Rz. 177a

Realteilung ist eine besondere Form der Auseinandersetzung über das Gesamthandvermögen einer Personengesellschaft. Entgegen der für Personengesellschaften (§§ 730ff. BGB) bzw. für Personenhandelsgesellschaften (§§ 145, 161 HGB) vorgesehenen Auseinandersetzung,

  • Veräußerung des aktiven Vermögens,
  • Tilgung der Gesellschaftsschulden,
  • Rückzahlung der Einlagen
  • sowie schließlich Verteilung des verbleibenden Überschusses,

werden bei der Realteilung – ausschließlich oder jedenfalls auch – vorhandene aktive und passive Wirtschaftsgüter des Gesamthandvermögens zwischen den Gesellschaftern verteilt (Rz. 200c). Der Begriff "Realteilung" ist lediglich deskriptiver Natur. Einerseits bliebe daher die Regelung in § 16 Abs. 3 S. 2 EStG inhaltlich unverändert, wenn der Gesetzgeber anstelle des Begriffs "Realteilung" den Begriff "Aufgabe einer Mitunternehmerschaft" oder ganz untechnisch "Auflösung einer Mitunternehmerschaft" verwendet hätte. Andererseits kann damit aber auch die Rspr. und mit ihr die Finanzverwaltung den Begriff inhaltlich neu bestimmen, indem etwa durch eine in den Jahren 2015 bis 2019 erfolgte Differenzierung in "echte" und "unechte" Realteilung Konstellationen neu unter die Regelung des § 16 Abs. 3 EStG gefasst werden.[1]

Seit der in 2015 geänderten Rspr. wird der Aspekt der Aufgabe als Voraussetzung der durch die Möglichkeit der Buchwertfortführung privilegierten Realteilung eng ausgelegt: Weder die Fortführung der verbleibenden Mitunternehmerschaft als solche oder als Einzelunternehmen, noch die betriebliche Verwendung der real geteilten Wirtschaftsgüter und Teilbetriebe beim ehemaligen Gesellschafter steht einer Anwendung des § 16 Abs. 3 EStG grundsätzlich entgehen.[2]

Die von der Rspr.[3] vorgenommene Differenzierung zwischen einer "echten" Realteilung und einer "unechten" Realteilung hat, abgesehen von Überführungen von Wirtschaftsgütern in das Privatvermögen[4], keine materiell-rechtliche Bedeutung und dient der Darstellung der nunmehr erfassten Fallgruppen; konsequenterweise nivelliert die Finanzverwaltung in ihrem Realteilungs-Erlass v. 19.12.2018 in Rz. 4 diese unnötige begriffliche Komplizierung weitgehend. Die "echte" Realteilung liegt vor, wenn die Mitunternehmerschaft insgesamt endet; die "unechte" Realteilung betrifft den Fall, wenn (mindestens) ein Mitunternehmer unter Mitnahme von mitunternehmerischem Vermögen aus einer zwischen den übrigen Mitunternehmern fortbestehenden Mitunternehmerschaft ausscheidet. Beide Fälle werden gleichbehandelt; für die "unechte" Realteilung sieht der Realteilungserlass jedoch eine Übergangsregelung vor.[5]

 

Rz. 177b

Die steuerrechtliche Regelung der Realteilung in § 16 Abs. 3 S. 2–4, Abs. 5 EStG beruht in den wesentlichen Grundzügen auf dem Gesetz v. 20.12.2001[6]. Sie ermöglicht – und ordnet an – eine steuerneutrale Übertragung von Betriebsvermögensteilen der Mitunternehmerschaft in ein Betriebsvermögen des Realteilers, also des empfangenden Mitunternehmers, durch Fortführung der Buchwerte, sofern die Besteuerung der stillen Reserven sichergestellt ist (§ 16 Abs. 3 S. 2 EStG). Übertragen werden können im Zuge der Realteilung nicht nur Teilbetriebe und Mitunternehmeranteile, sondern auch einzelne Wirtschaftsgüter. Nach der Vorgängerregelung in § 16 Abs. 3 S. 2 EStG i. d. F. des Gesetzes v. 24.3.1999[7] war eine Buchwertfortführung bei Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern ausgeschlossen. Vor 1999 waren Realteilungsvorgänge steuerrechtlich nicht geregelt, sondern lediglich von der Rspr. im Wege der Rechtsfortbildung als mögliche Form einer steuerneutralen Umstrukturierung von Personengesellschaften mit Bewertungs-Wahlrecht zugelassen[8]: jedoch auch damals bereits unter Einschluss der Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern. Soweit die heutigen Regelungen mit den vor 1999 geltenden Grundsätzen der Realteilung übereinstimmen, kann auf die frühere Rspr. zurückgegriffen werden.

 

Rz. 177c

Die Regelung der Realteilung in § 16 Abs. 3 S. 2 EStG steht hinsichtlich der Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern, teilweise auch hinsichtlich der Übertragung von Teilbetrieben oder Mitunternehmeranteilen[9], in Konkurrenz zu § 6 Abs. 5 S. 1 und 3 Nr. 1 und 2 EStG; dies ist der Fall, soweit es die Übertragung aus dem Gesamthandvermögen einer Mitunternehmerschaft in das Betriebsvermögen eines der Mitunternehmer (§ 6 Abs. 5 S. 3 Nr. 1 2. Alt. EStG) oder die Übertragung aus dem Gesamthandvermögen einer "anderen" Mitunternehmerschaft in ein anderes Sonderbetriebsvermögen eines Mitunternehmers der ersteren Mitunternehmerschaft (§ 6 Abs. 5 S. 3 Nr. 2 2. Alt. EStG) betrifft. Die Überführung von Wirtschaftsgütern des Sonderbetriebsvermögens eines Mitunternehmers in ein anderes (Sonder-)Betriebsvermögen desselben Mitunternehmers ist ebenfalls nicht Bestandteil einer Realteilung und richtet sich nach den Grundsätzen des § 6 Abs. 5 S. 2 EStG.[10]

Der Unterschied besteht darin, dass die Regelung des § 16 EStG Vorgänge betrifft, die Teil einer Realteilung, also der Betriebsaufgabe der betei...

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