Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfassungsmäßigkeit der Gewerbesteuer, Halbteilungsgrundsatz, Ruhen und Aussetzung des Verfahrens

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Die Gewerbesteuer ist verfassungskonform. Eine verfassungsrechtliche Überprüfung der Gewerbesteuerbelastung einer Personengesellschaft sowie der Einkommensteuerbelastung der Gesellschafter anhand des Halbteilungsgrundsatzes scheidet bereits dem Grunde nach aus, weil es sich bei der Gesellschaft und den Gesellschaftern um jeweils eigenständige Rechtssubjekte mit jeweils eigenständiger steuerlicher Belastung handelt.

2) Ein Ruhen des finanzgerichtlichen Verfahrens nach § 155 FGO i.V.m. § 251 ZPO kommt nur dann in Betracht, wenn sowohl der Kläger als auch das beklagte Finanzamt dies beantragen.

3) Die Aussetzung des finanzgerichtlichen Klage- bzw. ein weiteres Ruhen des behördlichen Rechtsbehelfsverfahrens gegen einen Gewerbesteuermeßbescheid wegen Verletzung des Halbteilungsgrundsatzes bis zum Ergehen der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts in den Verfassungsbeschwerdeverfahren 2 BvL 2194/99 (betreffend die Bedeutung des Halbteilungsgrundsatzes bei der Einkommensteuer) bzw. 1 BvL 112/04 (bzgl. Vermögensteuer) kommt mangels Vorgreiflichkeit der Verfassungsgerichtsverfahren für die Gewerbesteuer nicht in Betracht.

 

Normenkette

FGO §§ 74, 155; ZPO § 251; GG Art. 14 Abs. 1; AO § 363 Abs. 2

 

Tatbestand

Streitig ist, ob eine Einspruchsentscheidung (EE) isoliert aufzuheben ist, weil eine Entscheidung wegen der Anhängigkeit von Musterverfahren noch nicht hatte ergehen dürfen, sowie hilfsweise ob Gewerbesteuermessbeträge unter Berücksichtigung des Halbteilungsgrundsatzes in geringerer Höhe festzusetzen sind.

Die Klägerin (Klin.) ist eine Kommanditgesellschaft (KG), deren persönlich haftende Gesellschafterin eine GmbH ist. Für die Streitjahre setzte das Finanzamt (FA) die Gewerbesteuermessbeträge wie folgt fest:

1995

1996

1997

1998

305.033,00 DM

193.732,00 DM

393.334,00 DM

358.025,00 DM

Zu Grunde gelegen hatten ohne Berücksichtigung von Hinzurechnungen und Kürzungen Gewinne aus Gewerbebetrieb in folgender Höhe:

1995

1996

1997

1998

5.674.114,00 DM

3.483.803,00 DM

7.506.788,00 DM

7.283.206,00 DM

Gegen diese Bescheide legte die Klin. mit der Begründung Einspruch ein, dass das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in seinem Beschluss vom 22.06.1995 2 BvL 37/91 (Bundessteuerblatt (BStBl.) II 1995, 655) aus Art. 14 Abs. 2 Grundgesetz (GG) abgeleitet habe, dass eine steuerliche Gesamtbelastung aus Einkommen-, Vermögen-, Körperschaft- und Gewerbesteuer sowie Solidaritätszuschlag von mehr als 50 v. H. des Sollertrages verfassungswidrig sei (so genannter Halbteilungsgrundsatz). Diese Grenze sei in ihrem Fall überschritten.

Zugleich beantragte sie, die Einspruchsverfahren gemäß § 363 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) ruhen zu lassen, bis die als anhängig vor dem Bundesfinanzhof (BFH) und dem BVerfG bezeichneten Verfahren entschieden worden seien – u. a. XI R 77/97 (BFH).

Das FA wies den Einspruch am 09.06.2000 mit der Begründung zurück, dass der bezeichnete Beschluss des BVerfG vom 22.06.1995 2 BvL 37/91 (a. a. O.) allein die Vermögensteuer (VSt) betroffen habe. Der so genannte Halbteilungsgrundsatz sei insbesondere auf die Gewerbesteuer nicht anwendbar. Dieser Auffassung sei auch der BFH in seinem mittlerweile ergangenen Urteil vom 11.08.1999 XI R 77/97 (BStBl. II 1999, 771). Angesichts dessen sei auch ein Ruhen des Einspruchsverfahrens nicht in Betracht gekommen.

Mit ihrer Klage macht die Klin. in erster Linie geltend, dass die EE verfahrensfehlerhaft ergangen und daher aufzuheben sei. Sie weist darauf hin, dass gegen das Urteil des BFH vom 11.08.1999 XI R 77/97 (a. a. O.) Verfassungsbeschwerde erhoben worden sei, Az. 2 BvL 2194/99. Sie ist der Auffassung, dass dieses Verfahren die selbe Rechtsfrage betreffe, um die es im Streitfall gehe, und damit für den vorliegenden Fall vorgreiflich sei. Erst wenn eine Entscheidung in diesem Verfahren ergangen sei, habe das Einspruchsverfahren fortgesetzt werden dürfen.

Die Voraussetzungen für ein Ruhen des Einspruchsverfahrens hätten vorgelegen. Wegen des Halbteilungsgrundsatzes sei eine Vielzahl von gerichtlichen Verfahren anhängig. Sie behauptet, dass allein ihre Bevollmächtigten etwa 70 Klagen erhoben hätten, davon etwa 30 allein gegen das beklagte FA.

Das anhängige Verfahren vor dem BVerfG sei auch nicht völlig aussichtslos. Es sei nicht ausgeschlossen, dass die Wirkung der Entscheidung in die Vergangenheit zurück reiche.

Das Finanzgericht (FG) Münster habe in dem Urteil vom 04.05.2000 3 K 8622/97 VSt (Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2000, 911) ebenfalls die Auffassung vertreten, dass eine EE erst dann habe ergehen dürfen, wenn die betreffende höchstrichterliche Entscheidung ergangen sei.

Sie, die Klin., habe auch ein berechtigtes Interesse daran, dass das FA erneut über ihre außergerichtlichen Rechtsbehelfe entscheide. Erst wenn die Musterentscheidung bekannt sei, könne sie das Kostenrisiko für eine möglicherweise noch zu erhebende Klage a...

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