1.1 Rechtsentwicklung

 

Rz. 1

Nach der Intention des Gesetzgebers sollte die Förderung von Altersvorsorgevermögen nach Abschn. XI, bzw. § 10a EStG mit der nachgelagerten Besteuerung der darauf beruhenden Altersbezüge korrespondieren. Das hat seinen Grund darin, dass die Förderung (über § 10a EStG tatsächlich und über die Zulagen nach §§ 79ff. EStG fiktiv) die Erbringung der Eigenbeiträge aus unversteuertem Vermögen bewirkt und deshalb eine nachgelagerte Steuerpflicht der Altersversorgungseinkünfte nach § 22 Nr. 5 EStG nach sich ziehen muss. Nach der bis zum StEUVUmsG v. 8.4.2010[1] geltenden Fassung der Fördervorschriften war die Förderung deshalb systemgerecht an die unbeschränkte Steuerpflicht auch im Auszahlungszeitraum gebunden. Bei Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht entstand eine – u. U. aufgeschobene – Rückzahlungspflicht.[2]

 

Rz. 2

Die Vorschrift war im Regierungsentwurf zur Förderung einer kapitalgedeckten privaten Altersvorsorge nicht enthalten[3] und ist erst im Vermittlungsverfahren eingefügt worden.[4]

 

Rz. 3

Diese Regelung verstieß gegen das EU-rechtliche Prinzip der Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft.[5] In der geänderten Fassung ist deshalb die Wohnsitzverlagerung innerhalb des EU- bzw. EWR-Gebiets grundsätzlich unschädlich, obwohl dadurch die unbeschränkte Steuerpflicht im Inland entfällt.

Die Zulageberechtigung hängt somit nicht mehr vom steuerrechtlichen Status – un­beschränkte Steuerpflicht – des Zulageberechtigten ab. Sie ist vielmehr durch eine entsprechende Änderung des § 10a Abs. 1 S. 1 und 4 EStG an den "Alterssicherungsstatus" geknüpft, also an die "aktive" Pflichtversicherung bzw. Teilhabe an der inländischen gesetzlichen Rentenversicherung oder Beamtenversorgung.[6]

 

Rz. 4

Abgesehen von der somit hergestellten EU-rechtlichen Verträglichkeit der Regelung bleibt für den Wegzug ins EU-/EWR-Ausland die Frage nach der Sinnhaftigkeit der Regelung. Denn der auf den ersten Blick logische Zusammenhang zwischen der Ansammlung von Altersvorsorgevermögen aus unversteuertem Vermögen einerseits und nachgelagerter Versteuerung der Zuflüsse andererseits muss hinterfragt werden: Wenn dies ein tragfähiges Regelungsprinzip der Ertragsbesteuerung wäre, dann müsste ebenso etwa der Abzug vorweggenommener Werbungskosten oder Betriebsausgaben wieder rückgängig gemacht werden, wenn die später anfallenden durch sie veranlassten Einkünfte nicht der unbeschränkten Steuerpflicht unterliegen. So gesehen können die Einzahlungen in die gesetzliche Rentenversicherung ihre (grundsätzlich bestehende, lediglich spezialgesetzlich durch die Qualifizierung als Sonderausgaben überlagerte) Abziehbarkeit als Werbungskosten auch nicht (rückwirkend) verlieren, wenn der Rentner seine Rente nicht im Inland, sondern im Ausland bezieht. Schließlich geht es im Vz der Verausgabung und der Vereinnahmung jeweils um die leistungsgerechte Besteuerung. Diese verlangt nicht nur, dass der Rentenbezieher seine im Inland bezogene Rente versteuern muss, sondern auch, dass der Beitragszahler seine Aufwendungen, die er im Hinblick auf spätere Einkünfte verausgabt, im Zeitraum der Verausgabung abziehen kann, weil seine Leistungsfähigkeit gemindert ist – unabhängig davon, ob er die spätere Rente im Inland versteuert oder nicht. Diese Fragestellung verliert ihre Berechtigung auch nicht, wenn man die Bildung des Altersvorsorgevermögens nicht unter dem Gesichtspunkt eines Werbungskostenaufwands, sondern die Förderung als eine soziale Leistung zum Ausgleich der Leistungsminderung der Alterssicherungssysteme betrachtet.[7] Auch hier stellt sich die Frage, warum ein ins EU-/EWR-Ausland verziehender Bürger seine Förderung wegen der "Gefahr" einer im späteren Rentenbezugszeitraum nicht bestehenden Steuerpflicht im Inland oder zumindest im EU-/EWR-Raum rückwirkend verlieren soll.[8]

Mit dem Altersvorsorge-Verbesserungsgesetz v. 24.5.2013[9] wurden nur wenige redaktionelle Änderungen vorgenommen. Mit dem Brexit-Steuerbegleitgesetz v. 25.3.2019[10] wurde in Abs. 1 S. 2 eine Bestandsschutzregelung geschaffen, die jene Fälle von der Folge einer schädlichen Verwendung im Zeitpunkt des Wegfalls der Zugehörigkeit zum EU/EWR-Raum ausnimmt, in dem seit dem 22.6.2016 ein ununterbrochener Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt in Großbritannien und Nordirland bestand und der Vertrag vor dem 23.6.2016 abgeschlossen wurde. Die bislang letzte Änderung erfolgte dann durch das Dritte Bürokratieentlastungsgesetz vom 22.11.2019[11], mit dem in Abs. 2 ein S. 5 hinzugefügt wurde, der den Anbieter mit Einverständnis des Zulageberechtigten auch elektronisch zur Bereitstellung des Stundungsantrags verpflichtet.

[1] BStBl I 2010, 334.
[2] Pohl, IStR 2001, 460.
[3] BT-Drs. 14/4595.
[4] BT-Drs. 14/5970.
[6] BT-Drs. 17/506, 18; BT-Drs. 17/939, 1.
[7] .BT-Drs 17/506, 28.
[8] Vgl. zur Problematik Mellinghoff, DStJG, Bd. 29.
[9] BGBl I 2013, 1667.
[10] BGBl I 2019, 357.
[11] BGBl I 2019, 1746.

1.2 Grundsatz

 

Rz. 5

Nach § 95 EStG gelten die Vorschriften der

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