Rz. 407

Der Verschonungsabschlag (§ 13a Abs. 1 ErbStG) und der Abzugsbetrag (§ 13a Abs. 2 ErbStG) fallen mit Wirkung für die Vergangenheit weg, soweit der Erwerber innerhalb der Behaltefrist gegen die gesetzlichen Behaltensregelungen verstößt (§ 13a Abs. 6 S. 1 ErbStG).[1] Die Behaltefrist beträgt im Fall der Regelverschonung 5 Jahre und im Fall der Optionsverschonung 7 Jahre (§ 13a Abs. 10 S. 1 Nr. 6 ErbStG). Die Behaltensregelungen gelten seit dem 1.1.2009 inhaltlich unverändert[2]; im Rahmen der Erbschaftsteuerreform 2016[3] hat sich lediglich die Absatznummerierung geändert (seit dem 1.7.2016: § 13a Abs. 6 ErbStG; bis zum 30.6.2016: § 13a Abs. 5 ErbStG a. F.).

 

Rz. 408

Mit der Behaltensregelung will der Gesetzgeber sicherstellen, dass der Erwerber das Unternehmen für eine gewisse Zeit weitgehend unverändert fortführt. Die steuerliche Verschonung wird u. a. damit begründet, dass das begünstigte Vermögen in dem Unternehmen gebunden ist und somit nicht zur Begleichung der Steuer zur Verfügung steht. Dieser Rechtfertigungsgrund entfällt, wenn der Erwerber das Unternehmen veräußert ("Kasse macht"). Der Erwerber hat die steuerliche Verschonung dann nicht mehr verdient. Von diesem ursprünglichen Grundgedanken hat sich die heutige Behaltensregelung mit ihren zahlreichen (Ersatz-)Tatbeständen allerdings weit entfernt. Für einen Verstoß gegen die Behaltensregelung kommt es zudem nicht auf ein "Verschulden" des Erwerbers an. Der zwangsweise Notverkauf in der Unternehmenskrise ist genauso steuerschädlich wie jeder andere Verkauf. Selbst für die Insolvenz ist (trotz wiederholter Anregungen) bis heute keine Ausnahme vorgesehen.

 

Rz. 409

Die Dauer der Behaltefrist war immer wieder Gegenstand von politischen Diskussionen und wurde in den letzten Jahren mehrfach geändert. Ursprünglich war eine Behaltefrist von 15 Jahren geplant. Im Vorfeld des Erbschaftsteuerreformgesetzes 2009[4] hat der Gesetzgeber dies wie folgt begründet (BT-Drs. 16/7918, 34, BR-Drs. 4/08, 54 f.):

Zitat

Entzieht der Erwerber das begünstigte Vermögen oder Teile hiervon der Zweckbindung in seiner Hand durch dessen Veräußerung oder Aufgabe innerhalb von 15 Jahren nach dem Erwerb, ist es angemessen, dass der Erwerber für dieses Vermögen die Verschonung verliert und die darauf entfallende Erbschaftsteuer zahlen muss, zumal hierbei in der Regel auch die Mittel zur Begleichung der Erbschaftsteuer frei werden. Die einzelnen Voraussetzungen für den Wegfall der Begünstigung entsprechen den Regelungen in § 13a Abs. 5 ErbStG. Soweit der Erlös aus der Veräußerung von Teilbetrieben oder wesentlichen Betriebsgrundlagen im betrieblichen Interesse verwendet und damit die Zweckbindung beibehalten wird, ist von einer Nachversteuerung abzusehen. Wegen des verdreifachten Behaltenszeitraums von 15 Jahren wird der Betrag der unschädlichen Überentnahmen auf 150.000 Euro verdreifacht. Bei begünstigten Anteilen an Kapitalgesellschaften soll auch der Wegfall bestehender Verfügungsbeschränkungen oder Stimmrechtsbündelungen, die Voraussetzungen dafür waren, dass ein Anteil unterhalb der Mindestbeteiligung begünstigt werden konnte, zum Wegfall der Verschonung führen.

 

Rz. 410

Auf Anregung des Finanzausschusses des Deutschen Bundestags wurde im Erbschaftsteuerreformgesetz 2009[5] dann eine Behaltefrist von 7 Jahren (bzw. 10 Jahren) vorgesehen.[6] Diese Behaltefrist wurde im Hinblick auf das "schnelllebige Wirtschaftsystem" zu Recht als ausreichend angesehen.

 

Rz. 411

Im Rahmen des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes 2010[7] hat der Gesetzgeber die Behaltefrist dann auf die heute geltende Dauer von 5 Jahren (im Falle der Regelverschonung) und 7 Jahre (im Falle der Optionsverschonung) verkürzt. Diese Behaltefristen gelten (rückwirkend) seit dem 1.1.2009 (§ 37 Abs. 3 ErbStG).

 

Rz. 412

Der BFH hat in seinem Vorlagebeschluss aus dem Jahr 2012 die Auffassung vertreten, dass die Behaltefristen von 5 bzw. 7 Jahren "unverhältnismäßig kurz" sind und daher die steuerliche Verschonung nicht rechtfertigen können. Das BVerfG ist dieser Kritik zu Recht nicht gefolgt.[8] Die Behaltefristen bewegen sich im Rahmen des Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers. Demnach bestand keinerlei Notwendigkeit für eine Änderung der Behaltefristen.

 

Rz. 413

Zu Besonderheiten bei optierenden Gesellschaften (i. S. v. § 1a KStG) aufgrund des am 1.1.2022 in Kraft getretenen Gesetzes zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts ("KöMoG") s. § 13a ErbStG Rz. 39b.

 

Rz. 414–415

einstweilen frei

[1] R E 13a.12 Abs. 1 ErbStR 2019.
[2] R E 13a.12 ErbStR 2019.
[3] BGBl I 2016, 2464, BStBl I 2016, 1202.
[4] BGBl I 2008, 3018, BStBl I 2009, 140.
[5] BGBl I 2008, 3018, BStBl I 2009, 140.
[6] BT-Drs. 16/11107, S. 12.
[7] BGBl I 2009, 3950, BStBl I 2010, 2.
[8] BVerfG v. 17.12.2014, 1 BvL 21/12, BVerfGE 138, 136, BStBl II 2015, 50, DStR 2015, 31.

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