Leitsatz

Der Gewinn aus der Veräußerung von zu erstellenden Eigentumswohnungen ist dann realisiert, wenn mehr als die Hälfte der Erwerber das im Wesentlichen fertig gestellte Gemeinschaftseigentum ausdrücklich oder durch mindestens drei Monate lange rügelose Ingebrauchnahme konkludent abgenommen haben. Die Gewinnrealisierung betrifft nur die von diesen Erwerbern geschuldeten Entgelte.

 

Normenkette

§ 4 Abs. 1, § 5 Abs. 1 EStG, § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB, § 640 BGB

 

Sachverhalt

Eine GbR hatte eine Ferienwohnanlage errichtet und vermarktete die Wohnungen an Kapitalanleger. Noch bevor alle Wohnungen auf die Investoren übertragen worden waren, wurde die GbR durch Austritt eines der beiden Gesellschafter aufgelöst; der andere Gesellschafter führte den Betrieb fort.

Die Kaufpreise für alle Wohnungen waren in diesem Zeitpunkt bis auf einige Schlussraten bereits gezahlt.

Die GbR aktivierte für die noch in ihrem Eigentum stehenden Wohnungen in ihrer Schlussbilanz einen Posten für teilfertige Bauleistungen. Die erhaltenen Kaufpreise passivierte sie als Anzahlungen.

Bis zum Ausscheiden des Gesellschafters waren alle Wohnungen unter Aufstellung einer Mängelliste bereits abgenommen und an Feriengäste vermietet worden. Die Abnahme des Gemeinschaftseigentums fand jedoch erst später statt.

Das FA war der Ansicht, auch der Gewinn aus der Veräußerung der später übertragenen Wohnungen sei bei Ausscheiden des Gesellschafters bereits realisiert gewesen. Die gegen den betreffenden Gewinnfeststellungsbescheid eingelegte Klage blieb ohne Erfolg.

 

Entscheidung

Der BFH gab der Revision des ausgeschiedenen Gesellschafters statt und verwies das Verfahren an das FG zurück. Die bisherigen Feststellungen rechtfertigten nicht die Annahme, dass der Gewinn aus der Veräußerung der Eigentumswohnungen schon vollständig realisiert sei. Maßgeblich sei dafür der Zeitpunkt, in dem auch das Gemeinschaftseigentum abgenommen sei.

Diese Abnahme könne durch Ingebrauchnahme der Wohnung stillschweigend erfolgen, sofern das Gemeinschaftseigentum im Wesentlichen vollständig fertig gestellt sei.

 

Hinweis

1. Die Entscheidung betrifft die bisher ungeklärte Frage, wann der Gewinn aus der Veräußerung neu errichteter Eigentumswohnungen realisiert ist. Das Bilanzrecht knüpft die Gewinnrealisation daran, dass der Erlös so gut wie sicher ist. Beim Verkauf einer Sache kommt es dafür auf den Zeitpunkt der Übergabe der Sache an. Bei Werkverträgen reicht die Übergabe für die Gewinnrealisation aber noch nicht aus. Zusätzlich muss das Werk nach § 640 BGB abgenommen worden sein.

2. Die Bestimmung des Abnahmezeitpunkts bei Eigentumswohnungen kann Schwierigkeiten bereiten, weil sich das Eigentum aus zwei Bestandteilen zusammensetzt, nämlich dem Sondereigentum an der eigentlichen Wohnung und dem Gemeinschaftseigentum an Grundstück, Gebäude und gemeinschaftlich genutzten Anlagen. Die Abnahme des Sondereigentums durch den einzelnen Eigentümer bedeutet deshalb noch nicht die Abnahme des Gemeinschaftseigentums durch die Eigentümergemeinschaft.

3. Nach eingehender Erörterung der zivilrechtlichen Fragen zum Abnahmezeitpunkt entscheidet sich der BFH nun dafür, den Zeitpunkt der Gewinnrealisation grundsätzlich für jede Eigentumswohnung eigenständig zu prüfen. Voraussetzung ist zunächst die Abnahme des betreffenden Sondereigentums. Das Gemeinschaftseigentum muss außerdem entweder durch die Eigentümergemeinschaft oder aber stillschweigend durch den betreffenden Eigentümer abgenommen worden sein. Eine stillschweigende Abnahme des Gemeinschaftseigentums unterstellt der BFH, wenn es im Wesentlichen funktionstüchtig hergestellt und die Wohnung vorbehaltlos drei Monate lang genutzt worden ist. Allerdings verlangt der BFH zusätzlich, dass mehr als die Hälfte der Erwerber das Gemeinschaftseigentum ausdrücklich oder stillschweigend abgenommen haben.

4. Beachten Sie, dass der BFH ausdrücklich offen gelassen hat, wie die Errichtung von Eigentumswohnungen durch Bauträger seit In-Kraft-Treten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes am 1.1.2002 zu beurteilen ist. Denn seither orientiert sich die Mängelhaftung des Bauträgers möglicherweise am Kaufrecht. Dies könnte dafür sprechen, den Zeitpunkt der Gewinnrealisierung allein an die Übergabe der Wohnung und des Gemeinschaftseigentums zu knüpfen.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 8.9.2005, IV R 40/04

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