Aus den vorstehenden Erwägungen folgt eine weitere Zweifelsfrage, bei der Anwendung des BewG als Rahmen für die gesellschaftsrechtliche Bewertung einer Beteiligung: In der steuerrechtlichen Anwendung, insb. bei Erbschafts- und Schenkungsfällen, orientieren sich die Beteiligten und deren Berater oftmals an den konkretisierenden Erbschaftsteuer-Richtlinien und Verwaltungsanweisungen. Beispielsweise sei auf die oben genannten Richtlinien zur Anwendung des Paketzuschlags (R B 11.8. Abs. 2 Satz 3, 5 ErbStR 2019) und zur Höhe des Paketzuschlags (R B 11.8 Abs. 9 Satz 1 ErbStR 2019) verwiesen.

Im Rahmen des § 4 AO ("Gesetz ist jede Rechtsnorm") besteht zwar i.E. Streit über die konkrete Rechtsnormqualität steuerlicher Verwaltungsvorschriften und Richtlinien (vgl. Gersch in Klein, AO, 15. Aufl. 2020, § 4 Rz. 9). Sicher ist jedoch, dass Verwaltungsanordnungen und Richtlinien nur für die nachgeordneten Behörden verbindlich sind, nicht aber für die Gerichte (vgl. hierzu Kurz, DStZ 1982, 26). Sie dienen lediglich der gleichmäßigen Auslegung und Anwendung des Gesetzes durch die nachgeordneten Behörden. Die Auslegung der abgabenrechtlichen Normen unterliegt uneingeschränkt der Nachprüfung durch die Gerichte. Verwaltungsanweisungen und Richtlinien binden die Gerichte daher nicht (BFH v. 28.10.1980 – VIII R 34/76, BStBl. II 1981, 161; BFH v. 31.10.1990 – I R 3/86, BStBl. II 1991, 610; BFH v. 7.3.2007 – I R 98/05, BStBl. II 2008, 186; BFH v. 18.3.1987 – II R 135/84, BFH/NV 1988, 393 – Rz. 16). Das gilt umso mehr, wenn die Anwendung einer abgabenrechtlichen Norm, wie hier interessierend bspw. aus dem BewG, in einem Sachverhalt erfolgt, der von der ordentlichen Gerichtsbarkeit zu entscheiden wäre.

Daraus folgt, dass sämtliche normkonkretisierenden Auslegungen durch die Erbschaftsteuer-Richtlinien oder Ländererlasse im Streitfall nicht gelten können und die beteiligten Gesellschafter in den streitigen Fragen, wie bspw. der Anwendung des Paketzuschlags, eine andere Auslegung zum Wortlaut der Norm vortragen können. In einigen Fragen kann dieser Mangel an konkretisierenden Normen erhebliche Rechtsunsicherheit verursachen, da bspw. die Anwendung der Substanzwerts gem. § 11 Abs. 2 BewG umstritten ist und in der steuerlichen Bewertung lediglich auf den Vorgaben der Finanzverwaltung beruht (s. oben unter II. 1. a) aa)).

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