Entscheidungsstichwort (Thema)

Britische Remittance-Base-Besteuerung als Vorzugsbesteuerung im Sinne der erweitert beschränkten Steuerpflicht. kein Verstoß des § 2 AStG gegen das Bestimmtheitsgebot und die Kapitalverkehrsfreiheit. unvollständige Sachaufklärung des Finanzamts. - Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH: IX R 37/21)

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die „remittance basis”-Besteuerung nach britischem Recht ist eine Vorzugsbesteuerung im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AStG in Verbindung mit § 2 Abs. 2 Nr. 2 AStG, weil die für britische Staatsangehörige mit ständigem Wohnsitz und Aufenthalt im Vereinigten Königreich „resident” und „ordinary Resident” und „domiciled”) im Streitjahr geltenden Einkommensteuervorschriften keine Besteuerung der Kapitaleinkünfte auf „remittance basis” vorsahen.

2. § 2 AStG ist hinsichtlich der Tatbestandsvoraussetzungen „Vorzugsbesteuerung” und „erhebliche Minderung” in Abs. 2 Nr. 2 hinreichend bestimmt und daher nicht verfassungswidrig.

3. Deutschland ist nach den Vorschriften des DBA-GB 1964/1970 berechtigt, für inländische Zins- und Dividendeneinkünfte eines im Vereinigten Königreich Ansässigen Einkommensteuer nach § 2 AStG zu erheben.

4. Es liegt keine unzulässige Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit darin, dass § 2 AStG an die Staatsangehörigkeit des Steuerpflichtigen anknüpft und diesem hieraus nachteilige Folgen erwachsen.

5. Gebundene Verwaltungsakte dürften vom Finanzgericht nicht allein deshalb aufgehoben werden, weil die Finanzbehörde den Sachverhalt unvollständig ermittelt hat. Nur sachlich unrichtige Verwaltungsakte unterliegen der gerichtlichen Kassation. Stützt der gerichtlich ermittelte Sachverhalt den angefochtenen Verwaltungsakt, so bleibt dieser bestehen.

 

Normenkette

AStG § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 2; DBA GBR 1964/70 Art. VI; DBA GBR 1964/70 Art. VII; DBA GBR 1964/70 Art. II Abs. 2; AEUV Art. 63; GG Art. 20 Abs. 3; AO §§ 88, 127; FGO § 76 Abs. 1 S. 1

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist der Ansatz von Einkünften aus Kapitalvermögen im Rahmen der sogenannten erweitert beschränkten Einkommensteuerpflicht gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Außensteuergesetz.

Die Klägerin ist deutsche Staatsangehörige. In den Jahren ab 1991 bis einschließlich 21. Dezember 2000 war sie in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig. Danach verzog sie von Deutschland nach London, wo sie seitdem mit ihrem Ehemann (Jahr der Eheschließung: 2001) lebte. Über einen inländischen Wohnsitz verfügte sie im Streitjahr 2006 nicht. Sie erzielte im Inland in 2006 unstreitig folgende Einkünfte:

  • Einkünfte aus Kapitalvermögen, deren Schuldner seinen Wohnsitz, seine Geschäftsleitung oder seinen Sitz im Inland hat, in Höhe von 30.979 EUR (davon Zinsen in Höhe von 20.535 EUR und Dividenden in Höhe von 10.444 EUR),
  • Einkünfte aus der Vermietung von zwei in X belegenen Grundstücken in Höhe von … EUR und
  • sonstige Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften in Höhe von … EUR.
  • Im Ausland erzielte sie im Streitjahr folgende Einkünfte:
  • Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit in Höhe von … EUR,
  • Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von … EUR,
  • Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von … EUR und
  • sonstige Einkünfte in Höhe von … EUR.

Mit Einkommensteuerbescheid vom 21. Februar 2008, zuletzt während des Einspruchsverfahrens geändert durch Bescheid vom 9. Juli 2012, veranlagte der Beklagte (nachfolgend: Finanzamt) ein zu versteuerndes Einkommen von … EUR. Dies setzte sich zusammen aus Vermietungseinkünften, die nach § 49 des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung (EStG) der allgemeinen beschränkten Steuerpflicht unterliegen, in Höhe von … EUR und Einkünften aus Kapitalvermögen, die der erweitert beschränkten Steuerpflicht nach § 2 des Außensteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung (AStG) unterliegen, in Höhe von 30.979 EUR. Die sonstigen im Inland erzielten Einkünfte in Höhe von … EUR blieben nach dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung vom 26. November 1964 (BGBl II 1966, 359, BStBl I 1966, 730) i.d.F. des Revisionsprotokolls vom 23. März 1970 (BGBl II 1971, 46, BStBl I 1971, 140) – DBA –Großbritannien 1964/1970 – (nachfolgend: DBA-GB) steuerfrei. Sonderausgaben, die nicht Vorsorgeaufwendungen sind, kamen in Höhe von … EUR in Abzug. Für die Berechnung des Steuersatzes wurden die im Ausland erzielten Einkünfte von insgesamt … EUR einbezogen. Die tarifliche Einkommensteuer beträgt danach … EUR, als zu entrichtende Einkommensteuer nach Anrechnung der einbehaltenen Kapitalertragssteuer von … EUR verbleiben … EUR.

Die Klägerin legte gegen den Änderungsbescheid vom 2. März 2011, mit dem der Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) aufgehoben wurde, fristgemäß Einspruch ein. Danach wurde zunächst der Au...

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