6.6.6.2.1 Bewertung des Erbbaurechts (§ 193 BewG)

 

Rz. 558

Nach § 193 Abs. 1 BewG ist der Wert des Erbbaurechts vorrangig im Vergleichswertverfahren zu ermitteln. Dessen Anwendung kommt allerdings nur in Betracht, wenn für das Erbbaurecht Vergleichskaufpreise oder aus Kaufpreisen abgeleitete Vergleichsfaktoren vorliegen. Vergleichskaufpreise sind möglichst

  • innerhalb der gleichen Grundstücksart,
  • mit annähernd gleich hohen Erbbauzinsen,
  • in Gebieten mit annähernd gleichem Bodenwertniveau,
  • mit annähernd gleicher Restlaufzeit,
  • und annähernd gleichen Möglichkeiten der Anpassung der Erbbauzinsen

zu wählen.[1] Da Erbbaurechte nur einen relativ geringen Teil der Verkaufsfälle ausmachen und die Bedingungen der Erbbaurechte individuell sehr unterschiedlich ausgestaltet sind, werden sich geeignete Vergleichsfälle nur in Ausnahmefällen ermitteln lassen. In der Praxis wird das Vergleichswertverfahren bei der Bewertung von Erbbaurechten deshalb eher geringe Bedeutung haben.[2]

 

Rz. 559

Ist die Wertermittlung im Vergleichswertverfahren nicht möglich, setzt sich der Wert des Erbbaurechts nach § 193 Abs. 2 BewG zusammen aus einem Bodenwertanteil nach § 193 Abs. 3 BewG und einem Gebäudewertanteil nach § 193 Abs. 5 BewG. Das Verfahren ist der finanzmethodischen Methode der Rz. 4.3.2 WertR 2006 nachgebildet. Aus Vereinfachungsgründen wird auf die Anwendung von Marktanpassungsfaktoren verzichtet.[3]

Im Überblick stellt sich das Verfahren wie folgt dar:

 
Bodenwertanteil[4] Gebäudewertanteil[5]
angemessener Verzinsungsbetrag des Bodenwerts des unbelasteten Grundstücks[6]  
./. vertraglich vereinbarter jährlicher Erbbauzins  
=  
Unterschiedsbetrag Gebäudeertrags- oder Gebäudesachwert
× ./. (ggf.)
Vervielfältiger Gebäudewertanteil des Erbbaugrundstücks
=  
Bodenwertanteil + Gebäudewertanteil
= Grundbesitzwert
[1] Bericht des Finanzausschusses, BT-Drs. 16/11107, 24.
[2] Drosdzol, ZEV 2008, 177, 180.
[3] Bericht des Finanzausschusses, BT-Drs. 16/11107, 24; Pauli, Beilage zu FR 11/2009, 2, 17.

6.6.6.2.2 Bodenwertanteil

 

Rz. 560

Der Bodenwertanteil des Erbbaurechts entspricht dem wirtschaftlichen Vorteil, der sich daraus ergibt, dass der Erbbauberechtigte über die Restlaufzeit des Erbbaurechts nicht den vollen Bodenwertverzinsungsbetrag leisten muss. Der Bodenwertanteil kann auch negativ sein, wenn der vereinbarte Erbbauzins (z. B. infolge stark gefallener Bodenpreise) höher ist als der bei Neuabschluss zum Bewertungsstichtag übliche Erbbauzins.[1]

Der angemessene Verzinsungsbetrag des Bodenwerts des unbelasteten Grundstücks ergibt sich durch Anwendung des Liegenschaftszinssatzes, der von den Gutachterausschüssen i. S. d. § 192 ff. BauGB ermittelt wurde, auf den Bodenwert nach § 179 BewG.[2]

 

Rz. 561

Soweit von den Gutachterausschüssen keine geeigneten Liegenschaftszinssätze zur Verfügung stehen, gelten nach § 193 Abs. 4 S. 2 BewG die folgenden Zinssätze:

  1. 3 % für Ein- und Zweifamilienhäuser und Wohnungseigentum, das wie Ein- und Zweifamilienhäuser gestaltet ist,
  2. 5 % für Mietwohnungsgrundstücke und Wohnungseigentum, das nicht unter Nr. 1 fällt,
  3. 5,5 % für gemischt genutzte Grundstücke mit einem gewerblichen Anteil von bis zu 50 %, berechnet nach der Wohn- und Nutzfläche, sowie sonstige bebaute Grundstücke,
  4. 6 % für gemischt genutzte Grundstücke mit einem gewerblichen Anteil von mehr als 50 %, berechnet nach der Wohn- und Nutzfläche, und
  5. 6,5 % für Geschäftsgrundstücke und Teileigentum.

In den Fällen der Nrn. 2–4 entsprechen die Liegenschaftszinssätze denen, die nach § 188 Abs. 2 S. 2 Nrn. 24 BewG bei der Anwendung des Ertragswertverfahrens gelten.

Der deutlich geringere Satz für Ein- und Zweifamilienhäuser und entsprechendes Wohneigentum dürfte den Umstand widerspiegeln, dass es sich dabei um Objekte handelt, die typischerweise selbstgenutzt werden und bei denen Erwerber höhere Grundstückspreise als bei typischen Renditeobjekten zu zahlen bereit sind. Die von den Gutachterausschüssen ermittelten Liegenschaftszinssätze bewegen sich für diese Grundstücksarten je nach Lage zwischen 0,7 % und 4,9 %, sodass der Ansatz von 3 % für viele Gegenden nachteilig sein kann.[3]

Maßgebender Erbbauzins ist nach § 193 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 BewG der am Bewertungsstichtag vertraglich vereinbarte jährliche Erbbauzins. Dabei ist stets auf die vertraglichen Vereinbarungen abzustellen; auf den tatsächlich gezahlten Erbbauzins kommt es nicht an.[4] Sind Erbbauzinsen während der Laufzeit des Erbbaurechts in unterschiedlicher Höhe vereinbart (z. B. bei Sonderzahlungen oder gestaffeltem Erbbauzins), lässt es die FinVerw aus Vereinfachungsgründen zu, dass ein durchschnittlicher Jahresbetrag aus den insgesamt nach dem Bewertungsstichtag zu leistenden Erbbauzinsen in Abhängigkeit von der Restlaufzeit gebildet wird.[5] Künftige Anpassungen aufgrund von Wertsicherungsklauseln (z. B. Anknüpfung der Erbbauzinsen an den Lebenshaltungskostenindex) sind nicht zu berücksichtigen.[6]

 

Rz. 562

Der Unterschiedsbetrag zwischen dem angemessenen Verzinsungsbetrag des unbelasteten Grundstücks und dem vertraglich ...

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