1 Allgemeines

1.1 Verhältnis zu § 1 ErbStG

 

Rz. 1

Nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG unterliegen "Schenkungen unter Lebenden" der Erbschaftsteuer (Schenkungsteuer). § 7 ErbStG erläutert im Einzelnen die Vorgänge, die als Schenkungen unter Lebenden gelten. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG bezeichnet als Grundtatbestand jede freigebige Zuwendung unter Lebenden. Schenkungen i. S. d. Bürgerlichen Rechts und sonstige freigebige Zuwendungen unter Lebenden werden unter dem Oberbegriff "Freigebige Zuwendungen" zusammengefasst. Daraus folgt, dass die Schenkung eine Unterart der freigebigen Zuwendung darstellt, d. h. dass jede Schenkung i. S. d. Bürgerlichen Rechts (§§ 516 ff. BGB) immer auch eine Zuwendung i. S. d. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG ist.[1] Neben dem Grundtatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG haben die anderen in § 7 Abs. 1 Nrn. 2–10 ErbStG genannten Erwerbsvorgänge die Funktion von Ersatz- und Ergänzungstatbeständen. 3 weitere Tatbestände der Schenkung unter Lebenden werden in § 7 Abs. 6, 7, 8 ErbStG genannt. Der Katalog der Tatbestände in § 7 Abs. 1, 6, 7, 8 ErbStG ist abschließend.[2] § 7 Abs. 2–5 ErbStG sind keine Steuertatbestände, sondern setzen die Steuerbarkeit voraus und regeln ergänzende Details.

[1] RFH v. 21.5.1931, I D 1/30, RStBl 1931, 559.
[2] Weinmann, in Moench/Weinmann, ErbStG, § 7 Rz. 1; a. A. Curdt, in Kapp/Ebeling, ErbStG, § 7 Rz. 2.

1.2 Verhältnis zu anderen Vorschriften

 

Rz. 2

Das ErbStR bezweckt zunächst die Besteuerung des Erwerbs von Todes wegen (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG). Allerdings ließe sich die Erbschaftsteuerpflicht leicht umgehen, wenn sich ohne steuerrechtliche Konsequenzen bereits zu Lebzeiten des Erblassers die Vermögenswerte auf die künftigen Erben übertragen ließen. Demzufolge ist es naheliegend, dass § 1 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG als steuerpflichtige Vorgänge auch die Schenkungen unter Lebenden erfasst. §§ 3 und 7 ErbStG erläutern im Einzelnen, welche Vorgänge als Erwerbe von Todes wegen bzw. als Schenkungen unter Lebenden besteuert werden. Da § 3 ErbStG die Erbschaftsteuerpflicht auch auf Tatbestände erstreckt, die nicht durch das Erbrecht definiert werden, also aus Rechtsgeschäften unter Lebenden resultieren, folgt daraus ein grundsätzlicher Vorrang der Besteuerung nach § 3 ErbStG vor der Besteuerung nach § 7 ErbStG. Die Schenkung auf den Todesfall (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG) und der Erwerb von Todes wegen aufgrund eines Vertrags zugunsten Dritter (§ 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG) sind ebenso vorrangig nach § 3 ErbStG zu besteuern, wie die unter die Ergänzungstatbestände des § 3 Abs. 2 Nr. 47 ErbStG zu subsumierenden Vorgänge. Ausnahmsweise hat der BFH dem § 3 Abs. 1 Nr. 2 S. 1 ErbStG eine Auffangfunktion im Verhältnis zu § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG zugewiesen.[1] In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt ging es zwar um die Konstellation einer Schenkung auf den Todesfall, allerdings unter der Besonderheit einer sog. auflösenden Bedingung. Soweit man diese überhaupt unter § 2301 BGB subsumiert (§ 3 ErbStG Rz. 426), kommt der BFH trotzdem zu einem Vorrang des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG, weil der Vollzug der Schenkung durch Leistung des Gegenstandes noch zu Lebzeiten des Schenkers (auflösend bedingt) erfolgt ist.

 

Rz. 3

Obwohl die Funktion des § 7 ErbStG darin besteht, eine Besteuerungslücke durch eine Vorwegnahme des durch den Erbfall ausgelösten Vermögensübergangs zu schließen, werden auch Zuwendungsvorgänge erfasst, die keinen Erwerb in vorweggenommener Erbfolge bezwecken bzw. voraussetzen.[2] Schenkungen unter Lebenden setzen also als Beweggrund für die Vermögensübertragung nicht die künftige Erbfolge als Geschäftsgrundlage oder zumindest Motiv der rechtsgeschäftlichen Übertragung voraus.

 

Rz. 4

Rechtsfolge der Tatbestände des § 7 Abs. 1, 6, 7, 8 ErbStG ist die Steuerbarkeit einer Schenkung unter Lebenden. Daran anknüpfend wird in § 10 ErbStG der steuerpflichtige Erwerb umschrieben. Während das Prüfungsmerkmal der Bereicherung bei § 7 Abs. 1 ErbStG die freigebige Zuwendung von sonstigen Vermögensverschiebungen abgrenzen soll, wird unter der Bereicherung nach § 10 Abs. 1 S. 1 ErbStG der Wert verstanden, welcher sich nach der Wertbeimessung gem. § 12 ErbStG nach Berücksichtigung von möglichen Abzugsbeträgen (§§ 5, 13, 13a, 13c, 16, 17, 18 ErbStG) als steuerpflichtiger Erwerb ergibt.[3] Nach der allgemeinen Systematik folgt daraus ein Vorrang der Steuerbarkeit nach § 7 ErbStG vor der Steuerpflichtigkeit nach § 10 ErbStG. Dies bedeutet, dass bei der Feststellung der Steuerbarkeitsvoraussetzungen nach § 7 ErbStG die Regelungen der §§ 10 ff. ErbStG, die die steuerliche Bemessungsgrundlage festlegen, zunächst noch unberücksichtigt bleiben müssen.[4] Die steuerliche Bereicherung ist zwar Bemessungsgrundlage, nicht aber Gegenstand der Besteuerung.

 

Rz. 5

Besteuerungsgegenstand ist der durch einen steuerbaren Vorgang im Steuerentstehungszeitpunkt eingetretene Vermögenszuwachs. Dieser wiederum ist Ergebnis einer Vermögensverschiebung im Rechtssinne.[5] Daran zeigt sich das enge systematische Zusammenspiel der Steuerbarkeit nach § 7 ErbStG und der Steuerentstehung nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG. Fü...

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