Rz. 2

Das ErbStR bezweckt zunächst die Besteuerung des Erwerbs von Todes wegen (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG). Allerdings ließe sich die Erbschaftsteuerpflicht leicht umgehen, wenn sich ohne steuerrechtliche Konsequenzen bereits zu Lebzeiten des Erblassers die Vermögenswerte auf die künftigen Erben übertragen ließen. Demzufolge ist es naheliegend, dass § 1 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG als steuerpflichtige Vorgänge auch die Schenkungen unter Lebenden erfasst. §§ 3 und 7 ErbStG erläutern im Einzelnen, welche Vorgänge als Erwerbe von Todes wegen bzw. als Schenkungen unter Lebenden besteuert werden. Da § 3 ErbStG die Erbschaftsteuerpflicht auch auf Tatbestände erstreckt, die nicht durch das Erbrecht definiert werden, also aus Rechtsgeschäften unter Lebenden resultieren, folgt daraus ein grundsätzlicher Vorrang der Besteuerung nach § 3 ErbStG vor der Besteuerung nach § 7 ErbStG. Die Schenkung auf den Todesfall (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG) und der Erwerb von Todes wegen aufgrund eines Vertrags zugunsten Dritter (§ 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG) sind ebenso vorrangig nach § 3 ErbStG zu besteuern, wie die unter die Ergänzungstatbestände des § 3 Abs. 2 Nr. 47 ErbStG zu subsumierenden Vorgänge. Ausnahmsweise hat der BFH dem § 3 Abs. 1 Nr. 2 S. 1 ErbStG eine Auffangfunktion im Verhältnis zu § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG zugewiesen.[1] In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt ging es zwar um die Konstellation einer Schenkung auf den Todesfall, allerdings unter der Besonderheit einer sog. auflösenden Bedingung. Soweit man diese überhaupt unter § 2301 BGB subsumiert (§ 3 ErbStG Rz. 426), kommt der BFH trotzdem zu einem Vorrang des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG, weil der Vollzug der Schenkung durch Leistung des Gegenstandes noch zu Lebzeiten des Schenkers (auflösend bedingt) erfolgt ist.

 

Rz. 3

Obwohl die Funktion des § 7 ErbStG darin besteht, eine Besteuerungslücke durch eine Vorwegnahme des durch den Erbfall ausgelösten Vermögensübergangs zu schließen, werden auch Zuwendungsvorgänge erfasst, die keinen Erwerb in vorweggenommener Erbfolge bezwecken bzw. voraussetzen.[2] Schenkungen unter Lebenden setzen also als Beweggrund für die Vermögensübertragung nicht die künftige Erbfolge als Geschäftsgrundlage oder zumindest Motiv der rechtsgeschäftlichen Übertragung voraus.

 

Rz. 4

Rechtsfolge der Tatbestände des § 7 Abs. 1, 6, 7, 8 ErbStG ist die Steuerbarkeit einer Schenkung unter Lebenden. Daran anknüpfend wird in § 10 ErbStG der steuerpflichtige Erwerb umschrieben. Während das Prüfungsmerkmal der Bereicherung bei § 7 Abs. 1 ErbStG die freigebige Zuwendung von sonstigen Vermögensverschiebungen abgrenzen soll, wird unter der Bereicherung nach § 10 Abs. 1 S. 1 ErbStG der Wert verstanden, welcher sich nach der Wertbeimessung gem. § 12 ErbStG nach Berücksichtigung von möglichen Abzugsbeträgen (§§ 5, 13, 13a, 13c, 16, 17, 18 ErbStG) als steuerpflichtiger Erwerb ergibt.[3] Nach der allgemeinen Systematik folgt daraus ein Vorrang der Steuerbarkeit nach § 7 ErbStG vor der Steuerpflichtigkeit nach § 10 ErbStG. Dies bedeutet, dass bei der Feststellung der Steuerbarkeitsvoraussetzungen nach § 7 ErbStG die Regelungen der §§ 10 ff. ErbStG, die die steuerliche Bemessungsgrundlage festlegen, zunächst noch unberücksichtigt bleiben müssen.[4] Die steuerliche Bereicherung ist zwar Bemessungsgrundlage, nicht aber Gegenstand der Besteuerung.

 

Rz. 5

Besteuerungsgegenstand ist der durch einen steuerbaren Vorgang im Steuerentstehungszeitpunkt eingetretene Vermögenszuwachs. Dieser wiederum ist Ergebnis einer Vermögensverschiebung im Rechtssinne.[5] Daran zeigt sich das enge systematische Zusammenspiel der Steuerbarkeit nach § 7 ErbStG und der Steuerentstehung nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG. Für die Steuerbarkeit entscheidend ist der Wechsel der Rechtszuständigkeit in Folge einer rechtsgeschäftlichen Verfügung und nicht das schuldrechtliche Kausal- oder Verpflichtungsgeschäft, welches den Gegenstand und den Umfang der Zuwendung festschreibt. Werden z. B. ein bestehender und ein erst künftig durch Kapitalerhöhung neu entstehender GmbH-Geschäftsanteil in einer notariellen Urkunde übertragen, handelt es sich trotzdem um 2 voneinander zu unterscheidende Zuwendungen; der Zeitpunkt der Ausführung der jeweiligen Zuwendung ist für jeden der Geschäftsanteile eigenständig zu beurteilen.[6] In dem Sonderfall des § 7 Abs. 7 ErbStG tritt der Vermögensübergang durch Anwachsung kraft Gesetzes und damit nicht auf rechtsgeschäftlicher Grundlage ein. Ausnahmsweise liegt nach der Rspr. des BFH der Ausführungszeitpunkt bei der Übereignung von Grundstücken vor dem Übergang des Eigentums (§ 9 ErbStG Rz. 100 ff.).

 

Rz. 6

Nach einhelliger Ansicht wird demzufolge ein (formwirksames) Schenkungsversprechen, welches einen Anspruch begründet, noch nicht als Zuwendung gewertet, die eine Besteuerung auslöst.[7] Daran ändert sich auch nichts, wenn zur Sicherung des (künftigen) Anspruchs eine Vormerkung in das Grundbuch eingetragen wird.[8] Dies stimmt grundsätzlich mit dem aus dem Parteiwillen abzuleitenden Zuwend...

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