Rz. 112

Die Instrumente Stimmrechtsbindungsvertrag[1] oder unwiderrufliche Stimmrechtsvollmacht[2] können gleichermaßen zur Schaffung oder Verhinderung personeller Verflechtung eingesetzt werden.[3]

Das heißt umgekehrt aber auch, dass im Falle der Schaffung einer personellen Verflechtung, die Aufhebung des Stimmbindungsvertrags zum Wegfall der personellen Verflechtung und somit zur Beendigung der Betriebsaufspaltung führt.

Zielsetzung solcher Vereinbarungen sind die (langfristige) Interessenbündelung oder koordinierte Interessenwahrnehmung.[4] Voraussetzung für die steuerliche Berücksichtigung[5] dieser Instrumentarien bei der Frage nach dem Vorliegen eines einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillens ist, dass sie sich nicht nur auf bestimmte Geschäfte, sondern insbesondere auch auf die Geschäfte des täglichen Lebens beziehen.[6] Zwar lässt sich das Stimmrecht nicht vom Geschäftsanteil trennen, jedoch entfalten schuldrechtliche Stimmrechtsbindungsverträge grundsätzlich Wirksamkeit.[7] Sie sind sowohl grundsätzlich bei Personen- als auch bei Kapitalgesellschaften zulässig und führen regelmäßig zu einer Innengesellschaft ohne Gesamthandsvermögen.[8] Unter Stimmbindung ist die rechtsgeschäftliche Bindung der Stimmrechtsmacht zu verstehen.[9] Verfügt etwa ein Doppelgesellschafter nicht über den für die Mehrheit der Stimmrechte erforderlichen Anteilsbesitz an der Betriebskapitalgesellschaft, kann ihm diese mittels Stimmrechtsbindungsvertrag oder unwiderruflicher Stimmrechtsvollmacht vermittelt werden. Einer bestimmten Form bedarf es hierzu nicht; auch eine notarielle Beurkundung ist grundsätzlich nicht notwendig.[10] Trotz der Formfreiheit empfiehlt sich allein schon aus Nachweisgründen eine schriftliche Abfassung der Stimmbindungsvereinbarung. Sofern die Stimmbindungsvereinbarung Teil eines Rechtsgeschäfts ist, das der notariellen Beurkundung bedarf (z. B. Verfügung über GmbH-Geschäftsanteile nach § 15 Abs. 3 GmbHG), ist auch die Stimmbindungsvereinbarung notariell zu beurkunden.[11]

Dabei werden die Stimmrechte nicht demjenigen zugerechnet, der sich dadurch gebunden hat, sondern demjenigen, der weisungsbefugt ist.[12] Umgekehrt kann dadurch auch die Beherrschungsmöglichkeit entfallen, wenn Stimmrechtsbindungen zugunsten eines Nur-Betriebsgesellschafters vereinbart werden.[13] Denkbar ist auch, dass die personelle Verflechtung durch Verletzungen der Stimmrechtsverpflichtung infrage gestellt werden kann. Soweit die Verletzung mit einer stillschweigenden Aufhebung des Stimmrechtsbindungsvertrags einhergeht, führt dies zur Beendigung der Betriebsaufspaltung in Folge des Wegfalls personeller Verflechtung. Dagegen bleibt eine Verletzung der Stimmrechtsbindung ohne Auswirkungen auf die personelle Verflechtung, solange nur die Möglichkeit zur Beherrschung der Betriebskapitalgesellschaft besteht (Rz. 81). Davon ist auszugehen, solange der Stimmrechtsbindungsvertrag mit Vollstreckbarkeit wirksam ist.[14]

Soll eine personelle Verflechtung mittels einer Stimmrechtsbindungsvereinbarung verhindert werden, kann unter den Gesellschaftern die hierfür notwendige Einstimmigkeitsabrede auch per Stimmrechtsbindungsvereinbarung geregelt werden; die Stimmrechtsbindungsvereinbarung ist somit eine Alternative zur Änderung des Gesellschaftsvertrags.[15] Durch den Abschluss einer Stimmrechtsbindungsvereinbarung kann einem Mehrheitsgesellschafter seine an sich beherrschende Stellung dadurch genommen werden, dass er sein Stimmrecht nur mit Zustimmung der übrigen Gesellschafter (z. B. Nur-Besitz- bzw. Betriebsgesellschafter, vgl. Rz. 106f.) ausüben kann.

 
Wichtig

Bevollmächtigter muss Interessen des Vollmachtgebers vertreten

Beruht die Vollmachtserteilung, was regelmäßig der Fall sein wird, im Innenverhältnis auf einer (ggf. stillschweigend abgeschlossenen) Vereinbarung, wonach der Bevollmächtigte mittels der Stimmrechtsausübung unentgeltlich die dem Vollmachtgebers zustehenden Rechte wahrzunehmen hat, muss der Bevollmächtigte aufgrund dieses Auftrags (§ 662 BGB) die Interessen des Vollmachtgebers wahrnehmen. Bei dieser Sachlage kann der Vollmachtgeber über den Bevollmächtigten seine Interessen als Gesellschafter gegenüber der Betriebs-GmbH durchsetzen. Liegt hingegen der Vollmacht keine Kausalvereinbarung zugrunde, dann ist auch eine unwiderruflich erteilte Vollmacht nach der feststehenden Rechtsprechung frei widerruflich. In diesem Fall kann der Vollmachtgeber durch den jederzeit möglichen Widerruf der Vollmacht seine personelle Beherrschung der Betriebskapitalgesellschaft sicherstellen.[16]

[1] Zur zwischenzeitlich anerkannten gerichtlichen Durchsetzung von Stimmrechtsbindungsvereinbarungen – Vollstreckung der Verpflichtung zur Abgabe einer bestimmten Willenserklärung gem. § 894 ZPO bzw. Unterlassung einer bestimmten Stimmabgabe gem. § 890 ZPO – sowie zur schuldrechtlichen Absicherung von Stimmrechtsbindungsvereinbarungen durch Vertragsstrafen: Wälzholz, NWB 2015, 3349 m. w. N. zu wichtigen Vorgaben, die bei der Vertragsgestaltung zu berücksi...

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