Leitsatz

Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Arrest­anordnung sind auch im Rahmen einer Fortsetzungsfeststellungsklage diejenigen Umstände maßgebend, die aus der Sicht der letzten mündlichen Verhandlung im Zeitpunkt des Erlasses der Arrestanordnung tatsächlich vorgelegen haben.

 

Normenkette

§ 100 Abs. 1 Satz 4 FGO, § 324 Abs. 1 AO

 

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH, war in der Baubranche tätig. Ihr alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer war in den Jahren 2007 bis 2009 (Streitjahre) RM.

Im April 2013 wurde gegen RM ein Steuerstrafverfahren u.a. wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung zugunsten der Klägerin eingeleitet. Mit Bescheid vom 28.8.2013 ordnete das FA gemäß § 324 AO zur Sicherung seiner Steueransprüche den dinglichen Arrest in das Vermögen der Klägerin an. Es sei zu befürchten, dass Vorkehrungen zur Vermögensverschiebung jeglicher Art getroffen würden.

Gegen die Arrestanordnung legte die Klägerin Einspruch ein. Das FA erließ gegen die Klägerin am 6.11.2013 Steuerbescheide für die Streitjahre. Nachdem das FA erklärt hatte, das Arrestverfahren habe sich durch den Erlass der Änderungsbescheide erledigt, hat die Klägerin vor dem FG Klage auf Feststellung erhoben, dass die Arrestanordnung des FA rechtswidrig gewesen sei.

Das FG (FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 13.10.2016, 10 K 10324/14, Haufe-Index 10128333, EFG 2017, 186) gab der Klage statt. Es entschied, die von der Klägerin erhobene Fortsetzungsfeststellungsklage sei zulässig. Das Feststellungsinteresse der Klägerin sei aufgrund einer von ihr beabsichtigten Schadensersatzklage gegen das Land Brandenburg zu bejahen. Die Klage sei auch begründet, da die Arrestanordnung rechtswidrig gewesen sei. Es fehle jedenfalls an einem Arrestgrund. Es lägen insbesondere keine konkreten Anhaltspunkte für eine Verlagerung von Vermögen ins Ausland vor.

Soweit der Vertreter des FA in der mündlichen Verhandlung vorgetragen habe, dass die Klägerin im April 2014 ihre Betriebseinrichtung, ihr Anlagevermögen und ihren Kundenstamm für 635.000 EUR an die Y-GmbH veräußert habe, wobei der Kaufpreis durch Übernahme von Verbindlichkeiten der Klägerin gegenüber RM erbracht worden und lediglich ein Restbetrag von 15.000 EUR fällig und zahlbar sei, so führe dies zu keiner anderen Beurteilung. Im Fall der Fortsetzungsfeststellungsklage seien die nach Erledigung der Arrestanordnung (6.11.2013) eingetretenen Umstände nicht in die Beurteilung des Arrestgrundes einzubeziehen.

 

Entscheidung

Der BFH hob die Vorentscheidung auf und verwies die Sache an das FG zurück. Die Fortsetzungsfeststellungsklage sei zulässig. Das FG müsse die nach Erledigung der Arrestanordnung eingetretenen Umstände bei seiner Beurteilung berücksichtigen.

 

Hinweis

Arrestanordnungen erledigen sich häufig, bevor die Finanzgerichte über ihre Rechtmäßigkeit entscheiden können.

1. Eine auch nach Erledigung der Arrestanordnung mögliche Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 100 Abs. 1 Satz 4 FGO) setzt u.a. voraus, dass der Kläger ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung hat. Wenn die Feststellung dazu dienen soll, Schadensersatzansprüchen vor den Zivilgerichten geltend zu machen, muss die Schadensersatzklage anhängig oder mit hinreichender ­Sicherheit zu ­erwarten sein, dass die finanzgerichtliche Entscheidung für das zivilgerichtliche Urteil nicht unerheblich und die Rechtsverfolgung vor dem Zivilgericht nicht offensichtlich aussichtslos ist (vgl. BFH, Urteil vom 22.7.2008, VIII R 8/07, BFH/NV 2008, 1956, BFH/PR 2008, 526, BStBl II 2008, 941, Rz. 16). Die Kostenentscheidung des FG kann diese Frage nicht beantworten, wenn im Zeitpunkt der Erledigung einer Arrest­anordnung noch keine Anfechtungsklage anhängig war (vgl. Tormöhlen, in Gosch, AO/FGO, § 324 AO Rz. 67).

2. Gemäß § 324 Abs. 1 AO setzt ein Arrest in das bewegliche oder unbewegliche Vermögen einen Arrestanspruch (die zu sichernde Geldforderung) und einen Arrestgrund voraus, die mit einem hinreichenden Maß an Wahrscheinlichkeit vorliegen müssen (vgl. BFH, Beschluss vom 26.2.2001, VII B 265/00, BFH/NV 2001, 824, BStBl II 2001, 464; BFH, Beschluss vom 6.2.2013, XI B 125/12, BFH/NV 2013, 615, BFH/PR 2013, 166, BStBl II 2013, 983, Rz. 28).

a) Abzustellen ist im Rahmen der Beurteilung zwar auf den Zeitpunkt des Erlasses der Arrestanordnung (BFH, Urteil vom 10.3.1983, V R 143/76, Haufe-Index 74608, BStBl II 1983, 401).

b) Die Tatsachen, die den Arrestgrund im Zeitpunkt des Ergehens der Arrestanordnung belegen, können allerdings erweitert oder ersetzt werden. Es genügen nach Erlass der Arrestanordnung entstandene Tatsachen, die den zwingenden Schluss rechtfertigen, dass eine konkrete Gefahr der Vollstreckungserschwerung oder -vereitelung bereits im Zeitpunkt des Ergehens der Arrestanordnung gegeben war (BFH, Urteil vom 10.3.1983, V R 143/76, Haufe-Index 74608, BStBl II 1983, 401, Rz. 13). Dies gilt auch im Falle der Fortsetzungsfeststellungs­klage.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 17.10.2018 – XI R 35/16

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