Rz. 1625

[Autor/Stand] Unternehmen zwischen Lohnfertiger und Eigenproduzent. Nur bei nahezu vollständiger Erfüllung der oben dargestellten Merkmale ist davon auszugehen, dass das verbundene Produktionsunternehmen als ein Lohnfertiger zu qualifizieren ist. In Abhängigkeit von der Ausgestaltung der einzelnen Merkmale kann dabei auch eine Zwischenform zwischen Lohnfertiger und Eigenproduzenten vorliegen, die keiner der beiden Grundformen vollständig entspricht. Solche Zwischenformen kommen in der Praxis sogar sehr häufig vor. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass das dem Lohnfertiger zugestandene Entgelt vom Umfang der von ihm wahrgenommenen Funktionen, den von ihm getragenen Risiken sowie den von ihm eingesetzten Wirtschaftsgütern abhängt. Infolgedessen wird die einem Lohnfertiger zuzuordnende Gewinnmarge umso höher sein, je mehr Funktionen und Risiken der Lohnfertiger übernimmt. Übernimmt ein Lohnfertiger immer mehr Funktionen und Risiken und setzt er immer mehr Mittel ein, so wird irgendwann ein Punkt erreicht sein, ab dem er zum eigenständigen Produktionsunternehmen wird und mithin als Eigenproduzent zu qualifizieren sein wird. In diesen Fällen liegt die besondere praktische Schwierigkeit darin, den Zeitpunkt auszumachen, ab dem ein Lohnfertiger zum Eigenproduzenten wird. Denn ab diesem Zeitpunkt sind insb. die im Rahmen der Auftragsfertigung unentgeltlichen Beistellungen von materiellen und immateriellen Wirtschaftsgütern (Know-how, Produktionsverfahren, Maschinen etc.) sowie etwaige Leistungs- und Materialbeistellungen durch den Auftraggeber mit einem dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechenden Entgelt abzurechnen.[2] Ferner können Funktionseinschränkungen des Auftraggebers zugunsten des nunmehrigen Eigenproduzenten als Funktionsverlagerung qualifizieren und dementsprechende verrechnungspreisbezogene Konsequenzen auslösen.[3] Praktische Probleme entstehen damit insb. dann, wenn sich ein verbundenes Produktionsunternehmen auf Grund der ihm zugewiesenen Funktionen nicht eindeutig den "Polen" Eigenproduzent oder Lohnfertiger zuordnen lässt, sondern zwischen diesen beiden Extrempunkten liegt.

 

Rz. 1626

[Autor/Stand] Zwingende Voraussetzungen eines Lohnfertigers. Lohnfertigungsverhältnisse können eine Vielzahl von Ausprägungen annehmen. Allerdings existieren eine Reihe von Voraussetzungen, die für die Qualifikation eines Produktionsunternehmens als Lohnfertiger zwingend sind.[5] Zwingende Voraussetzungen eines typischen Lohnfertigers sind, dass er

  • kein bzw. nur ein geringes Absatzrisiko trägt, weil der Auftraggeber die Produktion ganz bzw. größtenteils abnimmt,
  • die Produkte bzw. Teile nicht selbst entwickelt und kein Eigentum an den wesentlichen immateriellen Wirtschaftsgütern hat,
  • Anweisungen vom Auftraggeber erhält, welche Fertigungsschritte er wie auszuführen hat, und
  • nur geringe Risiken trägt und nur geringe Mittel einsetzt.
 

Rz. 1627

[Autor/Stand] Indizienwirkung der übrigen Kriterien. Die übrigen vorstehend dargestellten Kriterien sind allenfalls als Indizien heranzuziehen. Erfüllt ein verbundenes Produktionsunternehmen alle vier in Anm. 1626 genannten Voraussetzungen nicht, handelt es sich eindeutig nicht um ein Lohnfertigungsverhältnis. Erfüllt es dagegen alle vier Kriterien, liegt ein Lohnfertigungsverhältnis vor. In allen übrigen Fällen ist im Einzelfall zu entscheiden, welcher Aspekt überwiegt. Bei dieser Entscheidung ist der Schwerpunkt auf die (faktische oder rechtliche) Abnahmegarantie und damit auf das Absatzrisiko des Lohnfertigers zu legen. Weiteres entscheidendes Kriterium ist die Zuordnung von immateriellen Wirtschaftsgütern zum Produktionsunternehmen. Verfügt das Produktionsunternehmen über die zur Herstellung und den Vertrieb der Produkte notwendigen immateriellen Wirtschaftsgüter, spricht dies gegen dessen Einordnung als Lohnfertiger.

 

Rz. 1628

[Autor/Stand] Begriffsdefinition des Eigenproduzenten. Im Gegensatz zum Lohnfertiger verfügt der Eigenproduzent über die volle Dispositionsbefugnis der Produktion. IdR ist er daher auch als "Entrepreneur" resp. "Strategieträger" in Bezug auf das entsprechende Produkt bzw. die entsprechende Produktgruppe anzusehen.[8] Denn der Eigenproduzent bestimmt die wesentlichen strategischen und betriebswirtschaftlichen Entscheidungen[9] und trägt infolgedessen alle Marktchancen und Marktrisiken der betrachteten Produktgruppe.[10] Nach Rz. 201 der VWG-Funktionsverlagerung sind wesentliche Merkmale eines Eigenproduzenten, dass das Unternehmen

  • die Produktionsfunktionen (zB Fertigung, Produktentwicklung, Produktauswahl, Einkauf, Lagerhaltung, Forschung und Entwicklung usw.) sowie die Vermarktungsfunktionen (zB Werbung, Vertrieb usw.) ausübt,
  • über die entsprechenden Entscheidungskompetenzen verfügt,
  • regelmäßig im Besitz der wesentlichen Betriebsgrundlagen (materielle und insb. immaterielle Wirtschaftsgüter) ist und
  • die mit der Ausübung der Funktionen verbundenen Chancen und Risiken (zB Marktrisiko, Qualitätsrisiko, Absatzrisiko usw.) trägt.
 

Rz. 1629

[Autor/Stand] Möglic...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge