Entscheidungsstichwort (Thema)

Frage der Steuerbefreiung von medizinischen Leistungen einer Klinik für Kinder- und Jugendpsychatrie

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Der erkennende Senat ist davon überzeugt, dass das Leistungsangebot und -spektrum der Stpfl. den von Krankenhäusern in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft oder nach § 108 SGB V zugelassenen Krankenhäusern erbrachten Leistungen entspricht. Die Stpfl. bietet eine kinder- und jugendpsychatrische Akut- und Vollversorgung an. Auch die erbrachten psychotherapeutischen Leistungen im Rahmen von Krankenhausbehandlungen, die von jedem, gleich ob gesetzlich, privat oder nicht versichert, in Anspruch genommen werden können, dienen einem Gemeinwohlinteresse.

2. Die Stpfl. kann sich in den Streitjahren für die Inanspruchnahme der begehrten Steuerbefreiung grds. unmittelbar auf Unionsrecht berufen, da die nationale Regelung des § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG aufgrund des enthaltenen sozialversicherungsrechtlichen Bedarfsvorbehalts nicht den unionsrechtlichen Vorgaben entspricht.

 

Normenkette

MwStSystRL Art 132 Abs. 1 Buchst. b; UStG § 4 Nr. 14 Buchst. b

 

Tatbestand

Streitig ist die Steuerfreiheit von Krankenhausbehandlungsleistungen nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem 2006/112/EG (MwStSystRL) in den Jahren 2012 bis 2015.

Die Klägerin betreibt in gemieteten Räumen in E eine vollstationäre Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie. Vermieter der Räumlichkeiten waren die Beigeladenen, die Betriebs- und Verwaltungsgesellschaft X GmbH, die Klinikbau X GmbH und Frau S K. Auf dem Gelände […] befinden sich neben der Klinik eine Tagesklinik für teilstationäre Therapien sowie […].

Die Klägerin erfüllt die gesetzlichen Anforderungen an einen Krankenhausbetrieb und verfügt über die für den Betrieb notwendige Erlaubnis nach § 30 Gewerbeordnung (GewO) (Bescheid vom 00.00.0000). Die Klinik ist auch vom Verband privater Krankenkassen (PKV) als heilbehandelnde Klinik anerkannt. Sie ist jedoch weder ein sogenanntes Plankrankenhaus oder Vertragskrankenhaus nach § 108 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) noch verfügt sie über eine Zulassung als Medizinisches Versorgungszentrum nach § 95 SGB V. Sie betreibt somit eine „Privatklinik”. Der tägliche Pflegesatz der Klinik betrug in den Streitjahren xxx € (brutto).

Im Rahmen ihres Unternehmens erbrachte die Klägerin in den Streitjahren folgende Leistungen gegen Entgelt: Krankenhausbehandlungen, Überlassung von Personal und Sachmitteln an den Chefarzt für dessen ärztliche Unternehmertätigkeit und Überlassung von PKW an Arbeitnehmer zur privaten Nutzung. In den Streitjahren wurden in der Klinik neben Privatpatienten auch solche Patienten behandelt, die Ansprüche gegenüber einer gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), einer Beihilfestelle oder der Jugendhilfe hatten. Die verschiedenen Patientengruppen wurden hierbei nicht unterschiedlich behandelt. Ungeachtet des Versicherungsstatus wurden mit allen Patienten (bzw. den Erziehungsberechtigten) inhaltsgleiche Behandlungsverträge geschlossen.

Die Klinik verfügt über 20 Patientenbetten in insgesamt zehn Doppelzimmern. Eines dieser Patientenzimmer war barrierefrei eingerichtet. Alle Doppelzimmer verfügen über ein eigenes, normal ausgestattetes Bad mit WC, Waschbecken und Dusche. Fernseher oder Telefone sind in den Zimmern (bereits aus therapeutischen Gründen) nicht vorhanden. Darüber hinaus existieren für die Mitaufnahme von Begleitpersonen (bei medizinischer Notwendigkeit bei Patienten unter zwölf Jahren) zwei separate Zimmer. In der Klinik befinden sich weitere notwendige Räume wie der Essensraum, Sozial- und Besprechungsräume des Personals, ein Aufenthalts-/TV-Bereich für die Patienten und Räume für diverse Therapieangebote (z.B. Kreativ- oder Bewegungsräume für Einzel- oder Gruppentherapien). Darüber hinaus waren ein reizarm eingerichtetes Zimmer (sog. Deeskalationszimmer) und ein sog. Krisenzimmer, in dem selbst- oder fremdgefährdende Patienten vorübergehend fixiert und in einer unmittelbaren 1:1-Betreuung beobachtet werden können, vorhanden. Der Behandlungsschwerpunkt der Klinik lag insbesondere auf Patienten mit […], welche mit einem hohen Therapie- und Betreuungsaufwand verbunden ist.

Soweit sich gesetzlich krankenversicherte Patienten in der Klinik der Klägerin behandeln ließen, waren diese bzw. die Erziehungsberechtigten zumeist selbst Empfänger der Behandlungsrechnungen, da sich der gegenüber der Versicherung grundsätzlich bestehende Sachleistungsanspruch solcher Patienten in einen Anspruch auf Kostenerstattung gemäß § 13 SGB V umwandeln kann, wenn die Versorgung auf Wunsch des Patienten in einer Privatklinik erfolgt. Die GKV erstattete den Patienten regelmäßig maximal die Kosten, die es an ein Plankrankenhaus gezahlt hätte (Vergleichspflegesatz). Da die Vergleichspflegesätze von verschiedenen Faktoren abhängen, schwankte der Anteil der Kostenübernahmen regelmäßig stark (im Zeitraum 01/2015 bis 10/2015 erfolgte seitens der G...

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