Entscheidungsstichwort (Thema)

Altersvorsorgezulage. Verweigerung der Zulage gegenüber Grenzarbeitnehmern, falls sie in Deutschland nicht unbeschränkt steuerpflichtig sind

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Bundesrepublik Deutschland hat durch die Einführung und Beibehaltung der Vorschriften zur ergänzenden Altersvorsorge in den §§ 79 bis 99 des Einkommensteuergesetzes gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 39 EG und Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 des Rates vom 15. Oktober 1968 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft sowie aus Art. 18 EG verstoßen, soweit diese Vorschriften

‐ Grenzarbeitnehmern und deren Ehegatten die Altersvorsorgezulage verweigern, falls sie in Deutschland nicht unbeschränkt steuerpflichtig sind,

‐ Grenzarbeitnehmern nicht gestatten, das geförderte Kapital für die Anschaffung oder Herstellung einer zu eigenen Wohnzwecken dienenden Wohnung zu verwenden, falls diese nicht in Deutschland belegen ist, und

‐ vorsehen, dass die Zulage bei Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht in Deutschland zurückzuzahlen ist.

2. Die Bundesrepublik Deutschland trägt die Kosten.

 

Normenkette

EGVtr Art. 39; EWGV 1612/68 Art. 7

 

Beteiligte

Kommission / Deutschland

Kommission der Europäischen Gemeinschaften

Bundesrepublik Deutschland

 

Tatbestand

„Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats ‐ Freizügigkeit der Arbeitnehmer ‐ Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 ‐ Altersvorsorgezulage ‐ Unbeschränkte Steuerpflicht“

In der Rechtssache C-269/07

betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 226 EG, eingereicht am 6. Juni 2007,

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch R. Lyal und W. Mölls als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Klägerin,

gegen

Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch C. Blaschke und M. Lumma als Bevollmächtigte im Beistand von Rechtsanwalt D. Wellisch, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Beklagte,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. W. A. Timmermans, der Richter K. Schiemann, J. Makarczyk und L. Bay Larsen (Berichterstatter) sowie der Richterin C. Toader,

Generalanwalt: J. Mazák,

Kanzler: R. şereŞ, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 17. Dezember 2008,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 31. März 2009

folgendes

Urteil

Rz. 1

Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften klagt auf Feststellung, dass die Bundesrepublik Deutschland durch die Einführung und Beibehaltung der Vorschriften zur ergänzenden Altersvorsorge in den §§ 79 bis 99 des Einkommensteuergesetzes (EStG) gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 39 EG und Art. 7 der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 des Rates vom 15. Oktober 1968 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft (ABl. L 257, S. 2) sowie aus den Art. 12 EG und 18 EG verstoßen hat, soweit diese Vorschriften

‐ Grenzarbeitnehmern (und deren Ehegatten) die Zulageberechtigung verweigern, falls sie in Deutschland nicht unbeschränkt steuerpflichtig sind,

‐ es nicht zulassen, dass das geförderte Kapital für eine eigenen Wohnzwecken dienende Wohnung im eigenen Haus verwendet wird, falls diese nicht in Deutschland belegen ist, und

‐ vorsehen, dass die Förderung bei Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht zurückzuzahlen ist.

Rechtlicher Rahmen

Gemeinschaftsrecht

Rz. 2

Art. 7 Abs. 1 und 2 der Verordnung Nr. 1612/68 lautet:

„(1) Ein Arbeitnehmer, der Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats ist, darf auf Grund seiner Staatsangehörigkeit im Hoheitsgebiet der anderen Mitgliedstaaten hinsichtlich der Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, insbesondere im Hinblick auf Entlohnung, Kündigung und, falls er arbeitslos geworden ist, im Hinblick auf berufliche Wiedereingliederung oder Wiedereinstellung, nicht anders behandelt werden als die inländischen Arbeitnehmer.

(2) Er genießt dort die gleichen sozialen und steuerlichen Vergünstigungen wie die inländischen Arbeitnehmer.“

Nationales Recht

Rz. 3

In § 1 EStG heißt es:

„(1) Natürliche Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, sind unbeschränkt einkommensteuerpflichtig …

(3) Auf Antrag werden auch natürliche Personen als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt, die im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, soweit sie inländische Einkünfte im Sinne des § 49 haben. Dies gilt nur, wenn ihre Einkünfte im Kalenderjahr mindestens zu 90 Prozent der deutschen Einkommensteuer unterliegen oder die nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte nicht mehr als 6 136 Euro im Kalenderjahr betragen …

…“

Rz. 4

Nach § 10a Abs. 1 EStG können in der gesetzlichen Rentenversicherung Pflichtversicherte jährlich Altersvorsorgebeiträge zuzüglich der nach den §§ 79 ff. EStG zustehenden Zulage bis zu einem bestimmten Höchstbetrag als Sonderausgaben abziehen. Er sieht vor, dass neben den in der gesetzlichen Rentenversicherung Pflichtversicherten weitere Personengruppen als Versicherte in diesem Sinne behandelt wer...

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