4.6.1 Grundfall

 

Rz. 48

§ 4f Abs. 2 EStG findet Anwendung, wenn für eine Verpflichtung keine befreiende Schuldübernahme, sondern ein Schuldbeitritt oder eine Erfüllungsübernahme mit ganzer oder teilweiser Schuldfreistellung vereinbart wird. Beim Schuldbeitritt verbessert sich die Rechtsstellung des Gläubigers, weil er einen zusätzlichen Schuldner (den Beitretenden) bekommt, der Gesamtschuldner i. S. v. §§ 421ff. BGB wird. Im Innenverhältnis können der ursprüngliche Schuldner und der Beitretende vereinbaren, dass der Beitretende zur Freistellung des ursprünglichen Schuldners verpflichtet ist. In diesem Fall trägt der Beitretende wirtschaftlich die Verpflichtung. Bei der Erfüllungsübernahme (§ 329 BGB) verpflichtet sich der Übernehmende durch Vertrag zwischen ihm und dem Schuldner, dass er eine Verbindlichkeit des Schuldners erfüllen wird. Mit Blick auf den Gläubiger, der keine Rechte erwirbt, handelt es sich um einen unechten Vertrag zugunsten Dritter. Im Innenverhältnis hat der Schuldner einen Freistellungsanspruch gegenüber dem Übernehmer, der die Schuld wirtschaftlich trägt.[1]

 

Rz. 49

Die Finanzverwaltung ging in diesen Fällen zunächst davon aus, dass der jeweilige Freistellungsverpflichtete eine Freistellungsverbindlichkeit zu passivieren habe, während der ursprünglich Verpflichtete weiterhin die ursprüngliche Verbindlichkeit und einen Anspruch gegenüber dem Freistellungsverpflichteten auszuweisen habe.[2] Dieser Auffassung ist der BFH entgegengetreten.[3] Die ursprüngliche Verpflichtung und der zugehörige Freistellungsanspruch sind vielmehr nicht auszuweisen, wenn eine Inanspruchnahme des ursprünglich Verpflichteten nicht mehr wahrscheinlich ist. Im Ergebnis entsprechen die steuerlichen Folgen damit denen einer befreienden Schuldübernahme.[4] Dem hat sich inzwischen auch die Finanzverwaltung angeschlossen.[5]

[1] Gosch, in Kirchhof, EStG, 2014, § 4f EStG Rz. 22; Benz/Placke, DStR 2013, 2653.
[4] Förster/Staaden, Ubg 2014, 1; ausführlich Lüdenbach/Hoffmann, GmbHR 2014, 123.

4.6.2 Kein Verweis auf S. 3 bis 6

 

Rz. 50

Zu beachten ist allerdings, dass sich dieser Verweis nicht auf § 4f Abs. 1 S. 3 bis 6 EStG bezieht. Damit dürften die in den S. 3 bis 6 geregelten Ausnahmen in Fällen des Abs. 2 keine Anwendung finden. Dies entspricht der Auffassung der Finanzverwaltung.[1] In der Literatur ist dies umstritten.[2] Nach der Auffassung der Finanzverwaltung bedeutet das, dass der Aufwand aus der Realisierung stiller Lasten stets auf 15 Wirtschaftsjahre zu verteilen wäre. Die Ausnahme für die Veräußerung oder Aufgabe von Betrieben oder Mitunternehmeranteilen würde danach dürfte bei Schuldbeitritten und Erfüllungsübernahmen i. S. v. § 4f Abs. 2 EStG also ebenso wenig Anwendung finden, wie die Ausnahmen für die Übertragungen von Pensionsverbindlichkeiten beim Arbeitgeberwechsel oder für kleinere und mittlere Betriebe (§ 7g EStG-Fälle). Dasselbe würde nach Auffassung der Finanzverwaltung für die Regel in § 4f Abs. 1 S. 4 EStG gelten, wonachAufwand aus Teilbetriebsveräußerungen nur insoweit über 15 Wirtschaftsjahre verteilt werden muss, als dieser einen Veräußerungsverlust begründet oder erhöht hat.[3] Nach hier vertretener a. A. ist diese Regel allerdings Ausdruck des allgemeinen Prinzips, dass § 4f EStG nicht die Besteuerung fiktiver Gewinne beabsichtigt (Rz. 23), sodass sie auch bei solchen Teilbetriebsveräußerungen Anwendung finden sollten, bei denen Verpflichtungen im Wege des Schuldbeitritts oder der Erfüllungsübernahmen übertragen werden.

 

Rz. 51

Die Gesetzesbegründung liefert keinen Hinweis auf die Überlegungen, die dieser unvollständigen Verweisung zugrunde gelegen haben. Sie spricht lediglich von einer "entsprechend(en)" Anwendung von Abs. 1.[4] Aus der Sicht der Praxis macht die Unterscheidung zwischen Vorgängen nach § 4f Abs. 1 und Abs. 2 EStG wenig Sinn; insbesondere da Schuldbeitritte oder Erfüllungsübernahmen oft nur deshalb vereinbart werden, weil es faktisch nicht oder nur schwer möglich ist, die für eine Einzelrechtsnachfolge erforderliche Zustimmung des Gläubigers zu einer befreienden Schuldübernahme zu erhalten.[5]

Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zur Anpassung der Abgabenordnung an den Zollkodex der Union hatte der Bundesrat dann auch empfohlen, in § 4f Abs. 2 insgesamt auf Abs. 1 zu verweisen. Diese Empfehlung wurde jedoch nicht umgesetzt.[6]

 
Hinweis

Befreiende Schuldübernahme als bessere Variante

Aus der Sicht der Praxis führt die unvollständige Verweisung auf Abs. 1 dazu, dass möglichst befreiende Schuldübernahmen anstelle von Schuldbeitritten oder eine Erfüllungsübernahme vereinbart werden sollten. Dies erfordert in Fällen der Einzelrechtsnachfolge jeweils die Zustimmung des Vertragspartners, was insbesondere bei einer Vielzahl von übertragenen Verpflichtungen zu einem erheblichen Aufwand führen kann.

 

Rz. 52

Idealerweise sollte die Zustimmung der Gläubig...

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