1. Bisherige Rechtsprechung

Grundsätze: Ausgehend von der Rechtsprechung im Bereich der Anwendung des § 16 EStG[1] haben sich folgende Grundsätze sowohl für Anteile an Kapitalgesellschaften als auch an Mitunternehmerschaften wie folgt in der bisherigen Rechtsprechung etabliert:

  • Die Ermittlung des Veräußerungsgewinns erfolgt grds. stichtagsbezogen auf den Veräußerungszeitpunkt – und zwar nach dem Realisationsprinzip und nicht nach dem Zuflussprinzip.
  • Der Veräußerungszeitpunkt ist nach dem Realisationsprinzip der Zeitpunkt, zu dem die eigene Leistung erbracht ist: Bei der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften ist dies grds. der Zeitpunkt des Übergangs des wirtschaftlichen Eigentums an den übertragenen Anteilen.
  • Der Veräußerungsgewinn entsteht auf diesen Veräußerungszeitpunkt.

Rückwirkung nachträglicher Veränderungen: Nachträgliche Veränderungen des Veräußerungspreises sowie nachträglich angefallene Veräußerungskosten wirken damit grds. gewinnmindernd auf den Veräußerungszeitpunkt zurück, sofern die Kaufpreisanpassungsregelung, auf der die spätere Anpassung fußt,

[1] Vgl. BFH v. 19.7.1993 – GrS 2/92, BStBl. II 1993, 897 = FR 1993, 848; BFH v. 21.9.1982 – VIII R 140/79, BStBl. II 1983, 289 = FR 1983, 223; vgl. auch Hülsmann, DStR 2015, 399 m.w.N.
[2] Eingehend: Geiger/Kurrle, Ubg 2019, 495.

2. Besonderheiten für Earn-Out-Klauseln

Wesentliche Modifikationen ...: Zwischenzeitlich haben diese Grundsätze durch die neuere Rechtsprechung – und insbesondere die Entscheidung des BFH vom 19.12.2018 – eine wesentliche Modifikation erfahren: Nach den Feststellungen des FG Hamburg[3] und nachgehend des BFH[4] werden Earn-Out-Zahlungen zwar weiterhin als Veräußerungsgewinn behandelt; Sondervorschriften (z.B. §§ 16 i.V.m. 34 EStG, § 17 EStG, § 8b Abs. 2, 3 KStG) bleiben damit anwendbar.

... bzgl. Erfassung in zeitlicher Hinsicht: Ihre Erfassung erfolgt in zeitlicher Hinsicht aber erst im Jahr des Zuflusses, wenn und soweit – so das FG und der BFH – der Anspruch auf die Earn-Out-Zahlung erst im Veranlagungsjahr des Zuflusses entstanden ist.

Beachten Sie: Zwischenzeitlich hat sich u.a. auch das FG Rheinland-Pfalz[5] dieser Sichtweise angeschlossen, wegen nicht abschließend in der Rechtsprechung geklärter Rechtsfragen aber nochmals die Revision zum BFH[6]zugelassen.

a) Von vorgenannten Entscheidungen betroffene Earn-Out-Klauseln

Vorstehend genannte Entscheidungen sind zu Earn-Out-Klauseln ergangen, die der Höhe nach an die Erreichung zukünftiger Umsatz-/Gewinnparameter geknüpft waren und aus diesem Grund bei Abschluss des Anteilskaufvertrags

  • nicht nur dem Grunde,
  • sondern auch der Höhe nach

noch nicht bestimmbar waren.

b) Wie sieht es aus bei nur dem Grunde nach unsicheren Earn-Out-Klauseln?

Höchstrichterliche Rechtsprechung, ob die Grundsätze der Zuflussbesteuerung auch für solche Earn-Out-Klauseln gelten, bei denen von Anfang an der konkrete Earn-Out-Betrag feststeht – die mithin nur dem Grunde, nicht aber der Höhe nach unsicher sind – existiert bislang nicht.

Hier wird es auf den Einzelfall ankommen, wie sicher die Entstehung der Zahlung dem Grunde nach im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses ist. M.E. werden in den typischen Fällen überwiegende Gründe dafür sprechen, von keiner Rückwirkung und damit von einer Zuflussbesteuerung auszugehen.

3. Fazit für den eine Transaktion begleitenden Steuerberater

Das Wissen um die steuerliche Erfassung von Earn-Out-Klauseln gehört damit zum Basiswissen des Steuerberaters, der Transaktionen begleitet. Hierbei kann im Hinblick auf die Steuerplanung aus Sicht des Veräußerers die bewusste Herbeiführung einer Zuflussbesteuerung

  • zu einer Entzerrung der steuerlichen Belastung führen und
  • damit aus Sicht des Veräußerers attraktives Steuergestaltungsmittel sein.

Für den Berater, der diese Rechtsprechung nicht kennt, drohen insbesondere Haftungsgefahren im Kontext von

Zusammenballung in einem VZ? Werden z.B. Mitunternehmeranteile veräußert und wird neben dem sofort fälligen fixen Kaufpreis zusätzlich ein im zweiten Jahr nach dem Übergang der Anteile entstehender Earn-Out vereinbart, fehlt es mit Blick auf den halben Steuersatz – jedenfalls nach der bisherigen Rechtsprechung und Stimmen in der Literatur[7] – bezogen auf den Earn-Out an der sog. "Zusammenballung" des Veräußerungsgewinns in einem einzigen Veranlagungszeitraum. Der Earn-Out unterliegt nach diesen Ansichten dann nicht dem halben Steuersatz.

Stellungnahme: M.E. sprechen überwiegende Gründe dafür, dass in diesen Fällen das Erfordernis der "Zusammenballung"entfällt[8]: Zum einen ist im Wortlaut des § 34 EStG das Erfordernis der "Zusammenballung" nicht unmittelbar angelegt. Zum anderen hat der BFH die entsprechenden Zahlungen im Urteil vom 19.12.2018 als Teil des Veräußerungsentgelts i.S.d. §§ 16, 17 EStG qualifiziert.

Beraterhinweis Sicher ist dies aber mit Blick auf die in ...

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