Rz. 1351

[Autor/Stand] Gesamtbewertung vs. Einzelbewertung. Bei der Bewertung eines Transferpakets soll grundsätzlich eine Gesamtbetrachtung vorgenommen werden, bei der die "Funktion als Ganzes" als Bewertungsobjekt fungiert (Anm. 1265). § 1 Abs. 3 Satz 10 lässt hiervon jedoch Ausnahmen zu und gestattet eine Einzelbewertung der übertragenen Wirtschaftsgüter. Bevor auf die Ausnahmen im Einzelnen eingegangen wird, muss zunächst die Regelung an sich gewürdigt werden. Dies ist insofern erforderlich, als mit der Gesamtbewertung von den bekannten Regeln des Ertragsteuerrechts abgewichen wird.[2] Als Bewertungsgrundsatz gilt sowohl im Handelsrecht als auch im Steuerrecht der Grundsatz der Einzelbewertung.[3] Danach ist jedes Wirtschaftsgut für sich gesondert zu betrachten und zu bewerten. Dies gilt selbst dann, wenn eine Sachgesamtheit (zB ein Betrieb) erworben und dafür ein Gesamtpreis entrichtet wird. Gemäß dem allgemeinen Bewertungsgrundsatz der Einzelbewertung ist dieser Gesamtpreis auf die dabei zugegangenen einzelnen Wirtschaftsgüter aufzuteilen. Im Fall einer Funktionsverlagerung wird dieser Bewertungsgrundsatz jedoch ins Gegenteil verkehrt. Es wird eine Bewertungseinheit gebildet, die bilanzrechtlich keine solche ist. Dabei wird auch der Grundsatz des § 2 BewG verletzt. Nach § 1 Abs. 3 Satz 9 kommt es nur darauf an, einen Gesamtwert zu ermitteln, und zwar für das Transferpaket insgesamt. Demgegenüber ist es nicht erforderlich, den Gesamtwert auf die dabei erworbenen Wirtschaftsgüter aufzuteilen. Gemäß der Begründung zum Regierungsentwurf wird eine solch fundamentale Abweichung von den Bewertungsgrundsätzen damit gerechtfertigt, dass dies "aus betriebswirtschaftlichen Gründen geboten [ist], weil der Preis der einzelnen übertragenen Wirtschaftsgüter den Wert der Funktion regelmäßig nicht adäquat widerspiegelt".[4]

 

Rz. 1352

[Autor/Stand] Einzelbewertung der Wirtschaftsgüter nach den allgemeinen Grundsätzen. Wie sich aus § 1 Abs. 3 Satz 9 ergibt, ist bei einer Funktionsverlagerung grundsätzlich eine Gesamtbewertung des übertragenen oder zur Nutzung überlassenen Transferpakets vorzunehmen. Eine Einzelbewertung der materiellen und immateriellen Wirtschaftsgüter, aus denen sich das Transferpaket zusammensetzt, ist in den Fällen des § 1 Abs. 3 Satz 10 zulässig. Kommt es zu einer Einzelbewertung, hat diese nach den allgemeinen Grundsätzen zu erfolgen, was in Rz. 69 der VWG-Funktionsverlagerung[6] nochmals ausdrücklich klargestellt wird. Liegen für die Wirtschaftsgüter des Transferpakets danach uneingeschränkt oder eingeschränkt vergleichbare Fremdvergleichswerte vor, ist ein tatsächlicher Fremdvergleich nach § 1 Abs. 3 Satz 1 ff. (Anm. 901 ff.) durchzuführen. Andernfalls hat die Bestimmung der angemessenen Verrechnungspreise für die übertragenen oder zur Nutzung überlassenen Wirtschaftsgüter auf Grundlage eines hypothetischen Fremdvergleichs nach § 1 Abs. 3 Satz 5 ff. zu erfolgen. Die Regelung des § 1 Abs. 3 Satz 10 ist nicht abschließend.[7] Weitere Fälle, in denen eine Einzelbewertung der übertragenen oder zur Nutzung überlassenen Wirtschaftsgüter erfolgt, finden sich in § 1 Abs. 6 und 7 FVerlV und § 2 Abs. 2 FVerlV.

 

Rz. 1353

[Autor/Stand] Zulässigkeit einer Einzelbewertung in den gesetzlich geregelten Fällen. § 1 Abs. 3 Satz 10 unterscheidet drei eigenständige Konstellationen, in denen eine Einzelbewertung zulässig ist und deren Voraussetzungen stets unabhängig voneinander zu prüfen sind. Zu beachten ist, dass in diesen Fällen gleichwohl eine Funktionsverlagerung vorliegt und daher insb. die gesetzlichen Dokumentationspflichten zu erfüllen sind. Dies wird in Rz. 70 der VWG-Funktionsverlagerung[9] ausdrücklich klargestellt. In folgenden Fällen ist eine Einzelbewertung zulässig:

 

Rz. 1354

[Autor/Stand] Grundsatz der Gesamtbewertung führt zu unzulässiger Beweislastumkehr. Macht man sich die dominierende Bedeutung immaterieller Wirtschaftsgüter bei Funktionsverlagerungen klar, wird deutlich, dass in der Mehrzahl der Fälle die Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 Satz 10 Halbs. 2 vorliegen dürften. In den noch verbleibenden Fällen dürften dann regelmäßig die Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 Satz 10 Halbs. 1 Alt. 1 gegeben sein. Anders als die gesetzliche Regelung auf den ersten Blick nahelegt, ist die Gesamtbewertung nach § 1 Abs. 3 Satz 9 daher eher die Ausnahme, während die Einzelbewertung nach § 1 Abs. 3 Satz 10 die Regel sein dürfte.[11] Die Vorschriften zur Ermittlung des Verrechnungspreises bei Funktionsverlagerungen in § 1 Abs. 3 Satz 9 und 10 bewirken damit im...

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