Rz. 379

Die Entnahme von Wirtschaftsgütern aus einem Betriebsvermögen ist nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 1 EStG mit dem Teilwert zu bewerten. Dadurch soll eine Versteuerung der in dem Wirtschaftsgut enthaltenen stillen Reserven wie im Fall einer Veräußerung sichergestellt werden (s. Rz. 380). Diese Regelung ist nicht nur bei der Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich nach § 4 Abs. 1 EStG oder § 5 EStG anzuwenden, sondern auch bei derjenigen im Wege der Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG[1] anwendbar. Als entnommene Wirtschaftsgüter kommen sowohl bilanzierte materielle oder immaterielle als auch nicht bilanzierte immaterielle Wirtschaftsgüter in Betracht.[2] Dabei ist allerdings zu bedenken, dass ein derivativer oder originärer Geschäftswert nicht isoliert in das Privatvermögen überführt werden kann. Er kann nur zusammen mit einem lebenden Betrieb, Teilbetrieb oder Mitunternehmeranteil einem Erwerber übertragen oder zur Nutzung überlassen werden.[3]

 

Rz. 380

Der Teilwert i. S. v. § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG entspricht demjenigen nach § 6 Abs. 1 Nr. 1, 2 EStG (s. Rz. 242). Jedoch ist die Funktion des Teilwertansatzes eine unterschiedliche: Während der Ansatz des Teilwerts anstelle der Anschaffungs- oder Herstellungskosten nach § 6 Abs. 1 Nr. 1, 2 EStG der Antizipation eines Verlusts infolge einer dauernden Wertminderung des Wirtschaftsguts dient, soll im Fall der Entnahme eines Wirtschaftsguts der Ansatz des Teilwerts der Erfassung des Entnahmegewinns und damit der Besteuerung der stillen Reserven in Höhe der Differenz zwischen dem Buchwert und dem Teilwert dienen. Für die Bezifferung des Teilwerts kommt es nicht allein auf den subjektiven Erkenntnisstand des Stpfl. an. Vielmehr sind alle zum Entnahmezeitpunkt objektiv vorhandenen Umstände von Bedeutung, auch wenn sie erst später bekannt werden.[4] Diese Umstände müssen jedoch im Entnahmezeitpunkt bereits so hinreichend konkretisiert sein, dass mit ihnen als Tatsache zu rechnen ist. Mängel, die auch verdachtsweise noch nicht zutage getreten sind, beeinflussen die Wertfindung auf den Entnahmestichtag nicht.[5]

 

Rz. 381

Für die Fälle, in denen sich die Teilwerte von Sachentnahmen nur durch eine Schätzung ermitteln lassen, veröffentlicht die Finanzverwaltung jährlich Pauschbeträge für unentgeltliche Wertabgaben Sie gelten z. B. für den Lebensmitteleinzelhandel und das Gaststättengewerbe,[6] Die Pauschsätze sind Jahrespauschalen. Der Unternehmer kann auch die tatsächlichen Entnahmen durch Einzelaufzeichnungen nachweisen.

 

Rz. 382

Zur Ermittlung des Teilwerts sind die von der Rspr. entwickelten Ober- und Untergrenzen sowie die Teilwertvermutungen heranzuziehen (s. Rz. 258f.). Diese schaffen einen Anscheinsbeweis, den derjenige zu entkräften hat, der sich auf einen abweichenden Wert beruft. Die Obergrenze bilden die Wiederbeschaffungskosten oder der Reproduktionswert. Die Untergrenze ist der Einzelveräußerungspreis abzüglich der Veräußerungskosten. Die Wiederbeschaffungskosten von notwendigen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens richten sich im Allgemeinen nach dem Verkehrswert oder dem gemeinen Wert (Rz. 260).[7] Wird beispielsweise im Rahmen einer Betriebsaufgabe ein landwirtschaftlich genutztes Grundstück, das in einem erschlossenen Baugebiet liegt, in das Privatvermögen überführt, so richtet sich der Entnahmewert nach dem Verkehrswert für baureifes Land in dem entsprechenden Gemeindegebiet.[8] Verzichtet ein Ehegatte auf seinen Ausgleichsanspruch nach §§ 951, 812 BGB, der ihm durch Errichtung eines Betriebsgebäudes auf einem dem Ehepartner gehörenden Grundstück entstanden ist, so ist der entnommene Bau auf fremdem Grund und Boden, der "wie ein materielles Wirtschaftsgut" beim Verzichtenden anzusetzen ist, mit dem Verkehrswert des Gebäudes zu bewerten.[9]

 

Rz. 383

Der gemeine Wert ist nach § 16 Abs. 3 S. 7 EStG als Entnahmewert anzusetzen, wenn Wirtschaftsgüter im Zuge der Betriebsaufgabe in das Privatvermögen überführt werden. Der gemeine Wert bestimmt sich auch für die ertragsteuerliche Bewertung nach § 9 Abs. 2 S. 1 BewG. Danach entspricht der gemeine Wert dem Preis, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit des Wirtschaftsguts bei einer Veräußerung zu erzielen wäre.[10]

 

Rz. 384

Der für die Entnahme angesetzte Wert hat grundsätzlich auch Wirkung für die Zukunft: Der Teilwert bzw. der gemeine Wert ist als Bemessungsgrundlage für die Gebäude-AfA nach § 7 Abs. 4 EStG den Anschaffungs- oder Herstellungskosten gleichzusetzen, wenn der Stpfl. ein Grundstück aus dem Betriebsvermögen entnimmt oder seinen Betrieb aufgibt. Diese Werte bilden jedoch nur dann die Bemessungsgrundlage für die nachfolgende AfA, wenn die stillen Reserven des Gebäudes durch den Ansatz des Teilwerts oder des gemeinen Werts aufgedeckt und auch tatsächlich besteuert worden sind.[11] Nach dem tatsächlich angesetzten Entnahmewert bestimmt sich auch der Einlagewert eines Wirtschaftsguts nach § 6 Abs. 1 Nr. 5 S. 3 EStG, wenn das Wirtschaftsgut in den letzten drei Jahren vor der Zuführun...

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