Entscheidungsstichwort (Thema)

Feststellungsfrist, Festsetzungsfrist zur ESt, Verjährung

 

Leitsatz (redaktionell)

Eine gesonderte Feststellung der Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften kann auch nach Ablauf der für diese geltenden Feststellungsfrist erfolgen, wenn die Festsetzungsfrist für den Einkommensteuerbescheid des betreffenden Jahres noch nicht abgelaufen ist.

 

Normenkette

EStG § 23 Abs. 3 S. 9; AO § 169; EStG § 10d Abs. 4

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 20.11.2012; Aktenzeichen IX R 30/12)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob erstmalig eine gesonderte Feststellung eines verbleibenden Verlustvortrages zur Einkommensteuer auf den 31. Dezember 2002 erfolgen kann.

Die Kläger sind Eheleute, die im Streitjahr 2002 auf der Grundlage der von ihnen im Mai 2003 eingereichten Einkommensteuererklärung zuletzt mit Bescheid vom 29. August 2006 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Der Beklagte hatte die Einkommensteuer auf xx.xxx EUR festgesetzt und dabei erklärungsgemäß bei dem Kläger weder Einkünfte aus Kapitalvermögen noch aus privaten Veräußerungsgeschäften berücksichtigt.

Im Rahmen strafbefreiender Selbstanzeigen erklärte der Kläger im Jahr 2010 bislang nicht erklärte Einkünfte aus Kapitalvermögen und privaten Veräußerungsgeschäften für die Jahre 1999 bis 2008 nach. Daraufhin erließ der Beklagte am 13. September 2010 unter Hinweis auf § 173 der Abgabenordnung (AO) unter anderem einen Einkommensteueränderungsbescheid für das Jahr 2002, in dem er nunmehr beim Kläger Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von xx.xxx EUR berücksichtigte. Die negativen Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften aus dem Jahr 2002 in Höhe von unstreitig xx.xxx,xx EUR berücksichtigte er dabei – auch im Wege des Verlustrücktrages in das Jahr 2001 – nicht, da keine verrechenbaren positiven Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften vorhanden waren. Die ebenfalls nacherklärten negativen Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften des Jahres 2001 wurden vollständig in das Jahr 2000 zurückgetragen, so dass sich kein vortragsfähiger Verlust auf den 31. Dezember 2001 ergab.

Mit Schreiben vom 18. Oktober 2010 beantragten die Kläger unter anderem, auf den 31. Dezember 2002 einen verbleibenden Verlustvortrag zur Einkommensteuer hinsichtlich der Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften des Klägers in Höhe von xx.xxx,xx EUR festzustellen. Dieses lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 2. November 2010 wegen der aus seiner Sicht eingetretenen Verjährung ab. Der hiergegen gerichtete Einspruch der Kläger blieb ohne Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 25. Januar 2011).

Ihre Klage begründen die Kläger damit, dass die Feststellungsfrist gehemmt und somit der erstmalige Erlass eines Bescheides über die gesonderte Feststellung des auf den Schluss des Jahres 2002 verbleibenden Verlustvortrages zulässig sei.

Die Feststellungsfrist für die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrages auf den 31. Dezember 2002 laufe grundsätzlich gem. § 181 Abs. 1 Satz 1 AO i.V.m. § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO vier Jahre. Sie beginne mit Ablauf des 31. Dezember 2005 und ende daher nicht vor Ablauf des 31. Dezember 2009 (§ 181 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Fall 2 AO). Im Streitfall sei der Ablauf der Frist allerdings gem. § 23 Abs. 3 Satz 9 des Einkommensteuergesetzes (EStG) 2007 i.V.m. § 10d Abs. 4 Satz 6 EStG gehemmt gewesen. Die Feststellung sei bei Antragstellung im Jahr 2010 noch möglich gewesen, da die Festsetzungsfrist für die Einkommensteuer 2002 noch nicht abgelaufen gewesen sei. Infolge der Steuerhinterziehung im Bereich der Einkünfte aus Kapitalvermögen gelte die 10-Jahresfrist des § 169 Abs. 2 Satz 2 AO, d.h. die Festsetzungsfrist ende im Streitfall erst mit Ablauf des 31. Dezember 2013.

Entgegen der Auffassung des Beklagten verweise § 10d Abs. 4 Satz 6 EStG nicht lediglich auf die reguläre Festsetzungsverjährung in § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO bzw. nur bei einem unmittelbaren Zusammenhang der festzustellenden Verluste mit hinterzogenen Steuern auf die verlängerte Festsetzungsverjährung. Zwar sei der Wortlaut des Gesetzes insoweit neutral, jedoch gebiete die historische Auslegung, dass sich der Verweis jeweils auf die konkrete Festsetzungsfrist beziehe. Der Gesetzgeber habe mit der Einfügung des Satzes 6 in § 10d Abs. 4 EStG sicherstellen wollen, dass sich jede Änderung der für den Verlustvortrag maßgeblichen Bezugsgrößen bei der Einkommensteuerfestsetzung auch im Verlustfeststellungsverfahren auswirken könne. Sofern also eine Änderung der Einkommensteuerfestsetzung auf Grund der verlängerten Festsetzungsfrist noch möglich sei, solle auch eine entsprechende Änderung der Verlustfeststellung möglich sein. Diese Auslegung entspreche dem Sinn und Zweck der Vorschrift. Die Einfügung des Satzes 6 habe verhindern sollen, dass die erstmalige Verlustfeststellung zeitlich unbegrenzt erfolgen könne. Ziel sei es gewesen, unter Beibehaltung der Steuergerechtigkeit eine zeitnahe Entscheidung über die Höhe des Verlustabzuges siche...

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