Rz. 38

[Autor/Stand] Mitwirkungs- und Aufzeichnungspflichten. § 1 ist eine materielle Einkünfteberichtigungsvorschrift. Berührungspunkte ergeben sich zwischen § 1 und den erweiterten Mitwirkungspflichten im Kontext der Verrechnungspreisermittlung und -dokumentation. Im Ausgangspunkt ermittelt die Finanzbehörde gem. § 88 Abs. 1 Satz 1 AO den Sachverhalt von Amts wegen. Tatsächlich bedient sie sich jedoch zur Erfüllung dieser Pflicht der Mitwirkung der Steuerpflichtigen oder anderer beteiligter Personen. Die Mitwirkungspflicht kann sich als eine Offenlegungspflicht (§ 90 Abs. 1 Satz 2 AO), eine Beweismittelangabe- bzw. -beschaffungspflicht (§ 90 Abs. 1 Satz 2 AO) und/oder eine Aufzeichnungs- oder Dokumentationspflicht (§ 90 Abs. 3 AO) darstellen. Die Mitwirkungspflichten werden von einer Wahrheits- und Vollständigkeitspflicht überlagert. Speziell bei der Aufklärung von Sachverhalten, die außerhalb der Bundesrepublik Deutschland realisiert wurden, bestehen gem. § 90 Abs. 2 AO erweiterte Mitwirkungspflichten. Der BFH hatte durch Urteil vom 17.10.2001[2] festgestellt, dass es damals an einer Gesetzesgrundlage für die Anforderung spezieller Dokumentationspflichten außerhalb der normalen Buchführung fehlte. Darauf hat der Gesetzgeber in § 90 Abs. 3 AO und der GAufzV vom 13.11.2003[3] eine entsprechende Rechtsgrundlage geschaffen. Die deutschen steuerlichen Dokumentations- und Mitwirkungsvorschriften lassen sich wie folgt unterteilen:

  • allgemeine Mitwirkungspflicht nach § 90 Abs. 1 AO,
  • erweiterte Mitwirkungspflicht bei Auslandssachverhalten nach § 90 Abs. 2 AO,
  • spezielle Aufzeichnungspflichten für Geschäftsbeziehungen zu nahestehenden Personen im Ausland nach § 90 Abs. 3 AO,
  • länderbezogener Bericht multinationaler Unternehmensgruppen nach § 138a AO und
  • Mitteilung von Verrechnungspreisgestaltungen nach den §§ 138d ff. AO;[4]
  • spezielle Aufzeichnungspflichten im Anwendungsbereich des StAbwG:

Die verfahrensrechtlichen Bestimmungen werden durch eine Reihe an Verwaltungsanweisungen näher konkretisiert, besonders durch die Verwaltungsgrundsätze 2020.[5] Im Detail gehen die Ausführungen über die gesetzlichen Regelungen hinaus. Zu kritisieren ist in diesem Zusammenhang der Umfang vorlagepflichtiger Beweismittel, der auch Gutachten und Stellungnahmen zu Verrechnungspreisen beinhalten soll.[6] Die Mitwirkungspflicht begrenzt sich allerdings auf die Sachverhaltserklärung und schließt somit die (teilweise) Sachverhaltswürdigung – etwa im Wege von Begutachtungen – aus.[7]

 

Rz. 38.1

[Autor/Stand] Verschiedene Anwendungsebenen des § 1 und der Mitwirkungspflichten. Bei § 1 Abs. 1 handelt es sich um eine materiell-rechtliche Einkünftekorrekturvorschrift. Die Mitwirkungspflichten des § 90 Abs. 3 i.V.m. der GAufzV beziehen sich indessen auf einerseits die Sachverhaltsermittlung und andererseits die Frage, warum der Steuerpflichtige davon ausgeht, dass die von ihm ermittelten Verrechnungspreise dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechen. Die in § 90 Abs. 3 AO und der GAufzV angeordnete Erstellung einer Verrechnungspreisdokumentation ist damit die Grundlage der Prüfung von Verrechnungspreisen zwischen nahestehenden Personen durch die Finanzverwaltung. Zwar besteht dogmatisch keine Verbindung zwischen § 90 Abs. 3 AO und § 1 Abs. 1 (zum Verhältnis zur Schätzung gem. § 162 Abs. 3 AO s. die nachfolgende Rz. 38.2), jedoch ist faktisch die Wahrscheinlichkeit einer Verrechnungspreiskorrektur von den Ausführungen und der Qualität der Verrechnungspreisdokumentation abhängig. Praktisch ist daher zu empfehlen, eine systematisch aufgebaute Sachverhalts- und Angemessenheitsdokumentation zu erstellen und der Betriebsprüfung vorzulegen.

 

Rz. 38.2

[Autor/Stand] Schätzung nach § 162 Abs. 3 AO. § 162 Abs. 3 Satz 1 AO definiert eine widerlegbare Vermutung, dass die im Inland steuerpflichtigen Einkünfte höher als die erklärten Einkünfte sind, wenn keine Aufzeichnungen über einen Geschäftsvorfall gem. § 90 Abs. 3 AO vorgelegt werden oder die über einen Geschäftsvorfall vorgelegten Aufzeichnungen im Wesentlichen unverwertbar sind. Gleiches gilt, wenn festgestellt wird, dass der Steuerpflichtige Aufzeichnungen i.S.d. § 90 Abs. 3 Satz 8 nicht zeitnah erstellt hat. Wird daher keine Verrechnungspreisdokumentation vorgelegt oder ist diese im Wesentlichen unverwertbar, liegt es am Steuerpflichtigen, die Vermutung des § 90 Abs. 3 Satz 1 durch geeignete Unterlagen zu widerlegen. Gelingt dies, ist der Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 nicht eröffnet. Kann der Steuerpflichtige dagegen die Vermutung, dass die inländischen Einkünfte aufgrund unangemessener Verrechnungspreise zu gering erklärt wurden, nicht widerlegen, eröffnet § 162 Abs. 3 Satz 2 die Möglichkeit, eine Schätzung vorzunehmen. Der Rahmen der Schätzung – insbesondere aufgrund von Preisspannen – kann zulasten des Steuerpflichtigen ausgeschöpft werden. Auch bei einer solchen Schätzung benötigt die Finanzverwaltung eine materielle Rechtsgrundlage für die Verrechnungspreiskorrektur. Diese kann – neben der vGA und verdec...

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