11.1 Rechtsentwicklung

 

Rz. 306

§ 8 Nr. 4 GewStG regelt die Hinzurechnung von Gewinnanteilen bei einer KGaA. Die Regelung wurde durch Gesetz v. 1.12.1936[1] in das GewStG eingefügt. Seit dem GewStG i. d. F. der Bekanntmachung v. 15.10.2002[2] erfolgten keine Änderungen.

[1] RGBl I 1936, 979.
[2] BGBl I 2002, 4167.

11.2 Inhalt und Zweck der Vorschrift

 

Rz. 307

Nach § 8 Nr. 4 GewStG werden dem Gewinn aus Gewerbebetrieb i. S. d. § 7 S. 1 GewStG die Gewinnanteile, die an persönlich haftende Gesellschafter einer KGaA auf ihre nicht auf das Grundkapital gemachten Einlagen oder als Vergütung (Tantieme) für die Geschäftsführung verteilt worden sind, wieder hinzugerechnet, soweit sie bei der Ermittlung des Gewinns abgesetzt worden sind. Der Begriff "Gewinnanteil" erstreckt sich auch auf Verluste als negative Rechnungsgröße.

 

Rz. 308

Bei der KGaA handelt es sich zwar um eine Kapitalgesellschaft. Sie stellt aber eine Mischform zwischen einer Kapital- und einer Personengesellschaft dar. Nach § 278 Abs. 2, 3 AktG gilt für die persönlich haftenden Gesellschafter das Recht der KG, im Übrigen das Recht der AG. Die KGaA unterliegt nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG der KSt. Bei der Ermittlung des Einkommens wird nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 KStG der Teil des Gewinns, der an persönlich haftende Gesellschafter auf ihre nicht auf das Grundkapital gemachten Einlagen oder als Vergütung (Tantieme) für die Geschäftsführung verteilt wird, abgezogen. Dieser Teil des Gewinns führt bei den persönlich haftenden Gesellschaftern zu Einkünften nach § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 EStG. Daher vermeidet § 9 Abs. 1 Nr. 1 KStG die doppelte Erfassung dieser Einkünfte sowohl bei der KSt als auch bei der ESt.[1]

 

Rz. 309

§ 8 Nr. 4 GewStG ist die Korrekturvorschrift zu § 9 Abs. 1 Nr. 1 KStG.[2] Alle Aufwendungen, die nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 KStG bei der Ermittlung des Einkommens der KGaA abgezogen wurden, sind bei der Ermittlung des Gewerbeertrags der KGaA wieder hinzuzurechnen.[3] § 8 Nr. 4 GewStG geht dabei davon aus, dass der persönlich haftende Gesellschafter nicht der GewSt unterliegt. Vor diesem Hintergrund soll § 8 Nr. 4 GewStG sicherstellen, dass die von der KGaA erwirtschafteten Erträge auf der Ebene der KGaA der GewSt unterliegen.

 

Rz. 310

§ 8 Nr. 4 GewStG ist auch dann anzuwenden, wenn der persönlich haftende Gesellschafter – z. B. eine inl. Kapitalgesellschaft – mit seinen Einkünften aus der Beteiligung an der KGaA selbst der GewSt unterliegt.[4] Ein allgemeiner Grundsatz des Inhalts, dass eine Hinzurechnung ausgeschlossen ist, wenn sie zu einer Doppelbelastung mit GewSt führt, existiert zwar nicht. Eine Doppelbelastung der nach § 8 Nr. 4 GewStG hinzugerechneten Gewinnanteile mit GewSt wird aber durch die Kürzung beim persönlich haftenden Gesellschafter nach § 9 Nr. 2b GewStG vermieden. Die Hinzurechnung nach § 8 Nr. 4 GewStG erfolgt auch in den Fällen, in denen der an sich der GewSt unterliegende persönlich haftende Gesellschafter tatsächlich nicht mit GewSt belastet ist und die Kürzung nach § 9 Nr. 2b GewStG nur zu gewerbesteuerlichen Verlustvorträgen führt. Eine teleologische Reduktion von § 8 Nr. 4 GewStG kommt insoweit aufgrund des eindeutigen Wortlauts der Vorschrift nicht in Betracht.[5]

 

Rz. 311

Der Zweck von § 8 Nr. 4 GewStG besteht in der Ermittlung des objektiven, von den persönlichen Verhältnissen des Betriebsinhabers losgelösten Gewerbeertrags. § 8 Nr. 4 GewStG stellt sicher, dass auf der Ebene der KGaA die von ihr erwirtschafteten Erträge der GewSt unterliegen.

 

Rz. 312

Verfassungsrechtliche Bedenken gegen § 8 Nr. 4 GewStG bestehen nicht.[6] Das Konzept der Hinzurechnung und Kürzung von Gewinnanteilen bei der KGaA und ihrem persönlich haftenden Gesellschafter in §§ 8 Nr. 4, 9 Nr. 2b GewStG trägt dem Leistungsfähigkeitsprinzip hinreichend Rechnung. Eine teleologische Reduktion des § 8 Nr. 4 GewStG dahingehend, dass die Vorschrift keine Anwendung finden soll, wenn eine Kürzung nach § 9 Nr. 2b GewStG auf der Ebene des persönlich haftenden Gesellschafters tatsächlich zu keiner steuerlichen Berücksichtigung des Aufwands führen würde, ist ausgeschlossen.[7]

[1] RFH v. 21.12.1937, I 251/37, RStBl 1938, 334.
[3] Roser, in Lenski/Steinberg, GewStG, § 8 Nr. 4 GewStG Rz. 3.
[4] BFH v. 6.10.2009, I R 102/06, BFH/NV 2010, 462; Roser, in Lenski/Steinberg, GewStG, § 8 Nr. 4 GewStG Rz. 4; Güroff, in Glanegger/Güroff, GewStG, 10. Aufl. 2021, § 8 Nr. 4 GewStG Rz. 2; Hofmeister, in Brandis/Heuermann, Ertragsteuerrecht, § 8 GewStG Rz. 541; Gosch, FR 1991, 345; a. A. Graf, DStR 1991, 1374; Bacher, DB 1985, 2117; Schnädter, FR 1985, 659.
[5] Roser, in Lenski/Steinberg, GewStG, § 8 Nr. 4 GewStG Rz. 4; Hofmeister, in Brandis/Heuermann, Ertragsteuerrecht, § 8 GewStG Rz. 541; Güroff, in Glanegger/Güroff, GewStG, 10. Aufl. 2021, § 8 Nr. 4 GewStG Rz. 6; FG Köln v. 17.8.2006, 6 K 6170/03, EFG 2006, 1823; BFH v. 6.10.2009, I R 102/06, BFH/NV 2010, 462; a. A. Schmincke/Heuel, FR 2004, 861.

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