Leitsatz (amtlich)

Zinsen aus eigenen Schuldverschreibungen einer Hypothekenbank sind steuerfrei nach § 3 Nr. 45, § 3 a Abs. 1 Nr. 1, 3 EStG, solange die eigenen Schuldverschreibungen zu bilanzieren sind. Die Bilanzierungspflicht besteht, solange nicht die Absicht der Weiterveräußerung ausgeschlossen ist (BFH-Urteil vom 23. Juli 1975 I R 23/74, BFHE 117, 34, BStBl II 1976, 40).

 

Normenkette

EStG § 3 Nr. 45, § 3a Abs. 1 Nrn. 1, 3

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine Hypothekenbank in der Rechtsform der Aktiengesellschaft, hatte Wertpapiere ausgegeben, deren Zinsen nach § 3 Nr. 45, § 3 a Abs. 1 Nr. 1, 3 EStG steuerfrei sind. Einen Teil dieser Wertpapiere erwarb und hielt sie in den Streitjahren 1959 bis 1963 selbst. Einen weiteren Teil übertrug sie ihrer Mehrheitsgesellschafterin, einer Staatsbank, und erwarb gleichzeitig soviel Wertpapiere ihrer Mehrheitsgesellschafterin, daß beide Banken die gleichen Renditen erzielten, die sie erzielt hätten, wenn sie die eigenen Wertpapiere im eigenen Bestand gehalten hätten.

Der Beklagte und Revisionskläger (FA) betrachtete das gegenseitige Halten von Wertpapieren der anderen Bank als Pensionsgeschäft und rechnete die Wertpapiere den jeweiligen Ausgebern zu. Zugleich versagte es der Klägerin die Steuerfreiheit für die Zinsen aus den eigenen Wertpapieren und für die Zinsen aus den Wertpapieren der Mehrheitsgesellschafterin mit der Begründung, durch den Erwerb der eigenen Wertpapiere werde der Kapitalmarkt nicht belebt, sondern eigenes Geld stillgelegt.

Die Klage hatte Erfolg. Das FG, dessen Entscheidung in Entscheidungen der Finanzgerichte 1973 S. 512 veröffentlicht ist, hat ausgeführt, nach dem Wortlaut der § 3 Nr. 45, § 3 a Abs. 1 Nr. 1 und 3 EStG seien Zinsen aus den dort genannten Wertpapieren ohne Einschränkung steuerfrei. Der Rechtsprechung des BFH, nach der die Steuerfreiheit der Zinsen aus eigenen Wertpapieren an die Voraussetzung geknüpft sei, daß die Wertpapiere zur Kurspflege gehalten würden, könne daher aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht gefolgt werden. Wenn es auch Sinn und Zweck der Steuerbefreiungsvorschriften sei, den Geldmarkt für bestimmte Maßnahmen zu verflüssigen, so habe doch dieser Zweck im Gesetz selbst keinen objektiven Niederschlag gefunden. Die Steuerbefreiungsvorschriften dürften daher nicht über ihren Tatbetand hinaus zu Lasten des Steuerpflichtigen eingeengt werden. Das Grundrecht zur freien Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 Abs. 1 GG) umfasse auch die Freiheit von unberechtigten Eingriffen der Staatsgewalt.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des FA, mit der unrichtige Anwendung der § 3 Nr. 45, § 3 a Abs. 1 Nr. 1, 3 EStG gerügt wird. Das FA meint, die von der Rechtsprechung geforderte Voraussetzung der Steuerfreiheit von Zinsen aus eigenen Wertpapieren (Erwerb und Halten zur Kurspflege) bedeute keine Einschränkung, sondern eine Erweiterung des gesetzlichen Tatbestandes zugunsten der Steuerpflichtigen. Denn unter "Zinsen" verstehe die Umgangssprache Vergütungen für die Überlassung von Kapital, die tatsächlich bezahlt würden. Bei eigenen Wertpapieren fehle es an einer Person, die Zinsen zahle, wie auch an einer Person, die sie empfange.

Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Körperschaftsteuerbescheide 1959 bis 1963 wiederherzustellen.

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Die Zinsen aus den eigenen Wertpapieren der Klägerin und die Zinsen aus den Wertpapieren ihrer Mehrheitsgesellschafterin sind steuerfrei nach § 3 Nr. 45, § 3 a Abs. 1, 3 EStG.

