6.1.1 Allgemeines

 

Rz. 162

Der KapESt-Abzug ist nach § 43 Abs. 2 S. 1 EStG nicht vorzunehmen, wenn Gläubiger und Schuldner der Kapitalerträge bzw. auszahlende Stelle im Zeitpunkt des Zufließens identisch sind, so z. B. ein depotführendes Kreditinstitut als auszahlende Stelle hinsichtlich des eigenen Wertpapierbestands.

Gläubiger und Schuldner bzw. Gläubiger und auszahlende Stelle sind nur dann dieselbe Person i. S. d. Vorschrift, wenn das Eigentum an den Wertpapieren und das Recht auf Entgegennahme der darauf entfallenden Kapitalerträge in einer Hand vereinigt sind.[1]

Für den Verzicht auf den Steuerabzug ist entscheidend, dass die Personenidentität von Gläubiger und Schuldner der Kapitalerträge bzw. Gläubiger und auszahlender Stelle am Zinsfälligkeitstage besteht.[2]

 

Rz. 162a

§ 43 Abs. 2 S. 1 EStG wurde durch das G. zur Umsetzung der Richtlinie 2009/65/EG zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW-IV-UmsetzungsG) v. 22.6.2011[3] angepasst. Nach der bis zum 31.12.2011 geltenden Systematik des KapESt-Abzugs durch den Emittenten der Aktien kam es auch dann zum Steuerabzug, wenn diese zum eigenen Wertpapierbestand eines Kreditinstituts gehörten. Auch nach der Umstellung des Systems auf den Steuereinbehalt durch die depotverwahrende Stelle soll es weiterhin dabei bleiben, dass auf derartige Erträge ein Steuerabzug durchgeführt wird, auch wenn den Steuereinbehalt nunmehr das Kreditinstitut als auszahlende Stelle durchführt.

 

Rz. 163

In den Fällen des § 43 Abs. 1 S. 1 Nr. 7c EStG (Rz. 93) besteht zivilrechtliche Personenidentität von Gläubiger (juristische Person des öffentlichen Rechts bzw. steuerbefreite Körperschaft) und Schuldner (Betrieb gewerblicher Art bzw. wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb) der Kapitalerträge. Da in diesen Fällen für den Steuerabzug nicht an eine Auszahlung der Kapitalerträge angeknüpft wird, regelt § 44 Abs. 6 EStG den Zeitpunkt der Entstehung der KapESt.

[1] Hinweis auf RFH v. 5.12.1933, I A 382/31, RStBl 1934, 431.
[2] RFH v. 23.8.1930, I A 198/30, RStBl 1931, 233.
[3] BGBl I 2011, 1126.

6.1.2 Inhaberschuldverschreibungen

 

Rz. 164

Bei Inhaberschuldverschreibungen ist der Bestand des verbrieften Rechts zivilrechtlich an den Besitz des Papiers geknüpft (§ 793 BGB). Die Übertragung des Rechts geschieht ausschließlich nach sachenrechtlichen Grundsätzen durch Übertragung der Urkunde (§§ 929ff. BGB). Wegen dieser sachenrechtlichen Verselbstständigung führt ein vorübergehendes Zusammentreffen von Gläubiger- und Schuldnerschaft grundsätzlich nicht zum Erlöschen von Forderung und Schuld.[1] Forderung und Schuld aus Inhaberschuldverschreibungen bestehen fort. Deshalb bleiben auch die Zinsen aus den eigenen Schuldverschreibungen geschuldet, zumal die über die Zinsen ausgegebenen Zinsscheine (§ 803 BGB) selbst Inhaberpapiere sind. Zinsen aus eigenen Schuldverschreibungen sind beim Zusammentreffen von Gläubiger- und Schuldnerschaft in der Gewinn- und Verlustrechnung unter den Aufwendungen und den Erträgen auszuweisen.[2]

 

Rz. 165

Auch steuerrechtlich berührt der Erwerb eigener Inhaberschuldverschreibungen die Selbstständigkeit der Wertpapiere nicht, solange diese nicht endgültig aus dem Verkehr gezogen werden und dadurch untergehen. Dabei ist es ohne Belang, aus welchen Motiven und zu welchen Bedingungen die Wertpapiere vor der in den Emissionsbedingungen festgelegten Fälligkeit zurückgekauft werden, sofern nicht die Absicht, die Schuldverschreibungen wieder zu veräußern, als ausgeschlossen anzusehen ist.[3]

[1] RG v. 1.4.1935, IV 179/34, RGZ 147, 233; Sprau, in Palandt, BGB, 2016, § 793 BGB Rz. 9.

6.1.3 Eigene Aktien oder Anteile

 

Rz. 166

Personenidentität i. S. d. Vorschrift liegt auch dann vor, wenn eine AG eigene Aktien oder eine GmbH eigene Geschäftsanteile hält.

 

Rz. 167

Nach § 71 b AktG stehen der Gesellschaft aus eigenen Aktien keine Rechte zu, auch keine Rechte auf einen Anteil am Gewinn der Gesellschaft. Auf die eigenen Aktien, die die Gesellschaft im Zeitpunkt des Gewinnverwendungsbeschlusses hält, kann sie keine Dividende beziehen.

 

Rz. 168

Auch einer GmbH stehen aus eigenen Geschäftsanteilen keine Rechte (auch kein Gewinnbezugsrecht) zu, denn solange die Gesellschaft die eigenen Anteile hält, ruhen die Gesellschaftsrechte aus diesen Anteilen.[1] Der Jahresgewinn steht deshalb bei der Beschlussfassung über die Ergebnisverwendung insgesamt (d. h. einschl. des rechnerisch auf den eigenen Geschäftsanteil der GmbH entfallenden Teils) den übrigen Gesellschaftern zu.[2] Dann aber unterliegt der an die Gesellschafter ausgeschüttete Betrag auch insgesamt dem KapESt-Abzug.

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