Rz. 185

Bei der Zusammenrechnung mehrerer Erwerbe begünstigten Vermögens können grundsätzlich nur solche Erwerbe berücksichtigt werden, für die Steuer nach dem 30.6.2016 entstanden ist (§ 13a Abs. 1 S. 2, § 37 Abs. 12 S. 1 ErbStG).

 

Rz. 186

Umstritten ist dagegen, ob und inwieweit auch Erwerbe begünstigten Vermögens, für die Steuer vor dem 1.7.2016 entstanden ist, mit einzubeziehen sind. Ursache des Streits ist eine besondere Regelung über den zeitlichen Anwendungsbereich der neuen Vorschrift (§ 37 Abs. 12 S. 2 ErbStG). Diese lautet auszugsweise wie folgt:

Zitat

§ 13a Abs. 1 Satz 3 und 4 ErbStG n. F. findet auf frühere Erwerbe Anwendung, für die die Steuer nach dem 30.06.2016 entsteht.

Dies wird teilweise so verstanden, dass alle Erwerbe vor dem 30.6.2016 und nach dem 30.6.2016 (innerhalb von 10 Jahren) zusammenzurechnen sind.

 

Rz. 187

FinVerw[1] und Schrifttum[2] sind überwiegend der Auffassung, dass alle Erwerbe vor und nach dem 30.6.2016 (innerhalb von 10 Jahren) zusammenzurechnen sind. Die Zusammenrechnung soll allerdings nicht dazu führen, dass die Besteuerung für die früheren Erwerbe vor dem 30.6.2016 nachträglich nochmals geändert wird. Diese Besteuerung (einschl. der gewährten Steuerbegünstigung) soll vielmehr unverändert bestehen bleiben, und zwar auch dann, wenn die Steuer für die früheren Erwerbe noch nicht bestandskräftig festgesetzt worden ist. Dagegen soll die Steuer für die neuen Erwerbe seit dem 30.6.2016 auf der Grundlage der zusammengerechneten Erwerbe ermittelt werden. Im Ergebnis sollen die früheren Erwerbe somit mit in die Zusammenrechnung einbezogen werden, die sich daraus ergebenden nachteiligen Folgen aber auf die Zeit nach dem 30.6.2016 beschränkt werden.

 

Rz. 188

Richtigerweise[3] sind bei der Zusammenrechnung nur solche (früheren und späteren) Erwerbe von "begünstigtem Vermögen" (§ 13b Abs. 2 ErbStG n. F.) einzubeziehen, für die die Steuer nach dem 30.6.2016 entstanden sind. Alle Erwerbe, für die die Steuer vor dem 30.6.2016 entstanden ist, dürfen dagegen nicht mit einbezogen werden.

 

Rz. 189

Für diese Auslegung spricht zunächst der Gesetzeswortlaut. Eine Zusammenrechnung ist nur für Erwerbe "begünstigten Vermögens im Sinne des § 13b Absatz 2" vorgesehen (§ 13a Abs. 1 S. 2 ErbStG). Begünstigtes Vermögen in diesem Sinne gibt es aber frühestens seit dem 1.7.2016. Die neue Bestimmung des begünstigten Vermögens gab es vorher überhaupt nicht. Das begünstigte Vermögen nach neuem Recht (i. S. v. § 13b Abs. 2 ErbStG n. F.) ist auch nicht etwa identisch mit dem begünstigten Vermögen nach altem Recht (§ 13b Abs. 1 ErbStG a. F.). Vielmehr hat der Gesetzgeber den Begriff des begünstigten Vermögens völlig neu (und anderes als bisher) bestimmt. Erwerbe vor dem 30.6.2016 können demnach bei der Zusammenrechnung nicht berücksichtigt werden.

 

Rz. 190

Die Beschränkung der Zusammenrechnung auf Erwerbe seit dem 1.7.2016 vermeidet zudem eine unzulässige Rückwirkung und entspricht somit dem Grundsatz der verfassungskonformen Auslegung.[4]

 

Rz. 191–195

einstweilen frei

[1] Sehr ausführlich dazu R E 13a.2 ErbStR 2019, insb. Abs. 3.
[2] Hannes, ZEV 2016, 554, 560; Thonemann-Micker, DB 2016, 2312, 2322; Söffing, M., ErbStB 2016, 339, 346; Zipfel/Lahme, DStZ 2016, 566.
[3] So auch Stalleiken, in v. Oertzen/Loose, ErbStG, § 13a Rz. 35 m. w. N.; gegen eine Zusammenrechnung (im Zusammenhang mit einem derzeit anhängigen Verfahren beim FG Hamburg) auch Milatz/Schrepp, DB 2022, 1736.
[4] Zu einer möglichen Steuerpause für den Erwerb von Privatvermögen im Zeitraum v. 1.7.2016 bis zum 9.11.2016 s. o. Rz. 83 ff., 89; ausführlich zum Ganzen u. a. Crezelius, ZEV 2016, 367; Crezelius, ZEV 2016, 541; Drüen, DStR 2016, 643; Seer, GmbHR 2015, 673; Seer/Michalowski, GmbHR 2017, 609.

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