1. Wegen der sachenrechtlichen Ausgestaltung der Schuldverschreibungen auf den Inhaber (§§ 793 ff. BGB) erlöscht das in ihnen verbriefte Recht grundsätzlich nicht durch Vereinigung von Forderung und Schuld in einer Person. Hypothekenbanken haben daher eigene Schuldverschreibungen auf der Aktivseite der Bilanz unter den "eigenen Schuldverschreibungen" und auf der Passivseite der Bilanz unter den "begebenen Schuldverschreibungen" auszuweisen, solange nicht die Absicht ausgeschlossen ist, sie wieder in Verkehr zu bringen (BFH-Urteil vom 23. Juli 1975 I R 23/74, BFHE 117, 34, BStBl II 1976, 40). Da Forderung und Schuld fortbestehen, bleiben auch die Zinsen aus den eigenen Schuldverschreibungen geschuldet, zumal die über die Zinsen ausgegebenen Zinsscheine (§ 803 BGB) selbst Inhaberpapiere sind. Die Hypothekenbanken haben daher die Zinsen aus eigenen Schuldverschreibungen in der Gewinn- und Verlustrechnung unter den Aufwendungen und unter den Erträgen auszuweisen.

2. Aufgrund dieser zivilrechtlichen und bilanzrechtlichen Lage sind auch Zinsen aus eigenen Schuldverschreibungen, solange die Absicht, sie wieder in Verkehr zu bringen, nicht ausgeschlossen ist, "Zinsen" i. S. der § 3 Nr. 45, § 3 a Abs. 1 Nr. 1, 3 EStG. Entgegen der Auffassung des FA bedeutet daher die Rechtsprechung des BFH, soweit sie die Steuerfreiheit der Zinsen aus eigenen Schuldverschreibungen an die Voraussetzung des Erwerbs und des Haltens zur Kurspflege knüpft, keine Erweiterung, sondern eine Einschränkung der Steuerfreiheit (BFH-Urteile vom 28. Januar 1958 I 15/57 U, BFHE 66, 297, BStBl III 1958, 115; vom 21. August 1961 I 188/60 U, BFHE 74, 65, BStBl III 1962, 27).

Der Senat braucht nicht abschließend zu prüfen, ob die Steuerfreiheit der Zinsen aus eigenen Schuldverschreibungen zu versagen wäre, wenn damit wegen der Besonderheit dieser Zinsen als "sich selbst geschuldet" der Zweck der Steuerfreiheit gänzlich verfehlt würde. Denn diese Voraussetzung ist nicht erfüllt. Sinn und Zweck der genannten Vorschriften über die Steuerfreiheit bestimmter Zinsen ist es, den jeweiligen Inhaber der Schuldverschreibungen dafür, daß er Geld für steuerbegünstigte Zwecke zur Verfügung stellt, mit einer marktgerechten Rendite zu belohnen. Diese Belohnung verdient aber auch die Hypothekenbank, die eigene Schuldverschreibungen erwirbt. Denn nunmehr ist sie es, die aus freien Mitteln (§ 5 Abs. 2 des Hypothekenbankgesetzes a. F.) Geld für die steuerbegünstigten Zwecke zur Verfügung stellt. Zutreffend weist die Klägerin darauf hin, daß es nicht gerechtfertigt wäre, die Steuerfreiheit der Zinsen jedem Inhaber der Schuldverschreibungen zu gewähren, nur nicht der Hypothekenbank, wenn sie selbst Inhaberin ihrer eigenen Schuldverschreibungen ist.

3. Auf den Streitfall angewandt bedeuten diese Grundsätze, daß die Zinsen aus den eigenen Schuldverschreibungen der Klägerin steuerfrei sind. Dem Urteil des FG ist nicht zu entnehmen, daß die Absicht der Klägerin, die eigenen Schuldverschreibungen wieder in Verkehr zu bringen, in den Streitjahren ausgeschlossen war.

Das gleiche gilt für die Zinsen aus Schuldverschreibungen der Klägerin, die deren Mehrheitsgesellschafterin hielt, oder für die Zinsen aus Schuldverschreibungen der Mehrheitsgesellschafterin der Klägerin, die die Klägerin hielt. Aus dem Tatbestand des angefochtenen Urteils geht nicht klar hervor, welche Zinsen hier das FA der Besteuerung unterworfen hat. Der Senat braucht diese Frage nicht näher zu prüfen, er kann auch offenlassen, wem die Schuldverschreibungen der Klägerin, die deren Mehrheitsgesellschafterin hielt, und die Schuldverschreibungen der Mehrheitsgesellschafterin der Klägerin, die die Klägerin hielt, zuzurechnen sind. Wären die Schuldverschreibungen der Klägerin, die deren Mehrheitsgesellschafterin hielt, der Klägerin zuzurechnen, wie das FA angenommen hat, so wären es eigene Schuldverschreibungen, deren Zinsen nach den Ausführungen unter Nr. 1 und 2 steuerfrei sind. Wären sie dagegen der Mehrheitsgesellschafterin der Klägerin zuzurechnen und hätte die Klägerin - entsprechend ihrer eigenen Handhabung - Zinsen aus den von ihr gehaltenen Schuldverschreibungen der Mehrheitsgesellschafterin vereinnahmt, so wären diese schon deshalb steuerfrei, weil es sich um Zinsen aus fremden Schuldverschreibungen handelte.

 

Fundstellen

Haufe-Index 71811

BStBl II 1976, 358

BFHE 1976, 14

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