Rz. 26

[Autor/Stand] Differenzierung zwischen Freistellungsbescheid und Freistellungsbescheinigung. Rechtsgrundlage der Erstattung i.S.d. Abs. 1 Satz 2 ist der Freistellungsbescheid (§ 50d Abs. 1 Satz 3). Hiervon streng zu unterscheiden ist die in § 50d Abs. 2 Satz 1 genannte Bescheinigung über die Voraussetzungen für eine Abstandnahme vom Steuerabzug, die sog. Freistellungsbescheinigung, der eine eigenständige Bedeutung zukommt. Diese Differenzierung war nicht immer klar.

 

Rz. 27

[Autor/Stand] Grundsatzurteil des BFH vom 11.10.2000. Bezüglich der Frage der Rechtsnatur und des Verhältnisses des Freistellungsbescheids und der Freistellungsbescheinigung i.S.d. Abs. 2 Satz 1 ist das BFH-Urteil vom 11.10.2000[3] von grundlegender Bedeutung. Mit diesem Urteil hat der BFH erstmals entschieden, dass es sich bei dem Freistellungsbescheid und der Freistellungsbescheinigung um grundverschiedene Verwaltungsakte handelt.

 

Rz. 28

[Autor/Stand] Freistellungsbescheid als Steuerbescheid. Dass es sich bei dem Freistellungsbescheid als Rechtsgrundlage der Steuererstattung um einen Steuerbescheid i.S.d. § 155 Abs. 1 Satz 3 AO handelt, war dabei unproblematisch. Die Qualifizierung als Steuerbescheid begründet sich daraus, dass in dem Freistellungsbescheid über die Höhe des unbesteuert bleibenden Teils der Vergütung – und damit zugleich des Erstattungsanspruchs – entschieden wird.[5] Damit war auch unproblematisch, dass der Freistellungsbescheid von allen für Steuerbescheide geltenden Regelungen erfasst wird, u.a. auch von den Regelungen über die Festsetzungsfrist (§§ 169 ff. AO).

 

Rz. 29

[Autor/Stand] Rechtsnatur der Freistellungsbescheinigung: Frühere Auffassung der Finanzverwaltung. Problematisch erwies sich hingegen die Rechtsnatur der Freistellungsbescheinigung i.S.d. § 50d Abs. 2 Satz 1 (seinerzeit noch in § 50d Abs. 3 a.F. geregelt). Das Bundeszentralamt für Steuern (seinerzeit noch Bundesamt für Finanzen) hatte in dem der BFH-Entscheidung vom 11.10.2000[7] zugrunde liegenden Fall den Antrag der (ausländischen) Vergütungsgläubigerin auf Erteilung einer Freistellungsbescheinigung abgelehnt, da er nach Ablauf der Festsetzungsfrist für die abzuführende Steuer gestellt worden war. Dabei ging das Bundeszentralamt für Steuern von folgenden Erwägungen aus, die seinerzeit die Verfahrenspraxis bestimmten: Das Freistellungsverfahren sei nicht ein neben dem Erstattungsverfahren stehendes selbständiges Verfahren. Die Freistellungsbescheinigung sei kein eigenständiger Verwaltungsakt. Die einzige rechtlich bedeutsame Entscheidung – diejenige über die Steuerfreistellung der jeweiligen Zahlungen – werde im Erstattungsverfahren getroffen; eine zusätzliche Entscheidung über die Befreiung des Zahlungsschuldners von der Abzugspflicht sei nicht vorgesehen. Die Freistellungsbescheinigung habe nur deklaratorischen Charakter; es handele sich um eine schlichte Benachrichtigung des Schuldners darüber, dass dem Gläubiger ein Freistellungsbescheid erteilt worden sei. Und da ein solcher nur dann ergehen könne, wenn er vor Ablauf der Festsetzungsfrist beantragt worden sei, komme nach Versäumung dieser Frist auch die Erteilung einer Freistellungsbescheinigung nicht mehr in Betracht. Das Bundeszentralamt für Steuern behandelte die Freistellungsbescheinigung lediglich als Reflex des Freistellungsbescheids und knüpfte deren Beantragung deshalb an eine Antragstellung vor Ablauf der Festsetzungsfrist.

 

Rz. 30

[Autor/Stand] Auffassung des BFH in seinem Grundsatzurteil: Freistellungsbescheinigung als Verwaltungsakt. Dieser Rechtsauffassung ist der BFH in seinem Urteil vom 11.10.2000[9] entgegengetreten. Hierin hat der BFH entschieden, dass die Freistellungsbescheinigung nicht nur nachrichtlichen, sondern Regelungscharakter hat, da sie den Zahlungsschuldner konstitutiv von der Abzugspflicht befreit. Die Freistellungsbescheinigung bewirkt, dass der Vergütungsschuldner den Steuerabzug unterlassen oder nach dem maßgeblichen niedrigeren Steuersatz vornehmen darf. Es handelt sich folglich um eine die Abzugspflicht beeinflussende Regelung. Der Freistellungsbescheinigung kommt somit ein eigenständiger Regelungsgehalt zu. Deshalb handelt es sich hierbei um einen Verwaltungsakt.[10] Allerdings enthält die Freistellungsbescheinigung keine abschließende Entscheidung über die sachliche Steuerpflicht der von ihr betroffenen Vergütung, da sie nur für die Abzugspflicht des Vergütungsschuldners von Bedeutung ist. Deshalb kommt ihr nicht der Charakter eines Steuerbescheids i.S.d. § 155 Abs. 1 Satz 3 AO zu. Bei der Freistellungsbescheinigung handelt es sich um einen nur die Abführungspflicht des Schuldners betreffenden Verwaltungsakt, der die Besteuerung des Vergütungsgläubigers nicht abschließend regelt und sich gerade hierdurch von dem Freistellungsbescheid unterscheidet.

 

Rz. 31

[Autor/Stand] Gesetzesänderung nach dem Grundsatzurteil des BFH. Diese Rechtsprechung führte zu einer Änderung des Gesetzes durch das Steueränderungsgesetz 2001,[12] die der Gesetzgeber als Klarstellung verst...

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