Rz. 59

Für die Frage, welche steuerbare Tätigkeit den Einkünften aus Kapitalvermögen i. S. d. § 20 EStG zugrunde liegt, ist zwischen den laufenden Erträgen des Kapitalvermögens i. S. d. § 20 Abs. 1 EStG und den Gewinnen aus der Veräußerung von Kapitalvermögen i. S. d. § 20 Abs. 2 EStG zu differenzieren und jeweils von den Grundtatbeständen der Einkünfteerzielung in diesen Vorschriften auszugehen.

 

Rz. 60

Die Grundtatbestände der Einkünfteerzielung bei den laufenden Erträgen des Kapitalvermögens i. S. d. § 20 Abs. 1 EStG sind die entgeltliche Überlassung von Kapitalvermögen zur Nutzung, wie sie im Grundfall des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG zum Ausdruck kommt, und die gewinnbringende Beteiligung am Vermögen einer Körperschaft, wie sie Gegenstand der Besteuerung im Grundfall des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG ist.[1] Unter Überlassung von Kapitalvermögen zur Nutzung i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG ist die fortdauernde Gewährung der Nutzung des überlassenen Kapitalvermögens zu verstehen, die sich darin äußert, dass der Stpfl. einen Anspruch auf Rückzahlung des Kapitalvermögens besitzt. Gegenstand der Besteuerung im Grundtatbestand des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG ist damit das Innehaben einer auf die Rückzahlung von Kapitalvermögen gerichteten Forderung (Innehaben einer Kapitalforderung).[2] Bei einer Beteiligung am Vermögen einer Körperschaft i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG kann eine Überlassung von Kapitalvermögen zur Nutzung dagegen nicht angenommen werden, da für eine Überlassung i. S. einer fortdauernden Gewährung der Nutzung des überlassenen Kapitalvermögens ein Anspruch auf Rückzahlung des Kapitalvermögens fehlt. Der Gesellschafter einer Körperschaft verliert das Kapitalvermögen mit der Übertragung auf die Körperschaft endgültig, ohne im Gegenzug einen Anspruch auf Rückzahlung zu erhalten.[3] Gegenstand der Besteuerung im Grundtatbestand des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG ist damit letztlich die Beteiligung am Vermögen einer Körperschaft (Innehaben einer Kapitalbeteiligung).[4] Hiervon ausgehend lassen sich die übrigen Tatbestände des § 20 Abs. 1 EStG als Unterfälle dieser Grundtatbestände beschreiben. Auch in den Fällen des § 20 Abs. 1 Nr. 4 Alt. 2, Nr. 5, Nr. 6 und Nr. 8 EStG besteht die steuerbare Tätigkeit im Innehaben einer Kapitalforderung. Gegenstand der Besteuerung in den Fällen des § 20 Abs. 1 Nr. 2, Nr. 4 Alt. 1, Nr. 9 und Nr. 10 EStG ist dagegen das Innehaben einer Kapitalbeteiligung. Eine Sonderstellung kommt § 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG zu, der Stillhalterprämien, die der Stpfl. für die Einräumung von Optionen vereinnahmt, der Besteuerung unterwirft. Bei der Einräumung von Optionen handelt es sich weder um eine Überlassung von Kapitalvermögen zur Nutzung, noch vermittelt eine Option eine Beteiligung am Vermögen einer Körperschaft. Gegenstand der Besteuerung ist vielmehr die fortdauernde Bindung des Stillhalters an das Optionsrecht (Verpflichtung aus einem Optionsgeschäft). Insgesamt betrachtet beschreibt § 20 Abs. 1 EStG danach drei Grundtatbestände der Einkünfteerzielung und in Anknüpfung an diese Grundtatbestände eine Reihe von Unterfällen. Diese Beschreibung ist abschließend.[5]

 

Rz. 61

Bei den Gewinnen aus der Veräußerung von Kapitalvermögen i. S. d. § 20 Abs. 2 EStG sind die Grundtatbestände der Einkünfteerzielung in der Veräußerung einer Kapitalforderung, wie sie im Grundfall des § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 EStG zum Ausdruck kommt, und in der Veräußerung einer Kapitalbeteiligung, wie sie Gegenstand der Besteuerung im Grundfall des § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EStG ist, zu erblicken. Ausgehend von diesen beiden Grundtatbeständen lassen sich die übrigen Tatbestände des § 20 Abs. 2 EStG als Unterfälle der Grundtatbestände beschreiben. Auch in den Fällen des § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, Nr. 4 Alt. 2, Nr. 5 und Nr. 6 EStG besteht die steuerbare Tätigkeit in der Veräußerung einer Kapitalforderung. Gegenstand der Besteuerung in den Fällen des § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 Alt. 1 und Nr. 8 EStG ist dagegen die Veräußerung einer Kapitalbeteiligung. Eine Sonderstellung nimmt § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 EStG ein, der Gewinne aus Termingeschäften der Besteuerung unterwirft. Bei einem Termingeschäft handelt es sich weder um eine Kapitalforderung noch um eine Kapitalbeteiligung. Steuerbare Tätigkeit ist vielmehr die Durchführung eines Termingeschäfts und die Vereinnahmung eines Barausgleichs[6] bzw. die Veräußerung eines Termingeschäfts.[7] Insgesamt betrachtet beschreibt § 20 Abs. 2 EStG danach vier Grundtatbestände der Einkünfteerzielung und anknüpfend an diese Grundtatbestände ebenfalls eine Reihe von Unterfällen. Auch diese Beschreibung ist abschließend.[8]

[1] BFH v. 16.12.1992, I R 32/92, BStBl II 1993, 399; Wassermeyer, in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 20 EStG Rz. B 27; Schlotter, in Littmann/Bitz/Pust, EStG, § 20 EStG Rz. 25ff.
[2] BFH v. 7.9.2005, VIII R 80/99, BFH/NV 2006, 57; Wassermeyer, in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 20 EStG Rz. B 30; Schlotter, in Littmann/Bitz/Pust, EStG, § 20 EStG Rz. 25ff.

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