Revision eingelegt (BFH III R 33/23)

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine rückwirkende Festsetzung von Kindergeld für ausländische Kindergeldberechtigte nach § 66 Abs. 3 EStG i. d. F. des StUmgBG vom 23. 6. 2017

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die durch das StUmgBG vom 23.06.2017 (BGBl I 2017, 1682) eingeführte und für nach dem 31.12.2017 und vor dem 18.07.2019 eingegangene Kindergeldanträge geltende Ausschlussfrist des § 66 Abs. 3 EStG ist dem Festsetzungsverfahren und nicht dem Erhebungsverfahren zuzuordnen und begrenzt die Festsetzung von Kindergeld auf einen Zeitraum von sechs Monaten vor Antragstellung (vgl. u. a. BFH III R 66/18 vom 19. 2. 2020).

2. Die fristwahrende Weiterleitung eines Kindergeldantrages nach Art. 81 der VO Nr. 883/2004 kommt für Anträge, die vor deren Inkrafttreten am 01.05.2010 eingegangen sind, nicht in Betracht (vgl. BFH III R 37/19 vom 9. 9. 2020).

3. § 66 Abs. 3 EStG i.d.F. des Gesetzes vom 23.06.2017 ist verfassungsgemäß (vgl. u.a. BFH VIII R 68/00 vom 14. 5.2002). Die Regelung führt nicht zu einer mittelbaren Diskriminierung von Angehörigen anderer EU-Mitgliedsstaaten, da sie für alle Kindergeldberechtigten gilt, unabhängig davon, wo sie ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben und worauf der Kindergeldanspruch beruht.

 

Normenkette

EStG § 66 Abs. 3; EUVO-883/2004 Art. 81; AEUV Art. 18, 21, 45; GG Art. 3

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Familienkasse zu Recht die Festsetzung von Kindergeld für den Streitzeitraum unter Berufung auf § 66 Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG) in der damals geltenden Fassung abgelehnt hat.

Die Klägerin ist rumänische Staatsangehörige. Ihre beiden Töchter B (geb. xx.xx.2000) und C (geb. xx.xx.2007) sowie der Ehemann und Kindsvater lebten in den Jahren 2018 und 2019 durchgängig in Rumänien. Die Klägerin war als Saisonarbeiterin in Deutschland tätig.

Mit Schreiben vom 16.04.2019 stellte die Klägervertreterin für die beiden Töchter der Klägerin einen "unbefristeten, formlosen Kindergeldantrag, der sämtliche Anspruchszeiträume bis zur Erstellung des Kindergeldbescheids umfasst". Ein deutsches Antragsformular und weitere Unterlagen (u.a. Einkommensteuerbescheid 2018 und 2019, Ausdruck der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung 2018 und 2019) wurden im weiteren Verfahrensgang vorgelegt.

Mit Bescheid vom 16.11.2020 lehnte die Familienkasse den Antrag für den Zeitraum Januar bis März 2018 unter Hinweis auf das Urteil des BFH vom 19.02.2020 III R 66/18 zu § 66 Abs. 3 EStG ab.

Der Einspruch der Klägerin vom 03.12.2020 wurde mit Einspruchsentscheidung vom 08.04.2021, auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, als unbegründet zurückgewiesen. Die Kindergeldfestsetzung sei für den Zeitraum von Januar bis einschließlich März 2018 zu Recht abgelehnt worden, nachdem vom BFH klargestellt worden sei, dass § 66 Abs. 3 EStG i.d.F. vom 23.06.2017 das Festsetzungsverfahren betreffe und die Festsetzung von Kindergeld auf einen Zeitraum von sechs Monaten vor Antragstellung begrenze. Da der Kindergeldantrag erst am 16.04.2019 bei der Familienkasse eingegangen sei, sei eine Kindergeldfestsetzung für den Streitzeitraum ausgeschlossen. Mit Urteil vom 09.09.2020 III R 37/19 habe der BFH zudem unmissverständlich klargestellt, dass § 66 Abs. 3 EStG nicht verfassungswidrig sei.

Am 15.04.2021 hat die Klägervertreterin Klage erhoben.

Mit Beschluss vom 14.05.2021 ist das Ruhen des Verfahrens bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Parallelverfahren 3 K 1589/20 (zur Nachfolgenorm § 70 Abs. 1 Satz 2 EStG) angeordnet worden. Mit Beschluss vom 08.11.2022 ist das Verfahren nach dem Zurückverweisungsbeschluss des BFH vom 14.07.2020 III R 28/21 wiederaufgenommen worden. Nach Auffassung des BFH (III R 28/21) ist das Finanzgericht Nürnberg im dortigen Verfahren zwar zu Recht davon ausgegangen, dass ein mutmaßlich bei Geburt des Kindes im November 2007 in Rumänien gestellter Antrag schon deshalb nicht unter die Antragsgleichstellung fallen könne, weil die VO (EG) Nr. 883/2004 erst am 01.05.2010 in Kraft getreten sei. Allerdings hätte das Finanzgericht Feststellungen dazu treffen müssen, ob im Heimatland des Klägers (Rumänien) vom Kläger oder einer anderen berechtigten Person ein die Frist des § 70 Abs. 1 Satz 2 EStG wahrender Antrag gestellt worden sei.

Diesen Ausführungen des BFH folgend hat die beklagte Familienkasse im Verfahren 3 K 471/21 am 14.11.2022 folgendes Auskunftsersuchen an die rumänische Behörde gestellt, auf das wegen weiterer Einzelheiten Bezug genommen wird:

"Wurde nach dem 01.05.2010 bis zum 30.09.2018 ein Antrag auf Familienleistungen für die Monate Januar 2018 bis März 2018 gestellt? Falls ein solcher Antrag gestellt wurde, wann wurde dieser gestellt? Bitte übersenden Sie eine Kopie des Antrags. Wurde der grenzüberschreitende Sachverhalt bis zum 30.09.2018 Ihnen gegenüber angezeigt? Bitte übersenden Sie eine Kopie der Mitteilung."

In dem Auskunftsersuchen wurden die Klägerin als antragstellende Person, der Ehemann der Klägerin und die gemeinsamen Kinder D (geb. xx.xx.1997), B (ge...

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