Entscheidungsstichwort (Thema)

Bewertung von Pflegeleistungen

 

Leitsatz (amtlich)

Übernimmt es der Beschenkte, den Schenker persönlich zu pflegen, bestimmt sich der Wert der als Gegenleistung zu berücksichtigenden Pflegeleistung weder nach § 36 Abs. 3 SGB XI, noch nach dem üblichen Stundensatz eines Pflegedienstes, sondern nach dem Tariflohn für so genannte ungelernte Pflegekräfte.

 

Normenkette

ErbStG § 7 Abs. 1 Nr. 1, § 12 Abs. 1; BewG § 5 Abs. 2, § 6 Abs. 1-2; BGB § 158 Abs. 1, § 612; SGB XI § 36 Abs. 3

 

Tatbestand

Strittig ist, in welcher Höhe eine im Rahmen einer Grundstücksübertragung eingegangene Pflegeverpflichtung als Gegenleistung bei der Schenkungsteuer zu berücksichtigen ist.

Durch notariellen Vertrag vom 22. November 2002 (Bl. 4-7 Schenkungsteuerakte23/486/3139/3) übertrug die am 6. Januar 1921 geborene A. L. das ihr gehörende und im Jahr 1954 mit einem Haus bebaute Grundstück „F-Straße ...“ in B auf die Klägerin (§ 2 des Übergabevertrages). Der Verkehrswert des Hausgrundstückes betrug laut § 2 des Übergabevertrages zum Übergabezeitpunkt 180.000 €. Den auf der Basis des steuerlichen Bewertungsrechts ermittelten Grundbesitzwert stellte das Lagefinanzamt durch bestandskräftigen Bescheid vom 19. August 2003 (Bl. 13 Schenkungsteuerakte 23/486/3139/3) mit 120.500 € gesondert fest. Die Übergeberin behielt sich den lebenslänglichen Nießbrauch am übertragenen Grundbesitz vor (§ 3 Nr. 1 des Übergabevertrages). Im Gegenzug verpflichtete sich die Klägerin in § 3 Nr. 2 des Übergabevertrages für die Übergeberin folgende Tätigkeiten zu verrichten:

„Frau E. P. (die Klägerin, Anm. d. Neutralisierenden) verpflichtet sich und ihre Rechtsnachfolger, dem Übergeber lebenslang entsprechend den bisherigen Lebensgewohnheiten sowie den jeweiligen Bedürfnissen das Essen zu bereiten, die Wohnung sauber zu halten, die Wäsche zu waschen und alle sonstigen Verrichtungen des täglichen Lebens abzunehmen, soweit Berechtigter wegen Alter, Krankheit oder Gebrechlichkeit hierzu nicht mehr in der Lage ist. Die Pflegepflicht besteht jedoch nur, soweit sie nach dem Urteil des Hausarztes des Berechtigten vom Übernehmer ohne Inanspruchnahme fremder Hilfe fachgerecht geleistet werden kann und einen durchschnittlichen täglichen Zeitaufwand von einer Stunde nicht übersteigt.

Diese Pflegepflicht ruht für die Dauer einer auswärtigen Unterbringung und lebt bei der Rückkehr wieder auf; in diesem Fall ist für ersparte Aufwendungen während der auswärtigen Unterbringung kein Ersatz zu leisten.

Es handelt sich um ein reines Pflegerecht, so dass der Übernehmer insbesondere für die Kosten der Verpflegung und der Medikamente nicht aufzukommen hat.

Falls Berechtigtem wegen seiner Pflegebedürftigkeit aufgrund Gesetzes oder Versicherungsvertrag Geldleistungen zustehen, kann die Übernahme der Pflege, für welche diese Geldleistung gewährt wird, davon abhängig gemacht werden, dass der Anspruch auf Auszahlung an den Übernehmer abgetreten oder die Beträge an diesen weitergegeben werden.

Zur Sicherung dieses Pflegerechts wird an dem gesamten vorstehend übertragenen Grundbesitz eine Reallast zu Gunsten des Übergebers bestellt und nachstehend zur Eintragung bewilligt.

Der Jahreswert des Pflegerechts beträgt 9.000 Euro.“ (Zitat)

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Übergabevertrag vom 22. November 2002 verwiesen.

In ihrer Schenkungsteuererklärung vom 16. Juli 2003 (Bl. 9-11 Schenkungsteuerakte 23/486/3139/3) gab die Klägerin den Jahreswert der Pflegeverpflichtung mit 9.000 € und die von ihr getragenen Notarkosten mit 783 € an. Für die Entgegennahme des Schenkungsteuerbescheides wurde dem Verfahrensbevollmächtigten „Empfangsvollmacht“ erteilt (Rubrik „F. Sonstige Anträge, Bemerkungen“ der Schenkungsteuererklärung).

Der Beklagte beurteilte den Übertragungsvorgang zunächst als Grundstücksschenkung ohne Gegenleistungsverpflichtung; die Schenkungsteuer setzte er im Bescheid vom 19. Februar 2004 (Bl. 16-18 Schenkungsteuerakte 23/486/3139/3) auf 25.139 € fest und stundete im Hinblick auf den Nießbrauchsvorbehalt gemäß § 25 ErbStG hiervon 6.118 € zinslos. Die Bekanntgabe des Schenkungsteuerbescheides erfolgte per einfachen Brief an die Klägerin (Bl. 16 Schenkungsteuerakte 23/486/3139/3). Am 29. Juli 2004 erhob der Verfahrensbevollmächtigte für die Klägerin Einspruch und wandte ein, dass die Besteuerung nach den Grundsätzen der gemischten Schenkung zu erfolgen habe, da die Pflegeverpflichtung mit einem kapitalisierten Wert in Höhe von 47.853 € (= 9.000 € Jahreswert der Pflegeleistung x 5,31 Vervielfältiger) als Gegenleistung zu berücksichtigen sei (Bl. 27/28 Schenkungsteuerakte23/486/3139/3). Wegen der Bekanntgabe des Schenkungsteuerbescheides unmittelbar an die Klägerin sah der Beklagte den Einspruch als fristgemäß an und gab ihm in der Einspruchsentscheidung vom 3. Dezember 2004 (Bl. 48-55 Schenkungsteuerakte 23/486/3139/3) insoweit teilweise statt, als er die Pflegeverpflichtung -- ausgehend von einem Stundenlohnsatz von 12 € -- mit einem Kapitalwert in Höhe von 23.289 € (= 3...

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