausschüttung.[6]

Einbehalt von KapESt und SolZ: Bei einer Rückzahlung der Einlage an A sind daher, obwohl es sich gesellschaftsrechtlich um eine bloße Einlagenrückgewähr handelt, Kapitalertragsteuer (KapESt) und Solidaritätszuschlag (SolZ) einzubehalten.

A erhält netto "nur" 75.000 EUR (Anm.: bei nachstehenden Berechnungen bleiben aus Vereinfachungsgründen der SolZ und etwaige Kirchensteuer außer Betracht).

Für A bleibt es bei seinen Anschaffungskosten (AK) i.H.v. 112.500 EUR (Einlage i.H.v. 100.000 EUR zzgl. hälftiges Stammkapital i.H.v. 12.500 EUR).

[5] Grundlegend: BFH v. 11.2.2015 – I R 3/14, GmbHR 2015, 876 = GmbH-StB 2015, 247 (Trossen).
[6] Zum Ganzen: Binnewies, GmbHR 2015, 1065; Schwedhelm/Olbing/Binnewies, GmbHR 2017, 1289.

b) Gewinnausschüttung

Wird im Jahr 2021 gesellsch...

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