Rz. 14

§ 74 Abs. 2 EStG ordnet für die Erstattungsansprüche von Trägern von Sozialleistungen gegen die Familienkasse, d. h. für die Erstattungsansprüche der Leistungsträger untereinander, die entsprechende Geltung von §§ 102109 SGB X und §§ 111113 SGB X an. Die Familienkasse wird danach wie ein Sozialleistungsträger behandelt. Dadurch wird sichergestellt, dass die genannten Vorschriften des SGB X weiterhin im Kindergeldrecht Anwendung finden. Die Vorschrift hat insoweit nur klarstellende Bedeutung. Die Regelung betrifft die Ansprüche der Leistungsträger i. S. d. SGB.[1]

 

Rz. 15

Für den Erstattungsanspruch nach § 74 Abs. 2 EStG i. V. m. § 104 Abs. 1 S. 1-3 und Abs. 2 SGB X ist neben der Nachrangigkeit der gewährten Sozialleistungen gegenüber dem Kindergeld die Gleichartigkeit der Leistungen und des Kindergelds erforderlich.[2] Dabei kommt es allein auf die sozialrechtliche Zuweisung des Kindergeldes an.[3] Das Kindergeld ist sozialrechtlich Einkommen dessen, an den es ausgezahlt wird. Eine abweichende Zuordnung kommt nur dann in Betracht, wenn das Kindergeld nach § 74 Abs. 1 EStG an die Kinder abgezweigt wird oder diesen zumindest tatsächlich zufließt. Hat ein Sozialleistungsträger bedarfsabhängige Sozialleistungen für Eltern und minderjährige Kinder erbracht, die in einem Haushalt zusammenleben und eine Bedarfsgemeinschaft bilden, so steht ihm ein Anspruch auf Erstattung des nachträglich festgesetzten Kindergeldes zu. In diesem Falle ist unerheblich, dass es sich bei dem Kindergeld aus sozialrechtlicher Sicht um Einkommen des kindergeldberechtigten Elternteils handelt.[4] Hat ein Sozialleistungsträger wegen der Leistungen nach dem SGB II, die er dem Kind eines Kindergeldberechtigten gewährt hat, keinen Anspruch auf Erstattung von Kindergeld, weil das Kind in einem eigenen Haushalt lebt und das Kindergeld an das Kind weder abgezweigt noch weitergeleitet worden ist, so besteht dennoch ein Erstattungsanspruch, wenn der kindergeldberechtigte Elternteil ebenfalls Sozialleistungen nach dem SGB II bezieht.[5]

 

Rz. 15a

Hauptanwendungsfall ist der Anspruch der Träger der Sozialhilfe auf Erstattung aus Kindergeldzahlungen, wenn sie trotz der Subsidiarität ihrer Leistungen dem Berechtigten oder den Kindern ohne Anrechnung des Kindergelds Leistungen erbracht haben.

Aber auch Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (§ 2 AsylbLG i. V. m. § 28 SGB XII) sind bedarfsabhängige Leistungen für den notwendigen Lebensunterhalt von Asylbewerbern sowie ihnen gleichgestellte ausl. Staatsangehörige und damit dem Kindergeld gleichartige und nachrangige Leistungen. Hat demzufolge ein Sozialhilfeträger Leistungen nach § 2 AsylbLG i. V. m. § 28 SGB XII für Eltern und Kinder erbracht, die in einem Haushalt zusammenleben und eine Bedarfsgemeinschaft bilden, so steht ihm ein Anspruch auf Erstattung des nachträglich festgesetzten Kindergelds zu.[6]

 

Rz. 16

Ein Erstattungsanspruch nach § 74 Abs. 2 EStG i. V. m. § 104 Abs. 2 SGB X setzt nur voraus, dass ein in § 104 Abs. 1 S. 4 SGB X genannter Sozialleistungsträger gegenüber dem Kindergeldberechtigten bestandskräftig Aufwendungsersatz geltend gemacht oder einen Kostenbeitrag erhoben hat und der Kindergeldberechtigte diesen nicht oder nicht in vollem Umfang geleistet bzw. erbracht hat.[7] Der Anspruch des Sozialleistungsträgers auf Erstattung von Kindergeld wegen erbrachter Leistungen ist begrenzt auf den Betrag, der gegenüber dem Berechtigten durch Bescheid als Kostenbeitrag festgesetzt worden ist.[8] Umfasst sind Ansprüche der Jugendhilfe und der Eingliederungshilfe.

 

Rz. 17

Der Familienkasse steht bei der Entscheidung über den kraft Gesetzes entstehenden Erstattungsanspruch kein Ermessen zu. Besteht objektiv ein Erstattungsanspruch, ist dieser zu erfüllen. Hält die Familienkasse den Anspruch für nicht gegeben, teilt sie dies dem Sozialleistungsträger formlos mit. Hierbei handelt es sich wegen des fehlenden Über- und Unterordnungsverhältnisses nicht um einen Verwaltungsakt. Die Klage, mit der ein nachrangiger Leistungsträger seinen Erstattungsanspruch nach § 104 SGB X geltend macht, ist vor dem FG als allgemeine Leistungsklage ohne Vorverfahren zulässig.[9]

Etwaige eigene Aufwendungen des Kindergeldberechtigten für das Sozialleistungen beziehende Kind können daher allenfalls in dem Verfahren Berücksichtigung finden, in dem der Sozialleistungsträger gegenüber dem Kindergeldberechtigten einen Aufwendungsersatzanspruch geltend macht oder einen Kostenbeitrag erhebt.[10]

 

Rz. 18

Beim Zusammentreffen eines Erstattungsanspruchs nach § 74 Abs. 2 EStG mit einem Antrag auf Auszahlung an einen Dritten nach § 74 Abs. 1 EStG hat entgegen der Verwaltungsauffassung[11] der Erstattungsanspruch keinen Vorrang.[12] Denn eine Abzweigungsentscheidung nach § 74 Abs. 1 EStG, die dazu führt, dass das Kindergeld an das Kind auszuzahlen ist, kann auch noch nach einer Erstattung an den Sozialhilfeträger i. S. von § 74 Abs. 2 EStG nachgeholt werden. In diesem Fall sind die Sozialleistungen durch den Sozialhilfeträger nic...

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