Rz. 59

[Autor/Stand] Verhältnis zu § 6. § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG 1995 i.V.m. § 27 Abs. 3 Satz 3 Satz 1 UmwStG verdrängt für einbringungsgeborene Anteile i.S.v. § 21 Abs. 1 Satz 1 UmwStG 1995 sowohl § 6 a.F. als auch § 6 i.d.F. des ATADUmsG.[2] § 6 Abs. 1 Satz 1 entfaltet nur "vorbehaltlich der Vorschriften des [...] Umwandlungsteuergesetzes" seine Wirkung. Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 3 a.F. "[bleiben] [...] die Vorschriften des Umwandlungsteuergesetzes [...] unberührt".[3] § 21 UmwStG 1995 zählt zum gültigen UmwStG (vgl. § 27 Abs. 3 Nr. 3 UmwStG).[4] Der BFH hatte sich bereits in seinen Entscheidungen vom 28.2.1990[5] und vom 8.4.1992[6] auf einen Vorrang des § 21 Abs. 2 UmwStG 1995 gegenüber § 6 AStG und anderen Entstrickungsvorschriften festgelegt.[7] In diesen Fällen war aber jeweils kein Tatbestand i.S.v. § 21 Abs. 2 UmwStG 1995 erfüllt. Insoweit blieb die Frage offen, ob allgemeine Entstrickungsvorschriften (wie z.B. § 4 Abs. 1 Satz 2, Satz 3 EStG, § 6 AStG) dann Anwendung finden könnten, wenn es sich zwar um einbringungsgeborene Anteile handelt, aber das fragliche Ereignis keinen Tatbestand des § 21 Abs. 1, Abs. 2 UmwStG 1995 verwirklicht (wie im Beispiel in Rz. 46). In Übereinstimmung mit der h.M. im Schrifttum[8] hat der BFH auch insoweit einen generellen Vorrang des § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG a.F. vor § 6 AStG bejaht:[9] In der Entscheidung des BFH vom 12.10.2011[10] ging es um eine Entnahme einbringungsgeborener Anteile aus dem steuerlichen Betriebsvermögen, die – auch nach Auffassung des beklagten Finanzamts – keinen Entstrickungstatbestand i.S.v. § 21 Abs. 2 UmwStG erfüllt. Das Finanzamt vertrat aber die Auffassung, dass nach allgemeinen Grundsätzen ein Entnahmegewinn (§ 4 Abs. 1 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 EStG) zu versteuern sei. Der BFH lehnte einen Entnahmegewinn jedoch ausdrücklich ab, da die Gewinnrealisierungsregeln des § 21 Abs. 1 und Abs. 2 UmwStG a.F. abschließend seien, auch wenn deren Tatbestandsvoraussetzungen nicht erfüllt sind. Im Einzelnen führt der BFH aus:[11]

„Des Weiteren stellt die schenkweise Übertragung der Geschäftsanteile auf die Klägerin begrifflich eine Entnahme i.S. von § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG 2002 dar. Denn dadurch hat der Kläger die Geschäftsanteile aus dem bisherigen betrieblichen Zusammenhang gelöst und in das Privatvermögen der Klägerin überführt.

Jedoch bewirkt die Entnahme nicht, dass der Kläger nach Maßgabe von § 4 Abs. 1 i. V. m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 EStG 2002 den Differenzbetrag zwischen den Anschaffungskosten der Geschäftsanteile und deren Teilwert zum Entnahmezeitpunkt als Entnahmegewinn zu versteuern hätte; vielmehr bleibt es bei dem Ansatz mit den Anschaffungskosten. Denn die Entnahmeregeln des Einkommensteuergesetzes sind auf die Geschäftsanteile der S-GmbH nicht anzuwenden, weil es sich bei diesen um einbringungsgeborene Anteile i.S. von § 21 Abs. 1 Satz 1 UmwStG 2002 handelt, für die die besonderen Gewinnrealisierungsregeln des § 21 Abs. 1 und 2 UmwStG 2002 gelten.

[...]

Wie auch das FA nicht in Abrede stellt, unterfällt die Entnahme aus dem Betriebsvermögen keinem der in § 21 Abs. 1 und 2 UmwStG 2002 geregelten Realisierungstatbestände.

[...]

Die Entstrickungstatbestände für einbringungsgeborene Anteile sind in § 21 UmwStG 2002 abschließend geregelt (vgl. BFH v. 21.8.1996, I R 75/95, BFH/NV 1997, 314). Es ist daneben kein Raum für die Anwendung des allgemeinen Realisationstatbestands der Entnahme gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 EStG 2002 [...].

Soweit die Finanzverwaltung demgegenüber mittlerweile annimmt, die Entnahme einbringungsgeborener Anteile aus dem Betriebsvermögen führe trotz weiter bestehender Steuerverstrickung nach § 21 Abs. 1 Satz 1 UmwStG 2002 zu einer zwischenzeitlichen Aufdeckung der stillen Reserven gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 EStG 2002 [...], folgt der Senat dem nicht. [...]”

Die Entscheidung des BFH v. 12.10.2011 lässt sich ohne Weiteres auf das Verhältnis von § 21 Abs. 2 UmwStG a.F. und § 6 a.F. bzw. § 6 übertragen.[12] Entsprechend ist die Anwendung des § 6 auf einbringungsgeborene Anteile auch dann "gesperrt", wenn ein Wegzug des Anteilseigners erfolgt, ohne dass der Entstrickungstatbestand des § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG a.F. verwirklicht wird.[13] Für § 6 war der Vorrang von § 21 UmwStG 1995 bereits im Zeitraum vor dem SEStEG anerkannt.[14] Dieses Verständnis hat sich im Verhältnis zu § 6 i.d.F. des SEStEG nicht verändert[15] und entspricht auch der Ansicht der Finanzverwaltung.[16] Für § 6 i.d.F. des ATADUmsG kann nichts anderes gelten.[17] Insofern kommt es für eine Entstrickungsbesteuerung im Fall eines Wegzugs mit einbringungsgeborenen Anteilen i.S.v. § 21 UmwStG 1995 allein darauf an, ob "das Besteuerungsrecht der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung der [einbringungsgeborenen] Anteile ausgeschlossen wird" (§ 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG 1995).

 

Rz. 60

[Autor/Stand] Verhältnis zu § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG. § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG (fiktive Entnahme), der bei nicht einbringungsgeborenen A...

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