Rz. 1270

[Autor/Stand] Notwendigkeit der Ermittlung eines Einigungsbereichs für das Transferpaket. Erfolgt die Bewertung des Transferpakets auf Grundlage eines hypothetischen Fremdvergleichs, muss im ersten Schritt ein Einigungsbereich ermittelt werden (Anm. 1041 ff.). Dabei kommt es entscheidend auf die Gewinne an, die das übertragende und das übernehmende Unternehmen zukünftig aus dem Transferpaket erwarten. Diese Vorgehensweise entspricht dem finanzwirtschaftlichen Verständnis des Wertes, nach dem ein Gut nur so viel wert ist, wie Ergebnisse durch seine Verwendung erwirtschaftet werden können.[2] Die Gewinnerwartungen des übertragenden Unternehmens bestimmen die Untergrenze des Einigungsbereichs, während die Gewinnerwartungen des übernehmenden Unternehmens die Obergrenze bestimmen. Aus der Regelung folgt außerdem, dass die jeweils zu erwartenden Gewinnpotentiale mit Hilfe eines kapitalwertorientierten Verfahrens zu ermitteln sind[3], was in Rz. 87 der VWG-Funktionsverlagerung[4] nochmals ausdrücklich klargestellt wird. Angesprochen sind damit insb. das Ertragswertverfahren und das Discounted-Cashflow-Verfahren[5], die nach Rz. 88 der VWG-Funktionsverlagerung[6] gleichberechtigt nebeneinander stehen. Bei der Anwendung eines kapitalwertorientierten Verfahrens zur Bewertung des übertragenen oder zur Nutzung überlassenen Transferpakets sind nach § 3 Abs. 2 Satz 3 FVerlV und Rz. 84 der VWG-Funktionsverlagerung[7] insb. die nachfolgend aufgeführten Fragen zu klären[8], wobei maßgeblicher Bewertungszeitpunkt nach § 3 Abs. 1 FVerlV der Zeitpunkt der Übertragung der Funktion ist. Bei den nachfolgend aufgeführten Fragen handelt es sich um typische Fragen im Zusammenhang mit der Bewertung immaterieller Wirtschaftsgüter[9], was sich aus der dominierenden Bedeutung immaterieller Wirtschaftsgüter bei grenzüberschreitenden Funktionsverlagerungen erklärt:

  • Bestimmung der Gewinnpotentiale für das Transferpaket;
  • Ermittlung eines sachgerechten Kapitalisierungszeitraums;
  • Ableitung eines angemessenen Kapitalisierungszinssatzes.[10]
 

Rz. 1271

[Autor/Stand] Erhebliche Bedenken gegen das generelle Abstellen auf einen Einigungsbereich. Gegen die vom Gesetzgeber vorgeschriebene Bewertung eines Transferpakets mit Hilfe eines Einigungsbereichs bestehen erhebliche Bedenken. Problematisch ist zunächst, dass der Gesetzgeber davon ausgeht, dass sich aufgrund der Bestimmung der zu erwartenden Gewinne sowohl aus Sicht des übertragenden als auch des übernehmenden Unternehmens stets ein Einigungsbereich ergibt.[12] Dies ist aber nicht zwingend. Ein Einigungsbereich kommt zunächst dann nicht zustande, wenn die Gewinnerwartungen der beteiligten Unternehmen identisch sind.[13] Darüber hinaus fehlt es an einem Einigungsbereich, wenn die Gewinnerwartungen des übernehmenden Unternehmens unter denen des übertragenden Unternehmens liegen.[14] In diesem Fall käme zwischen unabhängigen Verhandlungspartnern kein Geschäft zustande, weil mindestens einer der Beteiligten einen Gewinnentgang oder Verlust in Kauf nehmen müsste. Für diese Fälle sieht das Gesetz allerdings keine Lösung vor.[15] Weiterhin führt die Ermittlung eines Einigungsbereichs im täglichen Massengeschäft der Verrechnungspreisermittlung zu einem kaum vertretbaren Verwaltungsaufwand.[16] Die Einigungsbereichsbetrachtung stammt ursprünglich aus der Unternehmensbewertung und kommt dort vor allem bei Unternehmenskäufen zur Anwendung. Sie dient der Ermittlung der Preisuntergrenze für den Verkäufer und der Preisobergrenze für den Käufer.[17] In Anbetracht der hohen Beträge, die bei Unternehmenskäufen im Raum stehen, ist die Anwendung der Einigungsbereichsbetrachtung dort gerechtfertigt.[18] Beim täglichen Massengeschäft der Verrechnungspreisermittlung besteht für einen Aufwand, wie ihn die Einigungsbereichsbetrachtung mit sich bringt, indes keine Rechtfertigung. Hinzu kommt, dass aufgrund der Maßgeblichkeit der in Zukunft zu erwartenden Gewinne für die Bestimmung des Einigungsbereichs nicht nur im Inland gebildete stille Reserven, sondern auch zukünftige, im Ausland erst entstehende Gewinne der inländischen Besteuerung unterworfen werden.[19] Der Gesetzgeber begründet dies damit, dass es nicht gerechtfertigt ist, wenn immaterielle Wirtschaftsgüter oder Vorteile, die mit Hilfe deutscher Infrastruktur erstellt wurden, ohne angemessene Besteuerung des inländischen Wertschöpfungsbeitrags im Ausland genutzt werden.[20] Damit wird letztlich "eine Besitzstandabsicherung für alle jemals in Deutschland getätigten Investitionen und die daraus resultierenden Immaterialpositionen"[21] geschaffen. Inwieweit sich ein Besteuerungskonzept, mit dem die Bundesrepublik Deutschland ihre Besteuerungsrechte einseitig zu Lasten der Ansässigkeitsstaaten der übernehmenden Unternehmen ausweitet – von Hey[22] zutreffend als "Beggar My Neighbour Policy" bezeichnet –, international durchsetzen lässt, bleibt abzuwarten.[23] Ein deutlicher Anstieg von Schieds- und Verständigungsverfahren dürfte die Folge sein[24], bei deren Schei...

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