Rz. 30

[Autor/Stand] Nur Einkünfte aus Aktien oder Genussscheinen. § 50j EStG ist nur auf Einkünfte aus Aktien und Genussscheinen anwendbar. Dies ergibt sich zum einen durch die Bezugnahme in Satz 1 auf die Vorschrift des § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a EStG. Diese betrifft nur "Kapitalerträge[.] im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 aus Aktien und Genussscheinen". Zum anderen bezieht sich Satz 2, der den Anwendungsbereich des § 50j EStG erweitert, zwar abweichend auf "Anteile oder Genussscheine". Bei der dortigen Verwendung des Wortes "Anteile" statt "Aktien" handelt es sich jedoch um ein Redaktionsversehen. Mit Anteilen im Sinne des Satzes 2 sind allein Aktien, jedoch keine anderen Anteilsarten gemeint. Hierfür spricht erstens, dass auch die Nr. 1 des Satzes 1 den Begriff "Anteile" statt "Aktien" enthält, obwohl sich diese Bestimmung nur auf Kapitalerträge im Sinne des § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a EStG bezieht, der wie gesehen lediglich Erträge aus Aktien und Genussscheinen betrifft. Zweitens hätte eine weitergehende Auslegung des Begriffs "Anteile" im Satz 2 zur Folge, dass der Anwendungsbereich des § 50j EStG erweitert wäre, wenn Anteile im Ausland verwahrt würden (s. näher Rz. 43 f.). Dies widerspräche aber dem Telos der Norm, da die Verhinderung einer ungerechtfertigten Inanspruchnahme von Vorteilen eines DBA (s. Rz. 8 ff.) nicht davon abhängt, ob Anteile im Inland oder im Ausland verwahrt werden. Darüber hinaus dürfte drittens eine erweiterte Anwendung der Belastungen des § 50j EStG allein bei im Ausland verwahrten Anteilen gegen die Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 AEUV) EU-ausländischer Verwahrer verstoßen, da hierfür kein hinreichender Rechtfertigungsgrund ersichtlich wäre. Infolgedessen gebietet auch die unionsrechtskonforme Auslegung ein Verständnis des Begriffs "Anteile" im Satz 2 als "Aktien".

 

Rz. 31

[Autor/Stand] Aktien. Aktien sind Anteile am Grundkapital einer Aktiengesellschaft nach dem AktG (§ 1 Abs. 2 AktG).

 

Rz. 32

[Autor/Stand] Genussscheine mit beteiligungsähnlichen Rechten. Genussscheine im Sinne des § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a EStG, auf den der Satz 1 des § 50j EStG Bezug nimmt, sind die verbriefte Form von Genussrechten.[4] Genussrechte beruhen auf einer schuldrechtlichen Vereinbarung und vermitteln gegenüber einer Gesellschaft per definitionem lediglich Partizipation an ihrem Vermögen (z. B. über eine Gewinnbeteiligung), jedoch keine Mitverwaltungsrechte (wie z. B. ein Stimmrecht in der Gesellschafterversammlung).[5] Die Bezüge aus Genussrechten gehören gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG, auf den § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a EStG ausschließlich Bezug nimmt, zu den Einkünften aus Kapitalvermögen, sofern das Genussrecht sowohl ein Recht am Gewinn als auch am Liquidationserlös einer Kapitalgesellschaft verleiht (sog. beteiligungsähnliche Genussrechte).[6] Sofern sie verbrieft sind, können damit auch Genussrechte an anderen Kapitalgesellschaften als Aktiengesellschaften von der Regelung des § 50j EStG betroffen sein. Auch nach § 50j Abs. 1 Satz 2 EStG werden lediglich Einkünfte aus verbrieften beteiligungsähnlichen Genussrechten erfasst. Zwar verweist der Satz 2 über § 43 Abs. 3 Satz 1 EStG auch auf obligationsähnliche Genussrechte in § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 letzte Alt. EStG ("Zinsen aus Genussrechten, die nicht in § 20 Abs. 1 Nr. 1 genannt sind").[7] Gegen ein Verständnis der durch Satz 2 erfassten Genussscheine, das über die von Satz 1 erfassten Genussscheine hinausgeht, sprechen jedoch die gleichen teleologischen und unionsrechtlichen Gesichtspunkte, die einer Ausdehnung des Anwendungsbereichs des § 50j EStG durch seinen Satz 2 bei den Gesellschaftsanteilen entgegenstehen (s. Rz. 30).

 

Rz. 33

[Autor/Stand] Hinterlegungsscheine auf Aktien. Zum Teil wird vertreten, dass auch Hinterlegungsscheine auf Aktien – wie z. B. sog. American Depositary Receipts – von § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a EStG erfasst werden,[9] was zur Folge hätte, dass auch Einkünfte aus solchen Hinterlegungsscheinen in den Anwendungsbereich des § 50j EStG fielen. Letzteres ist jedoch nur unter bestimmten Umständen der Fall. Einkünfte aus Hinterlegungsscheinen auf Aktien sind als solche keine Kapitalerträge im Sinne des § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a EStG, da ein Hinterlegungsschein weder Aktie noch Genussschein[10] ist. Der Inhaber eines Hinterlegungsscheins kann jedoch gemäß § 20 Abs. 5 EStG steuerlicher Anteilseigner der Aktien sein, die dem Hinterlegungsschein zugrunde liegen. Er bezieht in diesem Fall steuerlich Kapitalerträge aus Aktien und nicht aus Hinterlegungsscheinen. Dies ist gegenwärtig regelmäßig der Fall bei den Inhabern sog. American Depositary Receipts, weil der Inhaber dieser Art von Hinterlegungsscheinen aufgrund der Emissionsbedingungen in der Regel als Anteilseigner im Sinne des § 20 Abs. 5 EStG i.V.m. § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO anzusehen ist.[11] Aus diesem Grund haben auch die Inhaber sog. American Depositary Receipts regelmäßig die zusätzlichen Entlastungsvoraussetzungen des § 50j EStG zu beachten, sofern die übrigen Anwendungsvorausset...

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