Rz. 35

Die Umqualifizierung tritt nicht ein, wenn die Kapitalgesellschaft das Fremdkapital bei sonst gleichen Umständen auch von einem fremden Dritten hätte erhalten können. Die Kapitalgesellschaft soll durch § 8a nicht gezwungen werden, Fremdkapital von Dritten aufzunehmen, weil die Safe-haven-Grenze bereits erreicht ist. Würde auch ein fremder Dritter das Fremdkapital geben, gibt es keinen rechtfertigenden Grund, Vergütungen für Gesellschafter-Fremdkapital wie Gewinnausschüttungen zu behandeln. Der Tatbestand enthält die unwiderlegbare Vermutung, daß die Gesellschafter-Fremdfinanzierung dann keine mißbräuchliche Umgehung des Anrechnungsverfahrens darstellt.

Der Tatbestand dieser Ausnahmeregelung besteht aus unbestimmten Rechtsbegriffen, deren Konkretisierung in der Praxis erhebliche Schwierigkeiten bereiten dürfte.

 

Rz. 36

Der Ausnahmetatbestand liegt vor, wenn ein fremder Dritter das Fremdkapital gegeben hätte. "Fremder Dritter" ist eine Person, die nicht, auch nicht nur unwesentlich, an der Kapitalgesellschaft beteiligt ist. Außerdem darf der Dritte keine "nahestehende Person" sein, d. h. keine konzernangehörige Gesellschaft. Als "Dritter" in Betracht kommen regelmäßig Banken.

 

Rz. 37

Der Dritte hätte das Fremdkapital "bei sonst gleichen Umständen" geben müssen. Diesem Tatbestandsmerkmal kommt wesentliche Bedeutung zu. Es ist zu ermitteln, ob ein Dritter das Fremdkapital unter Berücksichtigung der Höhe des aufgenommenen Fremdkapitals, des Verschuldungsgrades, der Gewinnaussichten, der gebotenen Sicherheiten usw. zur Verfügung gestellt hätte. Maßgebend ist der Zeitpunkt, zu dem das Gesellschafter-Fremdkapital hingegeben wurde (Unterzeichnung des Darlehensvertrages). Es genügt nicht, daß das Fremdkapital von einem Dritten unter anderen Umständen als das Gesellschafter-Fremdkapital (z. B. bei höheren Sicherheiten) gegeben worden wäre. Ebenfalls nicht ausreichend ist es, wenn der Dritte das Fremdkapital bei Sicherheiten durch den Anteilseigner oder eine nahestehende Person gegeben hätte; diese Fälle sind durch S. 2 der Gesellschafter-Fremdfinanzierung gleichgestellt (vgl. Rz. 52ff.) und können daher den Ausnahmetatbestand nicht erfüllen.

Ohne Bedeutung ist dagegen die Vergütung; der Ausdruck "bei sonst gleichen Umständen" bezieht sich also nicht auf die Höhe des Zinssatzes. Ist der Zinssatz für das Gesellschafter-Fremdkapital höher als marktüblich, hätte zwar auch ein fremder Dritter dieses Kapital zu dem hohen Zinssatz zur Verfügung gestellt; anstelle des § 8a greifen aber die Regeln über die verdeckte Gewinnausschüttung ein, die zu gleichen Ergebnissen führen[1]. Ist die Vergütung niedriger als marktüblich, hätte zwar ein Dritter u. U. das Fremdkapital wegen des zu niedrigen Zinses nicht zur Verfügung gestellt; die Gesellschafter-Fremdfinanzierung führt dann aber zu geringeren Betriebsausgaben als die Finanzierung durch Dritte, so daß keine mißbräuchliche Gesellschafter-Fremdfinanzierung vorliegt und eine Umqualifizierung daher nicht gerechtfertigt ist[2].

Maßgebender Zeitpunkt für den Drittvergleich ist der Zeitpunkt der Hingabe des Gesellschafter-Fremdkapitals[3].

 

Rz. 38

Schließlich liegt der Ausnahmetatbestand nur vor, wenn der Dritte das Fremdkapital auch tatsächlich gegeben hätte. Hier muß ein hypothetischer Geschehensverlauf ermittelt werden, was praktisch Schwierigkeiten bereiten kann. Es ist zu ermitteln, zu welchen Bedingungen und unter welchen Umständen Dritte (i. d. R. Banken) zu dem Zeitpunkt der Hingabe des Gesellschafter-Darlehens Kredite vergeben haben.

Die objektive Beweislast für das Vorliegen der Tatbestandsmerkmale des Ausnahmetatbestandes trägt die Kapitalgesellschaft (allgemein zur Verteilung der Beweislast bei § 8a vgl. Rz. 66). Die Regel ist die Umqualifizierung der Vergütungen bei Überschreiten des safe haven; soll die Umqualifizierung nicht eintreten, muß der Steuerpflichtige darlegen, daß die Merkmale des Ausnahmetatbestandes vorliegen; bei Nichtbeweisbarkeit trägt er die Folgen. Wichtig ist daher, rechtzeitig "Beweisvorsorge" zu treffen, indem zum Zeitpunkt der Hingabe des Gesellschafter-Darlehens Umstände dokumentiert werden, aus denen sich ergibt, daß auch ein Dritter zu diesem Zeitpunkt das Darlehen gegeben hätte. Diese Dokumentation kann aus Kreditangeboten von Banken, Veröffentlichungen über Kreditvergabeverhalten oder Parallel-Kreditgewährungen an andere (verbundene) Unternehmen bestehen.

[1] A. A. Köster, RIW 1994, 310, wonach § 8a die Regeln über die verdeckte Gewinnausschüttung verdrängt.
[2] Ebenso BMF v. 15.12.1994, IV B 7 — S 2742a — 63/94, BStBl I 1995, 25, Tz. 65; Frotscher, IStR 1994, 201; im Ergebnis ebenso Hey, RIW 1994, 221, 225; Meilicke, BB 1994, 11.
[3] A. A. BMF v. 15.12.1994, IV B 7 — S 2742a — 63/94, BStBl I 1995, 25, Tz. 61, wonach auf den Zeitpunkt abzustellen sein soll, zu dem das Gesellschafterdarlehen das zulässige Fremdkapital übersteigt.

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