... ist eine Gesellschaft, die ihren Sitz oder ihre Geschäftsleitung in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem Vertragsstaat des EWR-Abkommens hat, ...

 

Rz. 426

[Autor/Stand] Gesellschaft mit Sitz oder Geschäftsleitung in einem EU-Mitgliedstaat. Die Nachweismöglichkeit des § 8 Abs. 2 bezieht sich zunächst auf Einkünfte einer Gesellschaft mit Sitz oder Geschäftsleitung in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union. Aus dem von § 8 Abs. 2 hergestellten Zusammenhang zu § 8 Abs. 1[2] ergibt sich, dass mit "Gesellschaft" der in § 7 Abs. 1 (iVm. § 8 Abs. 1) verwandte Parallelbegriff ("ausländische Gesellschaft") gemeint ist.[3] Es genügt ferner, wenn die Gesellschaft ihren Sitz oder ihre Geschäftsleitung in einem EG-Mitgliedstaat hat. Es ist nicht erforderlich, dass beide Voraussetzungen in einem solchen Staat erfüllt werden. Denkbar ist es deshalb, dass eine Gesellschaft ihre Geschäftsleitung in einem EG-Mitgliedstaat, ihren statutarischen Sitz aber in einem Drittstaat hat (oder umgekehrt). Die Frage ist dann allerdings, welche Einkünfte der Geschäftsleitungsbetriebsstätte und welche Einkünfte einer etwaigen Betriebsstätte im Sitzstaat zuzurechnen sind.[4] Dies ist deshalb entscheidend, weil nach § 8 Abs. 2 Satz 4 auf die in einer Nicht-EG-/EWR-Betriebsstätte angefallenen Zwischeneinkünfte die Regelung des § 8 Abs. 2 Satz 1 nicht anzuwenden sein soll. Nach dem Wortlaut muss sich der Sitz oder die Geschäftsleitung ferner in einem Mitgliedstaat der "Europäischen Union" befinden. Terminologisch besser wäre gewesen, von "Europäischen Gemeinschaften" zu sprechen, weil § 8 Abs. 2 seine Grundlage in einer Verletzung des EG-Vertrages (nicht des EU-Vertrages) hat. Hier wird deshalb in der Folge der Terminus "EG-Mitgliedstaat" verwendet; im Ergebnis ist die Differenzierung aber ohne praktische Auswirkungen. Zu den Vertragsstaaten der EG gehören gegenwärtig (alphabetisch geordnet):

 
Belgien Italien Rumänien
Bulgarien Lettland Schweden
Dänemark Litauen Slowakei
Deutschland Luxemburg Slowenien
Estland Malta Spanien
Finnland Niederlande Tschechische Republik
Frankreich Österreich Ungarn
Griechenland Polen Vereinigtes Königreich
Irland Portugal Zypern
 

Rz. 427

[Autor/Stand] Gesellschaft mit Sitz oder Geschäftsleitung in einem EWR-Staat. § 8 Abs. 2 Satz 1 erfasst ferner auch Gesellschaften mit Sitz oder Geschäftsleitung in einem EWR-Staat. Das am 1.1.1994 in Kraft getretene Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR)[6] wurde ursprünglich zwischen der EG und den EFTA-Staaten Liechtenstein, Österreich, Finnland, Schweden, Norwegen und Island geschlossen. Die Schweiz hatte das EWR-Abkommen ebenfalls unterzeichnet, jedoch nicht ratifiziert. Mit dem Beitritt Österreichs, Finnlands und Schwedens zur EG am 1.1.1995 entfaltet das EWR-Abkommen nur noch im Verhältnis zu den Nicht-EG-Mitgliedstaaten Liechtenstein[7], Norwegen und Island eine entsprechende Relevanz. Die Einbeziehung von EWR-Staaten in § 8 Abs. 2 war sachlich geboten, weil das EWR-Abkommen nach der Rechtsprechung des EuGH den vier EG-Grundfreiheiten im Wesentlichen vergleichbare Freiheiten enthält.[8]

 

Rz. 428

[Autor/Stand] Nicht-EG-/EWR-Staaten. Im Umkehrschluss zur Einbeziehung von EG-/EWR-Staaten ergibt sich, dass § 8 Abs. 2 im Verhältnis zu EG-/EWR-Drittstaaten keine Anwendung findet. Die Zulassung des Gegenbeweises (entweder analog § 8 Abs. 2 oder nach der Rechtsprechung des EuGH) kann sich hier aber gleichwohl auf Grundlage eines Assoziierungsabkommens[10] oder von Art. 56 EG (Kapitalverkehrsfreiheit)[11] ergeben. Im Einzelnen:

 

Rz. 429

[Autor/Stand] Anwendung der Kapitalverkehrsfreiheit im Verhältnis zu EG-/EWR-Drittstaaten. Was die Anwendung der Kapitalverkehrsfreiheit im Verhältnis zu EG-/EWR-Drittstaaten anbelangt, so beruht die restriktive Position des Gesetzgebers vermutlich auf Rz. 33 der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache "Cadbury Schweppes". Das Gericht stellte dort fest, dass die beschränkenden Auswirkungen der britischen CFC-Rules auf die Kapitalverkehrsfreiheit die unvermeidliche Konsequenz einer Beschränkung der Niederlassungsfreiheit sind und jedenfalls keine eigenständige Prüfung im Hinblick auf Art. 56 EG rechtfertigen. Die Ausführungen erinnern an die Entscheidung in der Rechtssache "Fidium Finanz AG".[13] Auch dort stellte das Gericht fest, dass die Kapitalverkehrsfreiheit (und damit der Schutz von Drittstaatsangehörigen!) hinter die Dienstleistungsfreiheit zurückzutreten habe, sofern sich die Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit als bloße "zwangsläufige Folge" der Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit darstellt (was im Ausgangsverfahren aufgrund der von § 32 Abs. 1 Unterabs. 1 KWG bewirkten Beschränkung des Zuganges zum Finanzmarkt für ausländische Finanzdienstleister der Fall war). Für die Übertragung der Entscheidungsgrundsätze auf die Abgrenzung von Kapitalverkehrs- und Niederlassungsfreiheit wurde im Schrifttum zutreffend darauf hingewiesen, dass der Abgrenzungsmaßstab nicht im konkreten Beteiligungsumfang gesucht we...

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