3.1 Die einzelnen Besteuerungstatbestände (S. 1)

3.1.1 Veräußerung von Anteilen an Körperschaften (S. 1 Nr. 1)

 

Rz. 214

Gem. § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 S. 1 EStG gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an Körperschaften i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 EStG. § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 S. 2 EStG stellt klar, dass zu den Anteilen an Körperschaften i. S. d. § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 S. 1 EStG auch Genussrechte i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 EStG, den Anteilen i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 EStG ähnliche Beteiligungen und Anwartschaften auf Anteile i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 EStG zählen.

 

Rz. 215

Zu den Anteilen an Körperschaften i. S. d. § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 S. 1 EStG gehören sämtliche Anteile an den in § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 EStG ausdrücklich genannten Körperschaften. Dies sind AG, GmbH, Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften und bergbautreibende Vereinigungen, die die Rechte einer juristischen Person haben (Rz. 95ff.). Ferner erfasst § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 S. 1 EStG die Veräußerung von Anteilen an Körperschaften, die in § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 EStG zwar nicht ausdrücklich genannt, den dort beschriebenen Körperschaften aber strukturell vergleichbar sind (Rz. 100ff.). Der Anwendungsbereich des § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 S. 1 EStG ist nicht auf inl. Körperschaften beschränkt. Sofern eine strukturelle Vergleichbarkeit besteht, wird auch die Veräußerung von Anteilen an ausl. Körperschaften von § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 S. 1 EStG erfasst.

 

Rz. 216

Bei Genussrechten handelt es sich um Kapitalüberlassungen an Körperschaften auf ausschließlich schuldrechtlicher Rechtsgrundlage. Eine Beteiligung am Grundkapital einer Körperschaft vermitteln Genussrechte nicht, weshalb sie auch keine Gesellschafterstellung begründen. Mangels konkreter gesetzlicher Vorgaben können Genussrechte unterschiedlich ausgestaltet sein. Voraussetzung für das Vorliegen eines Genussrechts ist aber stets, dass das Genussrecht seinem Inhaber Vermögensrechte gewährt, die auch einem Gesellschafter zustehen (Rz. 105). Genussrechte fallen unter § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 EStG, wenn der aus dem Genussrecht Verpflichtete eine Kapitalgesellschaft ist und das Genussrecht dem Inhaber sowohl eine Beteiligung am Gewinn als auch am Liquidationserlös vermittelt (eigenkapitalähnliche Genussrechte).[1] Der Gewinn aus der Veräußerung des Genussrechts unterliegt in diesem Fall der Besteuerung nach § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 S. 2 EStG. Fehlt es an einer Beteiligung am Gewinn und am Liquidationserlös, fallen Genussrechte als zeitlich begrenzte Überlassung von Kapitalvermögen zur Nutzung unter § 20 Abs. 1 Nr. 7 S. 1 EStG (fremdkapitalähnliche Genussrechte).[2] Der Gewinn aus der Veräußerung des Genussrechts ist dann nach § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 EStG zu versteuern.

 

Rz. 217

Zu den Beteiligungen, die den Anteilen an Körperschaften i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 EStG ähnlich sind, gehören alle Beteiligungen an Körperschaften, die in § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 EStG zwar nicht ausdrücklich genannt, diesen aber strukturell vergleichbar sind, z. B. Anteile an einer Vorgesellschaft, nicht hingegen Anteile an einer Vorgründungsgesellschaft.[3] Strukturelle Vergleichbarkeit erfordert, dass die infrage stehende Körperschaft bei einer Gesamtbetrachtung der einschlägigen rechtlichen Bestimmungen und der getroffenen Vereinbarungen eine körperschaftliche Organisationsstruktur aufweist und die an ihr bestehenden Mitgliedschaftsrechte eine kapitalmäßige Beteiligung vermitteln.[4] Die Veräußerung von Anteilen an Körperschaften, die in § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 EStG zwar nicht ausdrücklich genannt, den dort beschriebenen Körperschaften aber strukturell vergleichbar sind, wird bereits durch die Bezugnahme des § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 S. 1 EStG auf § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 EStG erfasst. Die Erwähnung der ähnlichen Beteiligungen in § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 S. 2 EStG hat daher lediglich klarstellende Bedeutung. Der Anwendungsbereich des § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 S. 1 EStG wird dadurch nicht über den des § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 EStG hinaus ausgeweitet.

 

Rz. 218

Unter einer Anwartschaft ist im allgemeinen Sprachgebrauch die begründete Aussicht auf den Erwerb einer tatsächlichen oder rechtlichen Position zu verstehen.[5] Hat sich die Aussicht auf den Erwerb der Rechtsposition soweit verdichtet, dass dem Berechtigten die Rechtsposition nicht mehr entzogen werden kann, spricht man zivilrechtlich von einem Anwartschaftsrecht.[6] Die Frage, ob für den Begriff "Anwartschaft" i. S. d. § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 S. 2 EStG auf den allgemeinen oder den zivilrechtlichen Sprachgebrauch zurückgegriffen werden muss, ist derzeit ungeklärt. U. E. umfasst der Begriff "Anwartschaft" i. S. d. § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 S. 2 EStG in Anknüpfung an den allgemeinen Sprachgebrauch sämtliche dinglichen und schuldrechtlichen Ansprüche auf den Erwerb eines Anteils an einer Körperschaft i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 EStG.[7] Eine Einschränkung ist lediglich insofern zu machen, als unter Anwartschaften i. S. d. § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 S. 2 EStG nur solche Ansprüche fallen, die sich gegen die Körperschaft selbst richten (vertikale Anwarts...

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