„ [2] Für Einkünfte der natürlichen Person, die weder durch deren ausländische Betriebsstätte noch durch deren in einem ausländischen Staat tätigen ständigen Vertreter erzielt werden, ist für die Anwendung dieser Vorschrift das Bestehen einer inländischen Geschäftsleitungsbetriebsstätte der natürlichen Person anzunehmen, der solche Einkünfte zuzuordnen sind.”

 

Rz. 141

[Autor/Stand] Regelungshintergrund. Der durch Art. 9 des JStG 2009[2] eingefügte Satz 2 ist eine Reaktion des Gesetzgebers auf das Urteil des BFH v. 19.12.2007[3] und nur vor dem Hintergrund dieses Urteils verständlich. Darin bestätigte der BFH die in einem früheren Urteil bereits angedeutete[4] und in der Literatur prominent vertretene Auffassung[5], dass jeder Gewerbebetrieb zumindest eine Betriebsstätte habe, es mithin keine "betriebsstättenlosen" gewerblichen Einkünfte gebe (vgl. dazu auch Rz. 95.1 ff., 103).[6] Demgegenüber geht die Finanzverwaltung davon aus, dass es gewerbliche Einkünfte gebe, die weder der inländischen noch der ausländischen Betriebsstätte eines Gewerbebetriebs zuzurechnen seien.[7] Betroffen sind hiervon vor allem ausländische Gewerbetreibende, deren Betrieb nahezu ohne sachliche Betriebsmittel allein durch die Person und ihre Tätigkeit geprägt ist (Handelsvertreter, Fotomodelle, Prominente bei ihrer Persönlichkeitsvermarktung oder Fußballschiedsrichter[8]), so dass er nicht dem klassischen Bild einer der Wertschöpfung gewidmeten organisatorischen Einheit von Personen und Betriebsmittel entspricht. Während daher aus Sicht der Finanzverwaltung solche gewerblichen Einkünfte keine ausländischen Einkünfte i.S. von § 34d Nr. 2 EStG und somit Zusatzeinkünfte sind, erzielen nach Auffassung des BFH diese Personen ausländische Einkünfte gem. § 34d Nr. 2 Buchst. a EStG, da diese Einkünfte einer denknotwendigen und am ausländischen Wohnsitz der Person bestehenden Geschäftsleitungsbetriebsstätte zuzurechnen sind.[9]

 

Rz. 142

[Autor/Stand] Wille des Gesetzgebers. Der Gesetzgeber des JStG 2009 hält diese Auffassung des BFH für unzutreffend, da sie im Bereich der gewerblichen Einkünfte § 2 weitgehend seine Wirkung nähme.[11] Die durch § 2 angeordnete Erweiterung des Kreises der steuerpflichtigen Einkünfte läuft leer, wenn allein der Umstand, dass der Stpfl. mit seinem Wohnsitz auch die Geschäftsleitungsbetriebsstätte seines Gewerbebetriebes in das Ausland verlagert, gewerbliche Einkünfte zu ausländischen Einkünften macht, die vor dem Wegzug noch nicht-ausländische Einkünfte waren. In der Bezugnahme des Abs. 1 auf Einkünfte, "die bei unbeschränkter Steuerpflicht nicht ausländische Einkünfte" sind, komme dieser Aspekt auch im Regelungswortsinn zum Ausdruck. Die in Abs. 1 Satz 2 getroffene Anordnung, wonach für bestimmte gewerbliche Einkünfte eine inländische Geschäftsleitungsbetriebsstätte fingiert wird, der diese Einkünfte zuzurechnen sind, soll daher lediglich klarstellenden Charakter haben.

 

Rz. 143

[Autor/Stand] Stellungnahme. Die Bewertung der Regelung fällt differenziert aus. Positiv hervorzuheben ist zunächst, dass die Fiktion nur für die Anwendung des § 2 gilt. Auf Entstrickungsfragen hat die Vorschrift somit keinen Einfluss. Auch wenn mit "Anwendung dieser Vorschrift" die Reichweite der Regelung nicht völlig zweifelsfrei umschrieben ist, wird man angesichts des historischen Kontexts, in dem der Gesetzgeber Abs. 1 Satz 2 schuf, und der systematischen Stellung der Norm davon auszugehen haben, dass die Fiktion der inländischen Geschäftsleitungsbetriebsstätte sich auf die Rechtsfolgenseite der beschränkten Steuerpflicht beschränkt. Namentlich für die Prüfung des Tatbestandsmerkmals der wesentlichen Inlandsinteressen (§ 2 Abs. 3) bleibt sie unbeachtlich.[13] Weder wird der Stpfl. aufgrund einer fiktiven Geschäftsleitungsbetriebsstätte zum Unternehmer eines im Geltungsbereich des Gesetzes belegenen Gewerbebetriebs (i.S. von Abs. 3 Nr. 1) noch sind die dieser Betriebsstätte zuzuordnenden Einkünfte zu den nicht-ausländischen Einkünften i.S. von Abs. 3 Nr. 2 zu zählen. Darüber hinaus ist einerseits dem grundsätzlichen Regelungsanliegen des Gesetzgebers beizupflichten. Zu Recht kritisiert der Finanzausschuss, dass der BFH in seiner Entscheidung nicht geprüft habe, welche Substanz die Geschäftsleitungsbetriebsstätte der natürlichen Person im Ausland hatte.[14] Angesichts des Regelungszusammenhangs des § 2 Abs. 1 genügt es nicht, bei der allgemeinen Aussage zur Systematik der gewerblichen Einkünfte stehenzubleiben, es gebe keine betriebsstättenlosen gewerblichen Einkünfte. Auch wenn daher eine Geschäftsleitungsbetriebsstätte am Wohnsitz des Stpfl. besteht, stellt sich die Frage, ob diese eine ausländische Betriebsstätte i.S. von § 34d Nr. 2 Buchst. a EStG konstituiert oder ob aufgrund des vom Finanzausschuss aufgezeigten Regelungszusammenhangs des § 2 hier nicht eine teleologische Reduktion notwendig ist. Kritisch anzumerken ist allerdings, dass die Intention des Gesetzgebers Gefahr läuft, die völkergewohnheitsrechtlichen Anforderungen an den Inl...

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