Rz. 1360

[Autor/Stand] Beurteilung der Wesentlichkeit auf Grundlage einer qualitativen Analyse. Nach § 1 Abs. 3 Satz 10 Halbs. 2 ist eine Einzelbewertung der im Rahmen einer Funktionsverlagerung übertragenen oder zur Nutzung überlassenen Wirtschaftsgüter schließlich dann zulässig, wenn der Stpfl. glaubhaft macht, dass zumindest ein genau bezeichnetes wesentliches immaterielles Wirtschaftsgut Gegenstand der Funktionsverlagerung ist. Die Vorschrift des § 1 Abs. 3 Satz 10 Halbs. 2 wurde erst nachträglich durch das EU-Umsetzungsgesetz v. 8.4.2010[2] ins Gesetz eingefügt. Der Gesetzgeber hat damit auf die anhaltende Kritik von Schrifttum und Wirtschaft am Grundsatz der Gesamtbewertung reagiert, zumal die anderen in § 1 Abs. 3 Satz 10 enthaltenen Ausnahmen einen nur sehr eingeschränkten Anwendungsbereich haben. Der Begriff des immateriellen Wirtschaftsguts ist wie in § 1 Abs. 3 Satz 10 Halbs. 1 Alt. 1 zu verstehen. Den Begriff des Vorteils enthält § 1 Abs. 3 Satz 10 Halbs. 2 nicht. Voraussetzung für eine Einzelbewertung nach § 1 Abs. 3 Satz 10 Halbs. 2 ist weiterhin, dass das übertragene oder zur Nutzung überlassene immaterielle Wirtschaftsgut wesentlich ist. Nach Rz. 75 der VWG-Funktionsverlagerung[3] ist der Begriff der Wesentlichkeit wie in § 1 Abs. 3 Satz 10 Halbs. 1 Alt. 1 auszulegen. Die Definition des § 1 Abs. 5 FVerlV ist nach Auffassung der Finanzverwaltung in den Fällen des § 1 Abs. 3 Satz 10 Halbs. 2 daher sinngemäß anzuwenden.[4] Dies kann bereits deshalb nicht überzeugen, weil der Wortlaut des § 1 Abs. 5 FVerlV nur auf § 1 Abs. 3 Satz 10 Halbs. 1 Alt. 1, nicht aber auch auf § 1 Abs. 3 Satz 10 Halbs. 2 Bezug nimmt.[5] Hinzu kommt, dass § 1 Abs. 5 FVerlV zur Ermittlung der Wesentlichkeit des in Rede stehenden immateriellen Wirtschaftsguts sowohl eine qualitative als auch eine quantitative Analyse erfordert. Was die quantitative Analyse anbelangt, so ist hierfür ein Vergleich der Werte der fraglichen immateriellen Wirtschaftsgüter und Vorteile mit der Summe der Werte aller Wirtschaftsgüter und sonstiger Vorteile des Transferpakets erforderlich. Da hierbei auch die sonstigen Vorteile zu bewerten sind, ist auch im Rahmen des § 1 Abs. 3 Satz 10 Halbs. 2 eine Gesamtbewertung des Transferpakets durchzuführen.[6] Dies folgt auch aus Rz. 39 der VWG-Funktionsverlagerung[7], wonach für die quantitative Analyse auch die geschäftswertbildenden Faktoren zu erfassen sind. Im Ergebnis bedeutet dies einen erheblichen Verwaltungsaufwand für den Stpfl., da zwei Wertermittlungen durchgeführt werden müssen, eine Einzelbewertung sämtlicher materieller und immaterieller Wirtschaftsgüter sowie Vorteile und eine Gesamtbewertung des Transferpakets.[8] Insofern setzt sich die Finanzverwaltung in Widerspruch zum Gesetzgeber[9], der mit der Einfügung von § 1 Abs. 3 Satz 10 Halbs. 2 im Rahmen des EU-Umsetzungsgesetzes v. 8.4.2010[10] die aus der Transferpaketbewertung resultierenden negativen Auswirkungen auf den Forschungs- und Entwicklungsstandort Deutschland beseitigen wollte.[11] Dies sollte dadurch geschehen, dass unter bestimmten Voraussetzungen für alle Wirtschaftsgüter, Vorteile und Leistungen, die im Rahmen einer Funktionsverlagerung übertragen oder zur Nutzung überlassen werden, Einzelverrechnungspreise nach den allgemeinen Grundsätzen angesetzt werden können.[12] Die Tatsache, dass nach Rz. 75 der VWG-Funktionsverlagerung[13] eine präzise Bewertung des Transferpakets in den Fällen des § 1 Abs. 3 Satz 10 Halbs. 2 nicht erforderlich ist, ändert hieran nichts, da zumindest eine pauschale Bewertung durchgeführt werden muss, die ebenfalls zu erheblichem Aufwand führen kann. Im Rahmen des § 1 Abs. 3 Satz 10 Halbs. 2 ist die Frage nach der Wesentlichkeit daher rein qualitativ zu beantworten.[14] Zu fragen ist, ob die verlagerte Funktion ohne das in Rede stehende immaterielle Wirtschaftsgut vom übernehmenden Unternehmen nicht ausgeübt werden kann.

 

Rz. 1361

[Autor/Stand] Übertragung von zumindest einem wesentlichen immateriellen Wirtschaftsgut. Voraussetzung für eine Einzelbewertung nach § 1 Abs. 3 Satz 10 Halbs. 2 ist weiterhin, dass zumindest ein wesentliches immaterielles Wirtschaftsgut übertragen oder zur Nutzung überlassen wird. Hieraus folgt, dass § 1 Abs. 3 Satz 10 Halbs. 2 auch dann anwendbar ist, wenn mehrere wesentliche immaterielle Wirtschaftsgüter übertragen oder überlassen werden.[16] Dies wird in Rz. 77 der VWG-Funktionsverlagerung[17] ausdrücklich klargestellt. Zu beachten ist jedoch, dass die Anwendung des § 1 Abs. 3 Satz 10 Halbs. 2 nach Rz. 80 der VWG-Funktionsverlagerung[18] ausgeschlossen sein soll, wenn mehrere immaterielle Wirtschaftsgüter übertragen werden, die die Schwelle der Wesentlichkeit erst zusammen überschreiten. Ein anderes soll nach Rz. 81 der VWG-Funktionsverlagerung[19] nur dann gelten, wenn der Stpfl. mehrere immaterielle Wirtschaftsgüter zusammenfasst und deren gemeinsame Bewertung sachgerecht ist. In diesem Fall sind die zusammengefassten immateriellen Wirtschaftsgüter wie ein immaterielles Wir...

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