Entscheidungsstichwort (Thema)

Besteuerung von Abfindungen bei Wohnsitz im Ausland (DBA Großbritannien 1964)

 

Leitsatz (amtlich)

Eine von einem deutschen Arbeitgeber gezahlte Abfindung aus Anlass der Beendigung eines in Deutschland durchgeführten Arbeitsverhältnisses kann nach dem DBA Großbritannien 1964 nicht in Deutschland besteuert werden, wenn im Zeitpunkt des Zuflusses der Abfindung der Arbeitnehmer nur noch in Großbritannien einen Wohnsitz hat (Anschluss an BFH-Rechtsprechung zu DBA Schweiz).

Ein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten liegt nicht vor, wenn der Steuerpflichtige wirtschaftliche Gründe für die Verlegung seines Wohnsitzes hatte, auch wenn der Zeitpunkt des Umzugs so gewählt wurde, dass er bei Fälligkeit und Auszahlung der Abfindung nur noch in Großbritannien ansässig war.

 

Normenkette

AO § 42; EStG § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 24 Nr. 1 a, § 49 Abs. 1 Nr. 4 d, § 50d Abs. 8-9; DBA Großbritannien 1964 Art. XI Abs. 2-3, Art. 11 Abs. 2-3

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Kläger im Zeitpunkt des Zuflusses einer Abfindung als in Großbritannien ansässig anzusehen war mit der Folge, dass nach dem DBA Großbritannien 1964 das Besteuerungsrecht ausschließlich bei Großbritannien liegt.

Der am 1962 geborene Kläger war bis 31.12.2008 Vorsitzender der Geschäftsführung der D GmbH, einer Tochtergesellschaft der D AG; der Anstellungsvertrag war mit der D AG abgeschlossen.

Am 15.05.2008 schlossen der Kläger und die D AG einen Aufhebungsvertrag, nach dem der Anstellungsvertrag zum 31.12.2008 beendet wurde; zum Ausgleich für den Verlust seines Arbeitsplatzes wurde dem Kläger eine Abfindung in Höhe von 500.000 € brutto zugesagt. Diese Abfindung wurde auf dem Konto des Klägers am 05.01.2009 gutgeschrieben.

Am 10.12.2008 gab der Kläger seinen Wohnsitz in Deutschland auf und mietete in London eine Wohnung an. Der Mietvertrag war zunächst befristet für sechs Monate abgeschlossen (Ziffer 1.6.1). Nach Ablauf der Befristung verlängerte der Kläger den Mietvertrag jeweils um einen Monat bis zu seinem Auszug. Zum 01.09.2009 zog der Kläger wieder nach Deutschland.

Der Beklagte erfasste die Abfindung im Einkommensteuerbescheid für 2009. Die sog. Fünftel-Regelung wendete er nicht an, da die Abfindung die bis Ende 2009 entgehenden Einnahmen nicht überstieg.

Der Kläger legte hiergegen Einspruch ein.

Zur Begründung trug er vor, er sei im Zeitpunkt des Bezugs der Abfindung „resident“ im Sinne des nationalen britischen Steuerrechts gewesen und deshalb sei die Abfindung ausschließlich in Großbritannien zu versteuern.

Er habe vor seinem Umzug im Zusammenhang mit einer geplanten Beratungstätigkeit im Telekommunikationsbereich die B Ltd. gegründet.

Nach dem BMF-Schreiben vom 14.09.2006, Rz. 21 (BStBl I S. 532) seien Abfindungen, die einem Arbeitnehmer anlässlich seines Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis gezahlt würden, regelmäßig als nachträgliche Tätigkeitsvergütungen den Einnahmen aus nicht selbstständiger Arbeit zuzuordnen. Es handele sich nicht um zusätzliches Entgelt für die frühere Tätigkeit. Deshalb sei für die Besteuerung der Zeitpunkt der Auszahlung maßgeblich.

Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 05.02.2015 als unbegründet zurück.

Zur Begründung führte er aus, der Kläger habe in der Zeit vom 10.12.2008 bis 31.08.2009 in Deutschland weder einen Wohnsitz noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt gehabt. Damit habe keine unbeschränkte Steuerpflicht in Deutschland bestanden.

Eine natürliche Person sei in Großbritannien mit ihrem gesamten Welteinkommen unbeschränkt steuerpflichtig, wenn sie dort „resident“ sei. Eine gesetzliche Definition dieses Begriffs gebe es nicht. Der Begriff leite sich vielmehr aus der britischen Rechtsprechung ab. Maßgeblich seien die tatsächlichen Umstände. Dabei zählten nicht nur die tatsächlichen Tage des Aufenthalts, sondern es sei eine Wertung anhand der Gesamtumstände vorzunehmen.

Eine Person, die einen Aufenthalt von weniger als zwei Jahren plane, oder die noch nicht wisse, wie lange sie bleiben werde, begründe die Ansässigkeit in Großbritannien erst, wenn sie sich mindestens 183 Tage im britischen Steuerjahr dort aufhalte oder in vier aufeinander folgenden Steuerjahren jeweils mindestens 91 Tage dort anwesend sei (Levedag in Wassermeyer, DBA Großbritannien, Anhang Rz. 17 ff.). Dabei spiele die Absicht, mit der der Aufenthalt in Großbritannien begründet worden sei, keine Rolle.

Nach britischem nationalem Steuerrecht werde in Großbritannien durch die Wohnsitznahme nicht automatisch die unbeschränkte Steuerpflicht ausgelöst. Maßgeblich sei die physische Anwesenheit im britischen Steuerjahr, das vom 06.04. eines Jahres bis zum 05.04. des jeweiligen Folgejahres dauere. Verbringe eine Person mehr als 183 Tage im Steuerjahr in Großbritannien, dann gelte sie unwiderleglich als „resident“.

Der Kläger sei im Steuerjahre 2008/2009 nur an 116 Tagen und im Steuerjahr 2009/2010 nur an 148 Tagen in Großbritannien anwesend gewesen und erfülle damit die zeitlichen Voraussetzungen für die unwiderlegbare Vermutung...

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