Entscheidungsstichwort (Thema)

Fortsetzungsfeststellungsklage wegen Rechtmäßigkeit einer bereits erledigten Arrestanordnung: Zulässigkeit, Anforderungen an Darlegung eines Arrestgrundes, keine Berücksichtigung erst nach Erlass der Arrestanordnung eingetretener tatsächlicher Umstände

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Auch wenn sich eine Arrestanordnung mit dem Eintritt der Vollstreckbarkeit der zugrundeliegenden Bescheide und somit der Überleitung des Arrestverfahrens in das Beitreibungsverfahren schon vor Klageerhebung erledigt hat, ist das für eine zulässige Fortsetzungsklage betreffend die Arrestanordnung erforderliche Feststellungsinteresse zu bejahen, wenn die Steuerpflichtige substantiiert geltend macht, eine Schadensersatzklage gegen das Bundesland erheben zu wollen, mit der sie den Ersatz der Rechtsanwaltskosten für die Vertretung im außergerichtlichen Verfahren gegen die Arrestanordnung erreichen will.

2. Ordnet die Finanzbehörde zur Sicherung der Vollstreckung von Geldforderungen gem. § 324 Abs. 1 AO den dinglichen Arrest in das bewegliche oder unbewegliche Vermögen an, so müssen Arrestanspruch (die zu sichernde Geldforderung) und Arrestgrund zwar nicht zur vollen Überzeugung des Gerichts feststehen, aber doch mit einem hinreichenden Maß an Wahrscheinlichkeit vorliegen.

3. Bei der Beurteilung des Vorliegens eines Arrestgrundes kommt es auf das objektive Gesamtbild aller Umstände an. Für sich alleine genommen, ohne konkrete Anhaltspunkte, genügen weder die allgemein schlechte Vermögenslage der Arrestschuldnerin noch die bloße Möglichkeit, dass die Arrestschuldnerin ihr Vermögen beiseiteschaffen könnte, noch der dringende Verdacht einer Steuerhinterziehung noch sonstige steuerliche Unzuverlässigkeit noch der Umstand, dass der Geschäftsführer der Arrestschuldnerin Ausländer ist und gegen ihn Steuerstrafverfahren eingeleitet worden sind, zur Begründung eines Arrestgrundes.

4. Die Tatsache, dass ein Steuerpflichtiger ggf. in steuerunehrlicher oder auch strafbarer Weise auf die Verringerung der Steuerlast gerichtete Aktivitäten entfaltet, lässt nicht ohne weitere Anhaltspunkte zwingend den Schluss zu, dass unmittelbar zu erwarten ist, dass der jeweilige Steuerpflichtige auch bereit und in der Lage ist, kurzfristig den bestehenden Zustand seines Vermögens zu verändern, um die künftige Zwangsvollstreckung zu vereiteln oder wesentlich zu erschweren.

5. Im Fall der Fortsetzungsfeststellungsklage betreffend eine Arrestanordnung ist es nicht möglich, die von der Finanzbehörde erst in der mündlichen Verhandlung vorgetragenen Umstände, die nach Erlass bzw. sogar erst nach Erledigung der Arrestanordnung eingetreten sind, in die Beurteilung des Arrestgrundes einzubeziehen. Abzustellen ist hier vielmehr auf die Verhältnisse zum Zeitpunkt des Erlasses der Arrestanordnung.

 

Normenkette

AO § 324 Abs. 1, § 5; FGO § 100 Abs. 1 S. 4

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 17.10.2018; Aktenzeichen XI R 35/16)

 

Tenor

Es wird festgestellt, dass die Arrestanordnung des Beklagten vom 28. August 2013 rechtswidrig war.

Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

 

Tatbestand

Im vorliegenden Verfahren begehrt die Klägerin die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Arrestanordnung vom 28. August 2013, mit der der dingliche Arrest in das Vermögen der Klägerin zur Sicherung der Körperschaftsteuer und der Solidaritätszuschläge zur Körperschaftsteuer für die Zeiträume 2007 bis 2009 in Höhe von insgesamt 216.955 EUR angeordnet wurde.

Die im Juni 2006 gegründete Klägerin ist in der Baubranche tätig (Anlagen-, Stahl- und Behälterbau). Alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer war im Streitzeitraum Herr B…. Die Klägerin unterhielt in den Streitjahren 2007 bis 2009 diverse Geschäftsbeziehungen mit der in Polen ansässigen und dem Vater ihres Geschäftsführers bis zum 19. November 2009 gehörenden und von ihm bis zu jenem Zeitpunkt geführten Firma C… Sp.zo.o. Im Jahr 2010 stellte die genannte Gesellschaft ihren Geschäftsbetrieb ein.

Nachdem der Beklagte die Klägerin für die Streitjahre zunächst erklärungsgemäß veranlagt hatte, wobei die Bescheide jeweils unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergingen, führte er ab 5. März 2013 bei dieser eine Außenprüfung für den Zeitraum 2006 bis 2011 hinsichtlich der Körperschaftsteuer, der Gewerbesteuer und der Investitionszulage durch.

Während der laufenden Außenprüfung wurde am 30. April 2013 durch die Steuerfahndungsstelle des Finanzamts D. gegen den Geschäftsführer der Klägerin, Herrn B…, ein Steuerstrafverfahren wegen des Verdachts der Körperschaft- und Gewerbesteuerhinterziehung sowie Hinterziehung von Solidaritätszuschlag zur Körperschaftsteuer für die Veranlagungszeiträume 2007 bis 2009 zu Gunsten der ...

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