Revision eingelegt (BFH III R 24/20)

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Übertragung der auf den anderen Elternteil entfallenden Kinderfreibeträge bei gemeinsamer Meldeadresse

 

Leitsatz (redaktionell)

Eine Übertragung der auf den anderen Elternteil entfallenden Kinderfreibeträge kommt nicht in Betracht, wenn beide Elternteile unter der selben Adresse gemeldet sind, da in diesem Fall davon ausgegangen werden kann, dass beide Elternteile ihrer auch in Pflege und Erziehung des Kindes bestehenden Unterhaltspflicht nachkommen.

 

Normenkette

EStG § 32 Abs. 6 S. 6

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 15.12.2021; Aktenzeichen III R 24/20)

 

Tatbestand

Die Verfahren 3 K 504/19 (Einkommensteuer 2015 und 2016) und 3 K 756/19 (Einkommensteuer 2017) sind mit Beschluss vom 17.07.2019 zur gemeinsamen Entscheidung verbunden worden.

Streitig ist in allen drei Streitjahren, ob dem Antrag der Klägerin auf Übertragung der auf den Kindsvater entfallenden Kinderfreibeträge einschließlich der Freibeträge für den Betreuungs-, Erziehungs- und Ausbildungsbedarf (im Folgenden "Betreuungsfreibetrag") für die beiden gemeinsamen, nichtehelich geborenen Kinder A (geb. 09.03.1998) und B (geb. 19.04.2001) stattzugeben ist.

Die unverheiratete Klägerin, die beiden Kinder und deren Vater lebten in den Streitjahren in einem gemeinsamen Haushalt. A, der im März 2016 das 18. Lebensjahr vollendete, befand sich bis zum 31.08.2016 in schulischer, anschließend in Berufsausbildung.

Nach dem vorliegenden Einkommensteuerbescheid 2016 des Kindsvaters erzielte dieser damals lediglich Einkünfte i.H.v. ca. 10.000 € (Verluste aus Gewerbebetrieb und nichtselbständiger Arbeit sowie Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung i.H.v. 12.717 €). Der Gesamtbetrag der Einkünfte der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit sowie Vermietung und Verpachtung lag in den Streitjahren zwischen ca. 72.000 € und 77.000 €.

Im Einkommensteuerbescheid der Klägerin für 2015 vom 05.04.2017 zog das Finanzamt bei der Berechnung des zu versteuernden Einkommens für jedes der Kinder Freibeträge i.H.v. 3.576 € ab, im Einkommensteuerbescheid 2016 vom 06.02.2018 i.H.v. 3.624 €, und im Einkommensteuerbescheid 2017 vom 22.02.2019 i.H.v. 3.678 €. Dieser Betrag entspricht jeweils dem gemäß § 32 Abs. 6 Satz 1 EStG auf die Kindsmutter entfallenden Kinderfreibetrag (2015: 2.256 €; 2016: 2.304 €; 2017: 2.358 €) plus dem Betreuungsfreibetrag (2015, 2016 und 2017: 1.320 €).

Gegen alle drei Bescheide legte die Klägerin fristgerecht Einspruch ein, weil die beantragte Übertragung der Freibeträge nicht gewährt worden sei. Sie habe Anspruch auf Übertragung der hälftigen Freibeträge des Kindsvaters, weil dieser seiner Unterhaltspflicht nicht zu mindestens 75 % nachgekommen sei, § 32 Abs. 6 Satz 6 EStG. Zwar erfülle ein Elternteil, in dessen Obhut sich das Kind befinde, seine Unterhaltspflicht i.d.R. durch Pflege und Erziehung des Kindes (§ 1606 Abs. 3 BGB, EStR 32.13 Abs. 2). Eine Regelung, dass dies auch bei nicht miteinander verheirateten, aber zusammenlebenden Kindseltern gelte, fände sich aber weder in EStR 32.13 noch in denBMF-Schreiben vom 28.06.2013 (BStBl I 2013, 845) und vom 17.01.2014 (BStBl I 2014, 109).

Mit Einspruchsentscheidung vom 10.04.2019 wegen Einkommensteuer 2015 und 2016 setzte das Finanzamt die Einkommensteuer 2016 auf 21.049 € herab. Es entsprach dem Antrag der Klägerin insoweit, als es 10/12 des Kinderfreibetrags und 10/12 des Betreuungsfreibetrags für A vom Vater auf die Klägerin übertrug. Im Übrigen wies es die zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen Einsprüche als unbegründet zurück.

Mit Einspruchsentscheidung vom 05.06.2019 wegen Einkommensteuer 2017 setzte das Finanzamt die Einkommensteuer auf 22.053 € herab. Es entsprach dem Antrag der Klägerin insoweit, als es den Kinderfreibetrag und den Betreuungsfreibetrag für A vom Vater auf die Klägerin übertrug. Im Übrigen wies es den Einspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung seiner Entscheidungen führte das Amt aus, nach § 32 Abs. 6 Satz 6 EStG werde bei einem unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen Elternpaar, bei dem die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 Satz 1 EStG nicht vorlägen, auf Antrag eines Elternteiles der dem anderen Elternteil nach Satz 1 zustehende Kinderfreibetrag auf ersteren übertragen, wenn er, nicht jedoch der andere Elternteil, seiner Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind im Kalenderjahr im Wesentlichen nachkomme oder der andere Elternteil mangels Leistungsfähigkeit nicht unterhaltspflichtig sei. Nach § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB erfülle der Elternteil, der ein minderjähriges unverheiratetes Kind betreue, seine Verpflichtung, zum Unterhalt des Kindes beizutragen i.d.R. durch dessen Pflege und Erziehung. Der Betreuungsunterhalt sei dem Barunterhalt gleichwertig. Solange die Kinder noch minderjährig gewesen seien, habe der Vater deshalb seine Unterhaltspflicht durch die Betreuung erfüllt. Das gelte für B während des gesamten Streitzeitraums, für A bis einschließlich Februar 2016.

Zur Begründung der fristgerecht erhobenen Klagen hat der Klä...

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